"In Schneeberg werden keine zusätzlichen Kapazitäten aufgebaut"

Erstveröffentlicht: 
14.08.2015

Wende bei Erstaufnahmeeinrichtungen: Innenministerium nimmt geplante Aufstockung der Plätze zurück

 

Von Jürgen Kochinke


Dresden. Das bizarre Hin und Her der sächsischen Landesregierung beim ­Reizthema Asyl hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Nachdem Ende vergangener Woche bekannt geworden war, dass die Erstaufnahmeeinrichtung in Schneeberg entgegen anderslautender Zusagen aufgestockt werden soll, kam gestern die plötzliche Wende der Wende. Kein Geringerer als Michael Wilhelm, der Staatssekretär von Innenminister Markus Ulbig (CDU), erklärte dem staunenden Publikum, dass nun doch alles beim Alten bleibt. "In Schneeberg werden keine zusätzlichen Kapazitäten aufgebaut", sagte Wilhelm am Rande des Lenkungsausschusses Asyl, eine Aufstockung jedenfalls sei nicht geplant. Begründung: "Die Zahlen aus dem Papier sind falsch."


Das ist eine mehr als beachtliche Aussage. Schließlich war es Wilhelm, der neben "seinem" Minister an just jener Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag teilgenommen hatte, in der den Abgeordneten jene Zahlen als Tischvorlage präsentiert wurden. Und die betrafen eben auch Schneeberg, wo die Plätze in der Erstaufnahmeeinrichtung von derzeit 840 auf 1105 hochgefahren werden sollen (LVZ berichtete). Nun also das Gegenteil. Dabei bleibt es das Geheimnis des Staatssekretärs, warum er jenes Zahlenwerk im Innenausschuss hat passieren lassen, von dem er nun behauptet, es sei verkehrt.


Diese Facette aber ist noch nicht das Ende des regierungsamtlichen Wirrwarrs derzeit. Perfekt wird es erst durch die Tatsache, dass Ulbig es sich nicht hat nehmen lassen, auch selbst ein paar Sätze zum Thema zu sagen. Das war in einem Interview mit der Bild-Zeitung am vergangenen Mittwoch. Und genau darin präsentiert der Minister die Lesart von Ausschuss. Im O-Ton liest sich das so: "Wenn wir die Menschen aus den Zelten raus haben wollen, müssen wir alle Kapazitäten nutzen - also auch dort gegebenenfalls aufstocken." Und das gelte vorerst auch für Schneeberg.


Dabei musste ihm da bereits klar gewesen sein, wie problematisch dies ist. Schließlich hatte Ulbig erst im Juni versprochen, Schneeberg von derzeit 840 Plätzen auf 280 zu reduzieren - von einer Aufstockung ganz zu schweigen. Umgehend machte die These vom Wortbruch die Runde, zudem setzte es in der Region Proteste, auch von betroffenen Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion. Eben das aber dürfte der Grund für die letzte Wende gewesen sein, die das Innenressort jetzt hingelegt hat.


Der Lenkungsausschuss selbst hat dagegen wenig Neues ergeben. Direkt nach der Sommerpause in rund zehn Tagen will sich das Kabinett mit dem Asyl-Thema beschäftigen. Dabei geht es auch um ein neues Konzept für Erstaufnahmeeinrichtungen. Darüber hinaus soll auch eine neue Tonlage auf der zweiten Asyl-Ebene, der späteren Unterbringung in den Kommunen, angeschlagen werden. So war es laut Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) bisher Sitte, dass das Land bei den Kommunen nach Unterbringungsmöglichkeiten angefragt hat und die hätten sich dann gemeldet - oder eben auch nicht. Das soll sich nun ändern. "Es ist an der Zeit, dass man alle Kommunen in die Partnerschaft nimmt", sagte Köpping, was soviel heißen soll wie: in die Pflicht. "Keiner kann sich dann mehr im Gebüsch verstecken und sagen, das geht mich nichts an."