Geheimpapier der Landesregierung / Entgegen bisheriger Zusage soll Schneeberg erweitert werden
Von Jürgen Kochinke
Dresden. Wegen rapide steigender Flüchtlingszahlen will die
schwarz-rote Landesregierung in Sachsen die Plätze in den
Erstaufnahmeeinrichtungen um fast die Hälfte erhöhen. Nach Informationen
der Leipziger Volkszeitung sollen die landesweit vorhandenen Plätze von
derzeit 4846 auf 7183 aufgestockt werden - ein Plus von exakt 2337
Plätzen. Das geht aus einem Geheimpapier hervor, das das
Finanzministerium mit dem Innenressort erarbeitet hat. Auf diesem Weg
will die Koalition die angespannte Lage in den Erstaufnahmeeinrichtungen
entschärfen.
Nach der internen Tischvorlage soll die Zielgröße von 7183 Plätzen
trotz des geplanten Abbaus der in Zeltlagern vorhandenen Kapazitäten
erfolgen. Dies aber funktioniert nur durch massiven Zuwachs an anderer
Stelle, was erheblichen politischen Sprengstoff birgt. Der heikelste
Punkt dabei betrifft erstens die krisengeschüttelte
Erstaufnahmeeinrichtung in Schneeberg. In der stehen derzeit 840 Plätze
zur Verfügung, allerdings hatte Innenminister Markus Ulbig (CDU)
persönlich versprochen, die Anzahl auf 280 zu reduzieren. Laut
Geheimpapier aber ist das genaue Gegenteil geplant: statt Abbau eine
Steigerung um 265 Plätze auf 1105. Würde dies umgesetzt, hätte Ulbig
Wortbruch begangen. Doch Schneeberg ist nicht der einzige heikle Punkt,
den die Tischvorlage enthält.
Der zweite ist die angepeilte Dauer der Umsetzung. Denn in der Zielgröße
sind die beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in Dresden und Leipzig mit
jeweils rund 700 Plätzen bereits eingerechnet. Da es sich aber um
größere Bauvorhaben handelt, sind diese erst in knapp eineinhalb Jahren
fertig. Die Leipziger Unterkunft in der Friederikenstraße, die am Montag
als Erstaufnahmeeinrichtung eröffnet wird, war anfangs als Interim
gedacht. Inzwischen will sie der Freistaat aber langfristig als Reserve
behalten.
Der dritte völlig ungeklärte Punkt besteht darin, dass von den geplanten
2530 Plätzen in Containern derzeit nur 430 vorhanden sind. Von den
fehlenden Plätzen sollen 1100 erst in rund zwölf Monaten bereitstehen,
und für weitere 1000 sind derzeit weder Container vorhanden noch
Standorte bekannt. Klar ist: Wegen der enormen deutschlandweiten
Nachfrage sind kaum noch Container auf dem Markt zu bekommen.
Noch wesentlich gravierender ist schließlich der vierte Punkt. Bereits
heute steht fest, dass wegen weiter rapide steigender Asylbewerberzahlen
selbst die jetzt nach oben korrigierte Version schon von der
Wirklichkeit überholt ist. Faktisch entspricht die Zielgröße nicht mehr
dem realen Bedarf. Zwar existiert derzeit ein Puffer von knapp 600
Plätzen in den Lagern. Insider aber gehen davon aus, dass dies in
wenigen Wochen Geschichte sein wird. Grund dafür ist, dass das neue
schwarz-rote Konzept auf den Werten des zweiten Quartals 2015 basiert,
als noch im Schnitt rund 2000 Asylbewerber pro Monat nach Sachsen kamen.
Bereits im Juli aber schnellte die Zahl auf über 4000 empor, und laut
Prognosen dürfte es dabei bleiben. Damit ist absehbar, dass bereits Ende
August ein Fehlbestand von 1400 Plätzen existiert, und Ende September
liegt dieser schon bei 2800.