Wie groß ist das rechte Gewaltpotenzial in Meißen?

Erstveröffentlicht: 
29.06.2015

In Meißen hat es am Montagmorgen an der geplanten Unterkunft für Asylbewerber erneut einen Fehlalarm gegeben. Wie die Polizei MDR INFO mitteilte, hatte ein anonymer Anrufer mitgeteilt, aus dem Gebäude dringe Rauch. Die Feuerwehr habe aber keinen Brand entdeckt. Bereits am Sonntag war falscher Alarm ausgelöst worden. In der Nacht zum Sonntag war in dem noch leeren Heim Feuer gelegt worden. Der Hauseigentümer berichtete, er habe Ende Juni an der Tür einen Zettel mit einer Drohung gefunden. Die Asylbewerber seien darin aufgefordert worden, das Land so schnell wie möglich zu verlassen.

 

Ein vierstöckiges Haus, terrakottafarben gestrichen, frisch saniert. Im ersten Stock klafft wie eine Wunde eine verkohlte Fensteröffnung. Der Brandgeruch ist noch nicht ganz verflogen. Die Flammen seien so aus dem Fenster geschossen, dass die Feuerwehrleute zuerst an eine lecke Gasleitung dachten, berichtet der Kreisbrandmeister. Überreste von Matratzen liegen vor dem Haus. Ein Siegel verschließt die Tür. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich verurteilt den Brandanschlag, sagt aber auch: "Die Stimmung kippt nicht in Sachsen, es gibt tausende von Bürgern, die sich jeden Tag dafür einsetzen, dass die Menschen bei uns eine gute Aufnahme finden. Aber wir haben leider Gottes eben auch die andere Situation, wie wir sie hier vorfinden." Aktuell leben rund 200 Asylbewerber in der Stadt, die knapp 28.000 Einwohner hat. Meißen setzt auf dezentrale Unterbringung. Dafür war auch das Wohnhaus unweit der Porzellanmanufaktur vorgesehen. Asylbewerber wurden aber auch schon vorübergehend in der Turnhalle der Verwaltungsschule untergebracht. Es gab Proteste.

 

Welche Rolle spielt die "Initiative Heimatschutz"?


Als Landrat Arnd Steinbach nach den rechten Umtrieben um die in Meißen gefragt wird, platzt ihm kurz der Kragen: "Die rechten Umtriebe seh ich nicht, die Sie meinen. Ich weiß auch nicht, Sie wahrscheinlich auch nicht, Sie kommen gar nicht von hier - Sie quatschen da ja einen Mist nach." Es gebe viele Stammtischparolen, aber ein rechtes Gewaltpotenzial sehe er in Meißen nicht. Die "Initiative Heimatschutz" hatte am Samstag auf einer Brücke demonstriert. "Schweigen heißt zustimmen – es ist unser Land!", hieß es auf einem Transparent. Auf einer schmalen Fußgängerbrücke hatte es Raubüberfälle gegeben, die Asylbewerbern zugeschrieben werden. Die Polizei hat sich zu den Tätern nicht geäußert, riet in der vergangenen Woche aber davon ab, die Brücke nachts zu benutzen. Kommentare mit Gewaltaufrufen folgten. Innenminister Markus Ulbig sagt dazu: Bei der gesellschaftlichen Diskussion müsse man darauf achten, dass die Ruppigkeit, die es teilweise gibt, nicht Oberhand gewinne, sondern dass wir bei aller Unterschiedlichkeit zurückkommen zur Sachlichkeit. "Und diejenigen, die feige Brandanschläge oder sonstige Straftaten verüben, müssen mit der vollen Härte des Gesetzes rechnen."


Andreas Vorrath, bis vor wenigen Monaten Bündnisgrüner, hat andere Erfahrungen gemacht. Er beobachtet die "Initiative Heimatschutz" aus Meißen bei Facebook. Den Brandanschlag auf die Asylbewerberunterkunft erklärt er sich so: "Das ist Pegida-Kernland, daran liegt das ganz einfach auch. Das wundert mich hier eigentlich überhaupt nicht. Und auch wie wenig die Polizei in Sachsen gegen diese ungezügelte Hetze auf Facebook vorgeht. Man kann melden, man kann anzeigen, es passiert absolut nichts."

 

"Wir sind alle Menschen"


Auf einem Platz mitten in der Stadt protestieren derweil rund 200 Menschen gegen Rassismus. Sie sind dem Aufruf von Sören Skalicks, einem Kreisrat der Piraten, gefolgt: "Wir wollen einfach wieder eine Stimmung haben, wo die Menschen nicht andere Menschen anprangern und schuldig machen. Dass sie ihnen das Geld wegnehmen, sondern zeigen, es geht auch miteinander. Wir sind alle Menschen, wir gehören alle zusammen, hier gibt es keine Unterschiede, die machen wir nur in unseren Köpfen. Wir müssen zeigen, dass Meißen als Touristenstadt offen ist für alle Menschen und nicht nur für bestimmte Gruppen."


Nicht alle auf dem Platz sympathisieren mit den Demonstranten. Als sich die Kundgebung auflöst, werden mehrere Männer kontrolliert, die die Polizei wohl eher der rechten Szene zuordnet. Das Operative Abwehrzentrum sucht Zeugen und ermittelt. Als alles vorbei zu sein scheint, schallt plötzlich Sirenengeheul durch die Stadt. Polizei und Feuerwehr rasen in die Rauhentalstraße. 19 Stunden nach dem Brandanschlag stehen die Löschzüge wieder vor dem Haus, das Asylbewerbern Unterkunft bieten sollte. Durch das verkohlte Fenster im ersten Stock steigen drei Feuerwehrleute, wenig später ist klar, Fehlalarm. Wer den aus welchem Grund ausgelöst hat, auch das ermittelt nun die Polizei.