Am Samstag, den 02.01.2010, wird in von der Kampagne "Hände hoch - Haus her!" zu einer Demonstration für ein selbstverwaltetes Zentrum in Erfurt aufgerufen. Beginn ist 16.00 Uhr am Bahnhofsvorplatz. Mehr Infos: http://www.haendehoch.blogsport.de
Aufruf zur Demo:
Weil nichts so ist wie es scheint.
Erfurt blüht. Auf sauberen Straßen erfreuen sich saubere Menschen eines biederen Stadtbildes, flanieren durch die Altstadt und staunen über die restaurierten Fassaden einer geschichtsträchtigen Landeshauptstadt. Fast scheint es, als wäre die Ordnung wiederhergestellt, als hätten Polizei und Ordnungsamt, die amorphe Masse der sogenannten Hausbesetzer_innenszene unter Kontrolle gekriegt und aus dem Dorf gejagt. Doch der idyllische Schein trügt. Lassen wir ihnen die vorweihnachtliche Zeit der Besinnung und begreifen wir sie selbst als Ruhe vor dem Sturm. Denn wir finden Erfurt zum Kotzen.
Es liegt nicht in unserem Interesse, Erfurt für seine spießigen Bewohner_innen und die Massen zahlender Tourist_innen attraktiver zu gestalten, ein bunter Fleck innerhalb grauer Angepasstheit zu sein. Wir wollen stören und sehen darin einen Grund uns nicht zurückzuziehen und alles zu akzeptieren, was uns von wo auch immer aufdiktiert wird...
Weil sie nicht wissen wer wir sind.
Im
Jahr 2009 wurde das seit acht Jahren bestehende besetzte Haus auf dem
ehemaligen Topf & Söhne- Gelände mit einem martialischen
Polizeieinsatz geräumt. Seitdem versucht die Kampagne „Hände hoch. Haus
her“ ein neues selbstverwaltetes sozial-politisch-kulturelles Zentrum
zu erkämpfen. Ende November gipfelte diese Initiative in ihrem
vorläufigem Höhepunkt: Der Öffentlichmachung der Besetzung des
ehemaligen „Keglerheims“ und der noch am gleichen Tag folgenden Räumung
durch die Polizei. Im Anschluss an die Räumung im April sah die Polizei
sich gezwungen, Erfurt in eine Polizeistadt zu verwandeln und alles und
jeden zu kontrollieren und schikanieren, was auch nur annähernd in ihr
Raster alternativer Störenfriede passt.
Unsere Initiative ist jedoch nicht als einzige von der repressiven
Entwicklung der Stadt Erfurt betroffen: So wird seit langem eine
Stadtverordnung in der Innenstadt durchgesetzt, die unter anderem das
Betteln, Schlafen auf Bänken, sowie den Alkoholgenuss und das Lagern in
Gruppen verbietet. Teilweise sprüht diese Verordnung nur so vor
Einfallsreichtum, wenn beispielsweise das Besteigen von Bäumen als
Ordnungswidrigkeit deklariert wird.
Das
Jahr 2009 rundete die Stadt mit einer vorläufigen Kürzung der
Fördermittel für unkommerzielle Kultur- und Jugendarbeit ab. So sind
mittlerweile Projekte wie das Theaterhaus „Schotte“, das DGB-Jugendhaus
„Filler“, der Kinoklub am Hirschlachufer und das AJZ Banane akut von
der Schließung bedroht.
Von diesen Maßnahmen sind ausschließlich nicht verwertbare Kultur- und
Lebensmodelle betroffen. Supermärkte und Parkplätze rechnen sich im
Kapitalismus eben immer mehr als ein selbstverwaltetes Projekt.
Weil Bestehendes zu überwinden ist
Diese
Verhältnisse bestehen natürlich nicht nur in Erfurt. Wo immer die
Verwertungslogik greift, müssen Projekte, die bewusst nicht
profitorientiert agieren, weichen. So wurden in den letzten Monaten
unter anderem in Berlin, Magdeburg und Hamburg mehrere besetzte Häuser
geräumt. Der Extremismusbegriff wurde wieder aus der Mottenkiste
hervorgekramt und aus politisch motivierten Sachbeschädigungen wird
eine neue Form des linken Terrorismus herbeigeredet.
Der Gegenwind bleibt jedoch nicht aus: Die Kampagne „Wir bleiben alle“
hat den Dezember 2009 zum Aktionsmonat gegen die Bedrohung
selbstverwalteter Zentren erkoren. Und auch in Erfurt werden wir vom
Ziel eines selbstverwalteten Zentrums nicht abrücken.
In
jeder Stadt gibt es leerstehende Häuser die ungenutzt verfallen. Was
spricht dagegen, diese Häuser zu nutzen? Nichts, mit Ausnahme einer
staatlich festgelegten und zur Not mit Gewalt verteidigten
Eigentumsordnung. Für die kapitalistische Gesellschaftsordnung
unerlässlich, wird hier ein Recht auf die Verfügung über Objekte
konstruiert. Unsere Kritik an dieser Eigentumsordnung zielt nicht
darauf ab, eine moralisch verantwortungsvolle Nutzung beispielsweise
von Häusern einzufordern. Stattdessen stellen wir die kapitalistische
Vorstellung von Eigentum an sich in Frage.
Unter anderem deshalb besetzen wir Häuser. Und deshalb machen wir die
Besetzungen öffentlich. Klar ist: Wir brauchen ein selbstverwaltetes
Zentrum, besetzt oder nicht, um auch weiterhin in der Lage zu sein,
unsere Kritik an den Verhältnissen zum Ausdruck zu bringen.
Kommt zur Demonstration „Hände hoch. Haus her“ am 2.1.2010 um 16.00 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz in Erfurt.