Tröglitz als Vorlage? Brandanschlag auf Flüchtlingsheim erschüttert Zossen

Erstveröffentlicht: 
18.05.2015

Feuer in geplanter Asyl-Unterkunft / Schon 2010 zündelten Neonazis in brandenburgischer Kleinstadt

 

Von Bastian PaulY


Zossen. Verkohlter Müll liegt an der Fassade, bis in die zweite Etage reichen die Rußspuren, der Efeu hat sich braun verfärbt: Zwei Rechtsextreme sollen in der Nacht zu Samstag an der geplanten Flüchtlingsunterkunft in Zossen (bei Potsdam, Kreis Teltow-Fläming) ein Feuer gelegt haben. Die beiden 23 und 32 Jahre alten Männer aus Zossen, die kurz nach der Tat festgenommen wurden, sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Wie die Staatsanwaltschaft gestern mitteilte, lägen keine ausreichenden Gründe für einen Haftantrag vor.


Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und jetzt Brandenburg - zuletzt häuften sich die Brandanschläge auf zumeist unbewohnte, geplante Flüchtlingsheime. Der Fall des Örtchens Tröglitz in Sachsen-Anhalt bestimmte im April tagelang die Schlagzeilen - jetzt haben jene recht behalten, die vor ähnlichen Taten auch in Brandenburg warnten.


In Zossen ist die Bestürzung groß. Vor fünf Jahren brannte in der 18000-Einwohner-Stadt das Haus der Demokratie ab, das unter anderem von der Bürgerinitiative "Zossen zeigt Gesicht" genutzt wurde. Das Feuer hatte ein Neonazi gelegt. Die Erinnerungen daran werden durch die erneute Brandstiftung wachgerüttelt.


"Ich bin erschrocken und verurteile die Tat", sagte gestern Stadtsprecher Fred Hasselmann, der betonte, er sei umso erleichterter, dass die Tatverdächtigen schnell ermittelt worden seien. Der CDU-Kreischef Danny Eichelbaum sprach von einer "hinterhältigen und feigen Tat", die ihn beschäme und fassungslos mache. Eine Sprecherin des Vereins Opferperspektive, der in den vergangenen Monaten eine Zunahme rassistischer Gewalt beobachtete, sagte: "Wir sind betroffen, dass das jetzt auch in Brandenburg passiert ist."


Auch Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) verurteilte den Brandanschlag. Mitte April hatte er angekündigt, Zossen als zweiten Standort für das überlastete Flüchtlings-Erstaufnahmeheim in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) zu prüfen. "Menschen in Not werden weiter eine sichere Zuflucht in unserem Land erhalten. Daran werden auch rechtsextremistische Brandstifter nichts ändern", betonte er.


Die zwei Tatverdächtigen werden von der Polizei der rechtsextremen Szene zugerechnet und haben mehrfach Straftaten begangen. Nach den Brandanschlägen waren insgesamt knapp 60Beamte im Einsatz, unter anderem, um Spuren am Brandort zu sichern. Bei Durchsuchungen bei den Verdächtigen wurden unter anderem polnische Feuerwerkskörper, Streichhölzer und Brandbeschleuniger sowie Plakate mit fremdenfeindlichen Sprüchen beschlagnahmt.


Eine Polizeistreife hatte das Feuer bemerkt und die Tatverdächtigen festgenommen - den 23-Jährigen in unmittelbarer Nähe vom Tatort, den 32-Jährigen später in seinem Wohnort. Das Feuer, das keine größeren Schäden an dem Gebäude anrichtete, konnte schnell gelöscht werden. Die mutmaßlichen Täter hatten drei Müllcontainer angesteckt. Dadurch wurde der Giebel des Verwaltungsgebäudes beschädigt.


Rassistische Angriffe auf Asylbewerberheime haben bundesweit Hochkonjunktur. Über 150 Attacken zählten die Behörden, dreimal so viele wie 2013. Allein im letzten Quartal des vergangenen Jahres waren es bundesweit 67 rechtsextrem motivierte Straftaten, gerichtet gegen Unterkünfte oder ihre Bewohner - sie reichten von der Volksverhetzung über gefährliche Körperverletzung bis hin zu Angriffen mit Waffen oder Brandsätzen.


Rechtsextremismus-Experten sehen die verstärkten Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Zusammenhang mit den Pegida-Demonstrationen. "Die menschenfeindliche Stimmung führt nicht automatisch zu Taten, aber sie motiviert gewaltbereite Personen und Gruppen und wird von den Tätern zur Rechtfertigung herangezogen", sagt der Bielefelder Soziologe Andreas Zick. "Menschenfeindlichkeit wird als Norm wahrgenommen oder herangezogen. Das gilt für alle Hasstaten, auch jene von Menschen mit Migrationshintergrund gegen andere."