[TÜ] Die Toten kommen – auch nach Tübingen!

Grabstein im Alten Botanischen Garten

Vom 22. auf den 23. Juli 2015 fand die Aktion „Die Toten kommen“ des Zentrums für politische Schönheit auch Nachahmung in der Universitätsstadt Tübingen. Um auf die Toten an den EU-Außengrenzen hinzuweisen wurden mehrere Holzkreuze und Schilder in der Innenstadt angebracht, konkret am Rathaus und Aufgang zur Stiftskirche. An der Stiftskirche wurden auch Grabkerzen an genau der Stelle aufgestellt, an der sich im der Menschenrechtler und Exil-Iraner Kaveh Pouryazdani selbst verbrannte. 


Im Alten Botanischen Garten wurde ein Grab angelegt, samt Grabstein, Gebinde, drei weiteren Kreuzen und Grabkerzen.
Zusätzlich wurde auch einer der beiden Universitäts-Brunnen mit roter Farbe eingefärbt und kleine Boote aufs Wasser gesetzt.
Zur Erklärung wurde ein Flugblatt mit folgendem Wortlaut ausgelegt:


„OmA's erster Streich 

Die Toten kommen – auch nach Tübingen!

In der Nacht zum 23. Juli 2015 wurden von uns in Tübingen in Erinnerung an die tausenden von Menschen, die auf der Reise nach EUropa ums Leben kamen, ein Brunnen rot gefärbt, Kreuze aufgestellt und im Alten Botanischen Garten ein Grab angelegt.
Ziel dieser Aktion ist es das große Sterben vom Bildschirm oder Titelblatt direkt zu ihnen nach Hause zu bringen. Die Toten des EU-Grenzregimes sind damit auch in Tübingen angekommen. Sie wurden am Ufer der Neckarstadt angespült, wo sie nun schwerer übersehen werden können. Ein rotgefärbter Brunnen lässt sich nicht so leicht aus dem Bewusstsein wegzappen, wie die Fernsehbilder. Im Grunde muss die normale Bürger*in über die Leichen stolpern und dafür haben wir sie aus dem Keller geholt.
Sie finden unsere Aktion zynisch?
Wir halten es für zynisch, was seit Jahren im Mittelmeer passiert. Aus dem Mittelmeer ist ein Totenmeer geworden. Tausende starben auf der Suche nach dem besseren Leben. 
Die eröffnete Jagd auf die Schlepper, die zum neuen Feindbild Nummer eins avanciert sind, ist ein bloßes Nebenkriegsschauplatz. Ohne die geschlossenen Grenzen und die hochgezogenen Brücken der Festung EUropa könnte niemand deren Überwindung als Dienstleistung anbieten. Ironischerweise werden Menschen, die dieselbe Dienstleistung vor 1990 bei der Flucht von der DDR in die BDR anboten inzwischen mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Auch viele DDR-Fluchthelfer*innen ließen sich übrigens für ihre Dienste entlohnen. Bei der Jagd auf die Schlepper handelt es sich um ein  durchschaubares Ablenkungsmanöver. Außerdem dient sie auch zur Legitimation der Bundeswehr, nachdem sie uns schon als bewaffneter Arm des Kinderhilfswerkes in Afghanistan verkauft wurde.
Das Sterben an den Grenzen geht solange weiter, wie die Mauern der Festung EUropa nicht geschleift werden. Egal wie viele vermeintliche Schlepper-Schiffe die Bundeswehr zerstört. Niemand flieht ohne Grund. Deswegen werden die Menschen nicht aufhören, sich auf den Weg zu machen.
Die von neoliberaler Logik vorgeschlagene Regelung von Einwanderung nach wirtschaftlichen Bedürfnissen ist eine menschenverachtende Profitlogik. Uns dagegen ist es egal, ob die Migration dem Wirtschaftsstandort Deutschland etwas bringt oder nicht. Wir fragen nicht nach dem Schicksal von Volkswirtschaften, sondern von Menschen. Solange unsere Schwestern und Brüder sterben, werden wir nicht schweigen.
Aber: Worauf wir nicht abzielen, ist Mitleid. Davon haben gibt es in den Sonntagsreden und -predigten schon genug. Wir wollen eure Wut. Die Wut darüber, was anderen Menschen angetan wird.

die Ohnemich AG (OmA)“