Verfahren in Karlsruhe: Richter können persönlich Akten der Verfassungsschützer einsehen
Von Jörg Köpke
Berlin. Im NPD-Verbotsverfahren werden die Länder dem Bundesverfassungsgericht in der kommenden Woche hunderte neuer Beweise vorlegen. Das haben nach Informationen dieser Zeitung die Ländervertreter und deren Prozessbevollmächtigter Professor Christian Waldhoff gestern in Berlin beschlossen. Karlsruhe hatte die Antragsteller Mitte März aufgefordert, bis zum Freitag nächster Woche nachzuweisen, dass sämtliche V-Leute in der Spitze der rechtsextremen Partei abgeschaltet sind.
Die Bundesländer wollen deshalb nun den Verfassungsrichtern die
Möglichkeit einräumen, sich davon persönlich durch Einsicht in die Akten
der Verfassungsschützer zu überzeugen und sich ein umfassendes Bild
über die Güte sowohl der neuen als auch der bereits vorliegenden
Dokumente zu machen. Die Rede ist von einem "in-camera-Verfahren".
Karlsruhe hatte in einem Hinweisbeschluss erklärt, die Testate der
Innenminister allein reichten nicht aus.
Wie es aus Kreisen der Arbeitsgruppe heißt, die sich zur Zeit auf eine
gemeinsamen Erklärung der Bundesländer verständigt, gibt es inzwischen
aber weitere Zweifel in Karlsruhe an dem Verbotsverfahren. So könne das
Gericht nicht der Auffassung der Länder folgen, dass die NPD mit ihren
Strukturen und einem Wahlergebnis von nur 1,3 Prozent bei der
Bundestagswahl 2013 eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland
darstellt.
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), der den
Verbotsantrag maßgeblich vorantreibt, will dennoch am Verfahren
festhalten. Die Länder hätten ihre Hausaufgaben gemacht und könnten
belegen, dass die NPD in aggressiv kämpferischer Weise die Demokratie
abschaffen will. Caffier rechnet damit, dass Karlsruhe in der
Sommerpause eine Entscheidung darüber fällt, ob die Hauptverhandlung
zugelassen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, spricht der
Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern bereits jetzt schon offen von
einer "Katastrophe". Allein sein Land lieferte bislang mehr als die
Hälfte der ursprünglich vorgelegten 2649 Dokumente. Inzwischen sei die
Zahl der gesammelten und nachgereichten Belege auf mehr als das Doppelte
angewachsen, hießt es.
Der Berliner Politologe und Rechtsextremismus-Forscher Professor Gero
Neugebauer hält es für letztlich unbedeutend, wie hoch der Stimmenanteil
der NPD bei der letzten Wahl war. "Das Problem ist nicht die Quantität.
Auch bei wenigen kranken Zellen ist man schon an Krebs erkrankt", sagt
Neugebauer. Gerade dem Ausland gegenüber sei es von großer symbolischer
Bedeutung, das Verbotsverfahren zu einem Abschluss zu bringen.
"Deutschland wird von außen genau beobachtet, ob es das hinbekommt." Er
könne verstehen, dass die Länder das Verbot jetzt durchbringen wollten.