Vermummte greifen Paar und Polizisten an / Beamte korrigieren Meldung zu "Pflastersteindepots"
Von Robert Nößler
Mehrere vermummte Schläger haben nach der Legida-Demo am Montagabend
einen Polizisten sowie einen Autobesitzer und seine Frau angegriffen.
Der 63-jährige Dresdner, dessen Fahrzeug zuvor demoliert worden war,
erlitt bei dem Übergriff im Waldstraßenviertel schwere Verletzungen. Er
musste mit Verdacht auf eine Schädelfraktur in ein Krankenhaus gebracht
werden, teilte Polizeisprecher Andreas Loepki gestern mit. Seine
ebenfalls 63-jährige Begleiterin und der 40 Jahre alte Beamte hätten
leichte Verletzungen erlitten.
An dem BMW, der in der Humboldtstraße parkte, wurden zuvor mehrere
Scheiben eingeworfen. Der Besitzer hatte laut Polizei die Europlakette
seines Kennzeichens überklebt, weshalb er wohl als Legida-Sympathisant
vermutet wurde. Als Zivilbeamte gegen 23 Uhr Spuren sichern wollten,
seien die bis zu sechs vermummten und dunkel gekleideten Täter auf die
Gruppe zugestürmt und hätten auf sie eingeschlagen. "Erst als sich die
Polizisten zu erkennen gaben, ließen sie von ihnen ab und flüchteten",
berichtete Loepki. Der Staatsschutz hat inzwischen die Ermittlungen
übernommen. Wegen des manipulierten Kennzeichens, eine
Ordnungswidrigkeit, wird auch gegen den 63-Jährigen ermittelt.
Insgesamt wurden bei der Legida-Demo (Liveticker zum Nachlesen) und den
Gegenprotesten 27 Strafanzeigen aufgenommen, wegen Verstößen gegen das
Versammlungsgesetz, Sachbeschädigung, Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und in fünf Fällen wegen
Körperverletzung. Nach einer versuchten Körperverletzung wurde ein
Legida-Teilnehmer von der Polizei vorläufig festgenommen. Beim Abmarsch
an der Nordseite der Höfe am Brühl gab es auch Flaschenwürfe auf
Legida-Demonstranten.
Der 16. Aufmarsch des fremdenfeindlichen Bündnisses war auf breiten
Protest gestoßen. Laut dem Soziologen Stephan Poppe von der Uni Leipzig
nahmen mindestens 2600 Menschen an den Gegenveranstaltungen teil.
Darunter waren auch Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD),
Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel und Oberbürgermeister Burkhard Jung
(SPD), der den Bürgern für das "klare Zeichen gegen Rassismus" dankte
(die LVZ berichtete). Bei der Legida-Demo, die ihre Route vom
Richard-Wagner-Platz durch das Zentrum-West wegen Blockaden mehrfach
ändern musste, zählte Poppe 600 bis 800 Teilnehmer.
Verwirrung herrschte um vermeintliche "Pflastersteindepots", die von der
Polizei gegen 17.15 Uhr in der Nähe des Naturkundemuseums entdeckt
worden waren. Zunächst hieß es, daraus ließen sich "Rückschlüsse auf das
Gewaltpotenzial" der Demonstranten ziehen. Nachdem die Nachricht im
Netz für Kritik sorgte, ruderte die Polizei gestern zurück und
korrigierte ihre Darstellung vom Vorabend. Es habe sich um ein
"kommunikativen Missverständnis" gehandelt, so Loepki. Die
Pflastersteine seien zur Instandsetzung des Fußweges als Baumaterial
gelagert worden, hieß es. Zuvor hatte das Netzwerk NoLegida die Vorwürfe
als "völligen Quatsch" zurückgewiesen. "Tatsache ist, dass dort derzeit
Wege ausgebessert werden und daher dort Pflastersteine gelagert waren.
Diese wurden bei der Begehung auch durch Mithilfe von uns und unseren
Teilnehmern weggeräumt", hieß es bei Facebook. Durch die Einsatzkräfte
seien die Steine laut Loepki jedoch als potenzielle Gefahr eingeschätzt
worden. Die Stadt habe den Steinhaufen noch am Abend beseitigt.
Für Kritik sorgte das teilweise überharte Eingreifen der Polizei bei der
Gruppe Demonstrationsbeobachtung Leipzig. Die Situation nach 21 Uhr
bezeichnete die Initiative als "zunehmend chaotisch".
Gegenprotestierende, die sich in der Nähe des Demo-Abzugs befanden,
seien "hart durch Polizist*innen angegangen", Verletzungen provoziert
und teilweise auch in Kauf genommen worden.
Loepki wies die Kritik zurück. Es sei notwendig gewesen, die Lager zu
trennen. "Polizeibeamte mussten unmittelbaren Zwang anwenden, um ein
direktes Aufeinandertreffen zu verhindern", erklärte der
Polizeisprecher. Dabei seien auch körperliche Gewalt und Reizgas
eingesetzt worden. Auf die Frage, ob dies verhältnismäßig war,
antwortete er: "Die Polizei handelt so, wie sie es für richtig und
angemessen hält."