Akten womöglich hilfreich im Fall Oktoberfest-Attentat
Von jutta schütz
Berlin. Das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hat die
rechtsextreme Szene in der Bundesrepublik stärker beobachtet als bislang
bekannt. Dokumente aus dem Stasi-Archiv enthielten Hinweise auf viele
IM und weitere Quellen in der westdeutschen Neonazi-Szene, sagte gestern
die Sprecherin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Dagmar Hovestädt. Es sei
dem MfS vor allem darum gegangen, Anschläge auf die innerdeutsche Grenze
frühzeitig zu vereiteln, so die Sprecherin. Auch sollte eine stärkere
Vernetzung der rechtsextremen Szene in beiden Teilen Deutschlands
verhindert werden. In einem Stasi-Bericht vom Oktober 1989 hieß es laut
der Berliner Zeitung, die zuerst darüber berichtete, dass sowohl
Kontakte von rechten DDR-Jugendlichen zu BRD-Nazigruppen als auch
Nazi-Aktivitäten in der DDR zunähmen.
Mindestens 42 IM angeworben
Laut dem Zeitungsbericht hatte das Stasi-Ministerium unter seinem Chef
Erich Mielke mindestens 42 Inoffizielle Mitarbeiter unter westdeutschen
Neonazis und in deren unmittelbarem Umfeld. Weitere fast 30
Rechtsextremisten seien als sogenannte IM-Vorläufe registriert gewesen.
Das bedeute, ihre Anwerbung als Spitzel sei vorbereitet worden. Hinzu
seien noch vier weitere Informanten gekommen, die einen loseren Kontakt
zum MfS unterhielten. Die meisten seien in den achtziger Jahren
angeworben worden. Zuständig gewesen sei die Hauptabteilung XXII, deren
Aufgabe die Terrorabwehr war. Auch andere Stasi-Abteilungen des
Ministeriums seien involviert gewesen, hieß es. So gehe aus den Akten
hervor, dass ein Westagent der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA -
zuständig für Auslandsspionage) Informationen über die militante
Neonazi-Organisation Wehrsportgruppe Hoffmann geliefert habe.
"Über eigenen Schatten gesprungen"
Die Akten über die IM, die im rechten Spektrum agierten, könnten auch
für aktuelle Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zu Hinterleuten und
Mittätern des Oktoberfest-Attentats von 1980 von Belang sein, schrieb
das Blatt. Bei dem Anschlag am 26. September 1980 waren 13 Menschen
getötet und weitere 211 Personen zum Teil lebensgefährlich verletzt
worden. Die Bundesanwaltschaft hatte zuletzt im Februar erklärt, bereits
in der Vergangenheit seien Hinweise in Stasi-Akten auf das
Oktoberfest-Attentat eingehend gesichtet und hochrangige Offiziere des
MfS befragt worden.
Dass die Stasi auch die rechtsextreme Szene "auf dem Radarschirm" hatte
und Inoffizielle Mitarbeiter in deren Mitte führte, zeigt laut Ansicht
von Sprecherin Hovestädt, dass die Geheimpolizei weltanschaulich über
ihren Schatten sprang, wenn ihr Auftrag als "Schild- und Schwert" der
SED-Partei es erforderlich gemacht habe.