Verbandspräsident dachte nach Drohungen an Rücktritt
Von Ingolf Pleil
Dresden. Die Städte und Gemeinden in Sachsen fordern ein neues System
für die Abrechnung von Unterbringungskosten für Asylbewerber. Außerdem
kritisieren sie die mangelhafte Kommunikation des Freistaats. Im
Konflikt um Asylheime schrecken Gegner auch vor Attacken auf
Bürgermeister nicht zurück. "Wir wollen dem Geld nicht mehr
hinterherrennen", erklärte der Geschäftsführer des Sächsischen Städte-
und Gemeindetags (SSG), Mischa Woitscheck, in Dresden.
Gegenwärtig zahlt der Freistaat eine Pauschale von 7600 Euro pro
Asylbewerber und Jahr an die Kommunen. Ständig gebe es jedoch Debatten
darüber. Damit soll Schluss sein. Die Kommunen wollen jetzt eine
Abrechnung der tatsächlichen Unterbringungskosten, eine sogenannte
Spitzabrechnung: wie sie beispielsweise in Bayern oder
Mecklenburg-Vorpommern praktiziert werde. "Das bedeutet sicher einen
erheblichen Aufwand", räumte der Geschäftsführer ein. Die Pauschale sei
jedoch nicht kostendeckend, obwohl den Kommunen eine Erstattung der
Ausgaben in voller Höhe zustehe. Dresden beispielsweise bleibe bei
Gesamtkosten von rund 32 Millionen Euro 2015 auf einer Lücke von mehr
als 11 Millionen Euro sitzen, hieß es in der Stadt.
Laut Innenstaatssekretär Michael Wilhelm (CDU) würden die Kommunen mit
der Pauschale besser fahren. Bei einer Abrechnung der tatsächlichen
Kosten sei der Aufwand erheblich. Rechnungen müssten geprüft, Standards
festgesetzt werden.
Attacken auf OB-Familie
Woitscheck forderte den Freistaat auf, Gelder des Bundes für die
Unterbringung der Asylbewerber vollständig an die Kommunen
weiterzugeben. Von 50 Millionen Euro würden nur 38 durchgereicht. Die
Kommunen kritisieren zudem die mangelnde Flexibilität beim Freistaat. So
seien Gemeinden Fördergelder für die Ertüchtigung von leerstehenden
Wohnungen verwehrt worden, weil die vor der Zuspitzung des Asylproblems
noch für den Abriss vorgesehen gewesen seien. Der Verband mahnte den
Freistaat, die Kommunen zügig mit Daten über die zu erwartenden
Asylbewerber zu versorgen. Nur mit rechtzeitiger Information über
Religionszugehörigkeit und Herkunftsländer könnten Konflikte in den
Unterkünften vermieden werden. Insgesamt müsse sich die Kommunikation
mit den Bürgermeistern verbessern.
Woitscheck räumte ein, dass es Bürgermeister gebe, die sich der
Unterbringung von Asylbewerbern verweigern wollen. Das gehe natürlich
nicht. Es sei aber auch für Bürgermeister nicht leicht. Bautzens
Oberbürgermeister Christian Schramm (CDU), der auch Präsident des
Städte- und Gemeindetags war, habe Ende 2014 fast zurücktreten wollen,
weil es im Internet Drohungen gegen seine Familie gegeben habe. In
Bautzen hatte es eine heftige Debatte um die Nutzung eines Hotels als
Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber gegeben. Bürgermeister sollten
sich nicht scheuen, solche Dinge beim Operativen Abwehrzentrum (OAZ)
gegen rechtsextremistische Straftaten anzuzeigen, sagte Woitscheck. Zur
Jahresmitte hätten dort fast 30 Anzeigen vorgelegen.