Abgeordnete wollen Licht ins NSU-Dunkel bringen / Kontroverse um Geheimhaltungsvorschriften
Von Jürgen Kochinke
Dresden. Schon kurz vor dem Ende der vergangenen Legislaturperiode
stand fest, dass es ab 2015 zu einer Neuauflage des U-Ausschusses zum
Neonazi-Terror im sächsischen Landtag kommen wird. Zu ungeklärt waren
die Hintergründe und Motive der Täter, zu nebulös schien noch immer der
Einfluss von möglichen Hintermännern, Helfern und Drahtziehern. So ist
es kein Wunder, dass der neue U-Ausschuss bereits seit Wochen
beschlossene Sache ist, und jetzt fiel der Startschuss - konstituierende
Sitzung heißt das im Tagungsalltag.
Beim ersten Treffen ging es vor allem um Formfragen. Termine und
mögliche Zeugenvernehmungen standen auf dem Programm, das Gremium tagte
hinter verschlossenen Türen. Doch klar war auch: Lars Rohwer (CDU), der
neue Chef des Ausschusses, würde sich erstmals als Sitzungsleiter
präsentieren, der Rest war reine Formsache. Doch wie so oft bei der
Debatte um Formalia und sogenannte Verfahrensfragen gibt es auch in
diesem Fall ein Thema von Brisanz. Wie halte ich es mit den
Geheimhaltungsvorschriften? - das bewegt auch den neuen U-Ausschuss zum
Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Sachsen.
Konkret geht es dabei um die Frage, ob selbst bei der Behandlung von
Akten mit der niedrigsten Geheimhaltungsstufe - solche mit dem Vermerk
"nur für den Dienstgebrauch" - die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden
soll. Das war bisher nicht der Fall, und es steht fest: Ein solches
Verfahren würde die Aufklärung des Neonazi-Terrors nicht unerheblich
erschweren. Der juristische Dienst des Landtags plädiert dennoch dafür,
das Gremium von der direkten Kontrolle durch die Öffentlichkeit
abzuschotten. Dieser Vorschlag sei auf "allgemeines Unverständnis" quer
durch die Fraktionen gestoßen, hieß es dazu hinterher von Teilnehmern,
ein Beschluss stehe aber noch aus.
In dem neuen U-Ausschuss sitzen insgesamt 18 Abgeordnete des sächsischen
Landtags, neun von der CDU, vier von den Linken, jeweils zwei von SPD
und AfD sowie einer von den Grünen. Am Anfang dieses weiteren Versuchs,
Licht in der NSU-Dunkel zu bringen, steht die Notwendigkeit, erneut alle
Akten aus dem Landeskriminalamt und anderen Behörden anzufordern.
Danach beginnt die eigentliche Vernehmung diverser Zeugen. Bereits in
der vorherigen Legislaturperiode gab es einen NSU-Ausschuss in Sachsen.
In seinem Abschlussbericht war er mit den Stimmen von CDU und FDP zu dem
Schluss gekommen, dass kein Fehlverhalten sächsischer Behörden
vorgelegen habe.
Linke, Grüne sowie die damals noch in der Opposition befindliche SPD
sahen das anders, warfen den Behörden ein Versagen bei der Fahndung nach
den Neonazis vor. "Sachsen war das Kernland des NSU", sagt die Linke
Kerstin Köditz. Obwohl das Landesamt für Verfassungsschutz sowie Polizei
und Landeskriminalamt zutreffende Hinweise über den möglichen
Aufenthalt des Trios gehabt hätten, habe dies nicht zur Ergreifung der
Flüchtigen geführt. Dies müsse dringend aufgeklärt werden.
Der NSU mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatte nach
seinem Abtauchen jahrelang unerkannt in Zwickau gelebt. Der Gruppe
werden zehn Morde zur Last gelegt, darunter neun Gewerbetreibende mit
türkischen oder griechischen Wurzeln sowie eine deutsche Polizistin.