VW Golf stand vor Privatwohnung / SPD-Fraktionschef Panter: Wir haben es mit Nazis und Terroristen zu tun
Von Jürgen KOchinke und Silvio Kuhnert
Dresden/Freital. Ein Anschlag auf das Auto des
Links-Fraktionschefs im Freitaler Stadtrat, Michael Richter, hat die
Debatte um rassistisch motivierte Anti-Asyl-Proteste in Sachsen weiter
angeheizt. Während die CDU-geführte Staatskanzlei von einer
"inakzeptablen Grenzüberschreitung" sprach, übte die Opposition barsche
Kritik. SPD-Frak- tionschef Dirk Panter sprach von "Ter- rorismus" und
einer "neuen Dimension politischer Gewalt".
Bei dem Anschlag wurde der Wagen des Links-Politikers in der Nacht zu
gestern durch einen im Inneren platzierten Sprengsatz erheblich
beschädigt, verletzt wurde niemand. Richter hatte den VW Golf (Baureihe
IV) vor seiner Privatwohnung geparkt. Kurz nach Mitternacht habe es
einen Knall gegeben, sagte er, eine Rauchwolke habe über seinem Wagen
gestanden. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz, das Auto des
Links-Politikers wird kriminaltechnisch untersucht. Seit Wochen
protestieren Asyl-Gegner mit zum Teil eindeutig rechtsextremer Gesinnung
gegen das Asylbewerberheim in Freital. Richter war als Mitorganisator
von Pro-Asyl-Veranstaltungen aufgetreten. Gestern sagte er, er habe
schon seit Längerem "Ablehnung und Hass" zu spüren bekommen. Auch
Morddrohungen habe es gegeben.
Der Linke-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, geht von
einer "eindeutig politisch motivierten Straftat" aus. "Aus dem
Rassismus-Problem ist längst ein Sicherheitsproblem geworden."
Grünen-Fraktionschef Volkmar Zschocke kritisierte die Staatsregierung.
"Die aktuelle Gewalteskalation ist auch das Ergebnis einer
Fehleinschätzung", sagte er vor allem an die Adresse der CDU.
"Verharmlosende Begriffe wie 'besorgte Bürger' oder 'Asyl-Gegner'
verschleiern seit Monaten den Blick. Deren rassistische,
fremdenfeindliche Hetze wirkt wie Brandbeschleuniger."
Regierungssprecher Christian Hoose meinte, Gewalt gegenüber
DRK-Mitarbeitern sowie Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen, sei
keinesfalls hinnehmbar. "Hier werden eindeutig Grenzen überschritten."
SPD-Mann Panter sprach von einem Angriff auf "unsere Gesellschaft, auf
unseren Rechtsstaat". Dies dürfe nicht länger verharmlost werden.
"Sollte sich bewahrheiten, dass gezielt ein Sprengstoffanschlag auf das
Auto eines Kommunalpolitikers verübt wurde, dann haben wir es mit einem
Terroranschlag zu tun", so Panter. Es handele sich um "Nazis und
Terroristen".
Erst am Freitagabend war es in Dresden zu Neonazi-Übergriffen auf
Pro-Asyl-Demonstranten sowie DRK-Helfer gekommen. Grund war eine
kurzfristig errichtete Zeltstadt für bis zu 1100 Flüchtlinge zumeist aus
Syrien. Laut LVZ-Informationen fand am späten Sonntagabend ein
ähnlicher Übergriff an derselben Stelle statt, betroffen waren zwei
Flüchtlinge sowie erneut ein Mann vom DRK. Die Situation sei nur deshalb
nicht eskaliert, weil Pro-Asyl-Demonstranten dazwischengegangen seien,
sagte ein Helfer am Rande der Zeltstadt. Ebenfalls am Sonntagabend war
ein zu einem Heim umgebautes Hotel im Dresdner Stadtteil Stetzsch mit
Steinen attackiert worden.