Mediziner beklagen hygienische Zustände / Gesundheitsministerium räumt Probleme ein
Von Christiane Raatz und Jörg Schurig
Dresden. Das Dresdner Zeltlager für Flüchtlinge sorgt weiter für
Diskussionen. Während ehrenamtlich tätige Ärzte der Dresdner Uniklinik
die hygienischen und medizinischen Bedingungen in der Zeltstadt
kritisierten, sehen andere Mediziner wiederum keine akute Gefahr für
mögliche Epidemien. Erstmals hatten gestern auch Journalisten Zugang zu
dem Lager. Das sächsische Gesundheitsministerium räumte ein, dass "die
hygienische Situation anfangs kritisch war und auch noch nicht optimal
ist".
Laut Gesundheitsstaatssekretärin Andrea Fischer habe es aber in den
vergangenen Tagen Verbesserungen gegeben. Demnach wurden sämtliche
Dixi-Toiletten durch Container ersetzt, zwei Ärzte des Deutschen Roten
Kreuzes (DRK) kümmern sich um die Flüchtlinge. Sobald ein Patient
Durchfall habe, werde dieser ins Krankenhaus geschickt, erklärte die
ärztliche Geschäftsführerin der Landesärztekammer, Patricia Klein. Das
Gesundheitsamt der Stadt sei jeden Tag vor Ort, um die Standards zu
kontrollieren. Laut Klein, die sich ehrenamtlich in der Zeltstadt
engagiert, werde gerade ein Notfallplan für Epidemien erstellt. "Die
Kliniken sind alle bereit, Patienten aufzunehmen."
Mediziner hatten angesichts der anhaltenden Hitze vor dem Ausbruch von
Krankheiten in dem Camp gewarnt. "Die hygienischen Bedingungen sind
unzureichend, es besteht die Gefahr von gefährlichen
Durchfallerkrankungen", sagte Gerhard Ehninger vom Dresdner
Universitätsklinikum. Zudem drohe die Gefahr von Hitzschlägen, weil es
in der Zeltstadt kaum Schatten gebe. Die Versorgung mit Trinkwasser an
den Wasserausgabestellen ist laut Einschätzung des Arztes nicht
ausreichend. Ehninger sprach von einer "humanitären Katastrophe", weil
die Unterbringung der Flüchtlinge nicht den internationalen Standards
entspreche. Die Zelte seien überbelegt, es gebe zu wenig Toiletten. Für
Kinder bestehe Verletzungsgefahr durch spitze Steine, die als Untergrund
dienten. Der Arzt kritisierte zudem die schlechten Arbeitsbedingungen
für ehrenamtliche medizinische Helfer. Ehninger forderte daher eine
"konzertierte Aktion", um die medizinische Betreuung der Flüchtlinge zu
koordinieren - und sieht dafür vor allem das Gesundheitsministerium in
der Pflicht.
Laut den Worten von Sachsens DRK-Chef Rüdiger Unger, dessen Organisation
das Camp betreut, arbeite man in dem Zeltlager nach einem Standard für
die Nothilfe. "Es entspricht nicht dem, was wir uns wünschen. Es wird
aber jeden Tag ein Stück besser." Zudem betonte er, dass es keinen
Mangel an Trinkwasser gebe. Es seien rund 30000 Liter vorrätig. Für die
Flüchtlinge stünden 14 Toiletten für Frauen und 25 für Männer zur
Verfügung. Zudem gebe es auf dem Gelände elf Duschcontainer für Frauen
sowie 20 für Männer.
Auch der Sächsische Flüchtlingsrat, der Ausländerrat Dresden, das
Netzwerk "Dresden für alle" und die Ausländerbeauftragte der Stadt
kritisierten die Zustände in dem Camp im Stadtteil Friedrichstadt. "In
dieser Hitze unter solchen Bedingungen, das ist gefährlich, vor allem
für Kinder", so die Dresdner Ausländerbeauftragte Kristina Winkler.
Ihrer Einschätzung nach würden die Kinderrechtskonvention der Vereinten
Nationen nicht eingehalten. Zur Begründung verwies sie auf unzureichende
Möglichkeiten zur körperlichen Pflege, mangelhafte Ernährung und
fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten. Winkler forderte deshalb, Familien
und Schwangere so schnell wie möglich in festen Unterkünften
unterzubringen. Laut Angaben von DRK-Chef Unger habe man in den
vergangenen Tagen jede Chance genutzt, Familien mit Kindern in feste
Unterkünfte zu schicken. Bisher waren rund 1000 Menschen in der
Zeltstadt untergebracht.