Markus W. bei Schlag gegen Terrorgruppe verhaftet / Polizei verstärkt Streife
Von Birgit Schöppenthau
Borna. Inmitten von Wiesen und Wäldern gelegen, mit kostenfreien
Parkplätzen vor der Haustür: So preist eine Immobiliengesellschaft die
Wohnlage in Borna-Gnandorf. Für Umzugswillige in die Plattenbausiedlung
wird ein Bonus von 400 Euro gezahlt. Doch die vermeintliche Idylle hat
vor zwei Tagen einen empfindlichen Schaden genommen. "Das Haus war von
Polizisten umstellt", sagt ein Rentner, der seit anderthalb Jahren hier
eine Zwei-Raum-Wohnung bewohnt. Bewaffnete Einsätzkräfte hätten mehrere
Hauseingänge gesichert. Von seinem Fenster aus habe er zugesehen.
Stundenlang seien die Beamten in der Wohnung von Markus W. im sechsten
Stock gewesen. "Ein großer, schlanker Mann, ganz kurzes Haar", erinnert
sich der Rentner. Gegen Mittag sei der Gesuchte in einen Transporter
begleitet und abgeführt worden. Der Bornaer kreuzt die Arme über den
Handgelenken, während er das erzählt.
Die Razzia der Polizei in der Neuen Platekaer Straße, bei der zwei
Mitglieder der rechten Terrorgruppe Oldschool Society (OSS) verhaftet
worden sind, hat die Bewohner zutiefst erschüttert. "Ich sag nichts
dazu", gibt sich der Hausmeister, der gerade mit der Motorsense den
Rasen kürzt, wortkarg. "Ich hab das gesehen, weiß aber nichts", so eine
junge Frau in gebrochenem Deutsch. "Ich habe Angst!", bringt es eine
42-Jährige auf den Punkt. Die aus einem arabischen Land stammende
Asylbewerberin sei W. begegnet, habe ihn gegrüßt. Sie schilderte eine
Begebenheit, bei der W. mit einer Waffe kokettiert haben soll. "Nur zur
eigenen Sicherheit", habe er den Waffenbesitz gerechtfertigt. Nachdem
die Polizei Sprengstoff in der Wohnung von W. gefunden haben soll,
findet die dunkelhaarige Frau keinen Schlaf mehr. Unter Tränen berichtet
sie, dass sie sich gestern nicht auf die Straße traute, dem Unterricht
in der Euro-Schule fernblieb. Der psychische Druck sei zu groß. Aus
ihrem Land sei sie geflohen, weil die Bedrohung unerträglich wurde. "Ich
dachte, Europa wäre sicher", so die Frau, die seit zwei Jahren in
Gnandorf lebt. Jetzt fühle sie sich jedoch auch in ihrer Wohnung nicht
mehr sicher: "Was, wenn er zurückkommt?"
Außer solchen Emotionen hat die Razzia kaum sichtbare Spuren
hinterlassen. Die Tür zur Zwei-Raum-Wohnung von Markus W. in der
sechsten Etage des Plattenbaus in der Neuen Platekaer Straße 24 ist
unversehrt. Lediglich ein Schild kündet davon, dass es sich um den
"Herrschaftsbereich von Markus" handelt, in dem er das "Sagen" hat.
Gegenüber wohnt ein Pärchen mit ausländischem Namen. Nachbarn erzählen,
dass sich Markus W. mitunter vom Lärm gestört gefühlt und den
Mitbewohnern mangelnde Disziplin vorgeworfen habe.
Die Polizeidirektion Leipzig ist für die neue Lage sensibilisiert. Zwar
würden die Asylbewerberheime in der Region nicht ständig beobachtet,
doch die Streifen seien verstärkt worden, sagte Bornas Revierleiter
Michael Kabutke.
Trotz der Ermittlungen gegen das Neonazi-Netzwerk Oldschool Society
(OSS) auch in Borna ist die Oberbürgermeisterin Simone Luedtke (Linke)
davon überzeugt, "dass sich unser Ruf, was die rechte Szene betrifft,
sehr stark verbessert hat". Das Thema Oldschool Society werde auch eine
Rolle spielen, wenn sie in der nächsten Woche mit den
Stadtratsfraktionsvorsitzenden über die Ankündigung des islamkritischen
Bündnisses Legida, auch in Borna Kund- gebungen abzuhalten, sprechen
werde.
Matthias Weisman, Superintendent des Kirchenbezirks Leipziger Land,
zeigt sich fassungslos über die Terrorzelle. Es gebe zahlreiche diffuse
Ängste als Ausdruck dafür, dass Menschen ihr gewohntes Leben auch durch
unpersönliche Erfahrungen bedroht sähen.
Naunhof im Muldental wird demnächst weitere Asylsuchende aufnehmen.
Weder vor den neuen Einwohnern noch vor Leuten, die Angst vor ihnen
schüren wollen, sollte man sich fürchten. "Wir Naunhofer werden alles
versuchen, den neuen Mitbürgern ohne vorschnelle Urteile
gegenüberzutreten", sagt der parteilose Bürgermeister Volker Zocher.
"Genauso sind wir aber auch in jegliche Richtung wachsam. Ein Aufwand,
der sich für alle Beteiligten lohnen wird."
"Wir hoffen, dass es bei uns nicht zu einer Gefährdungslage kommt", sagt
der Regis-Breitingener Bürgermeister Wolfram Lenk (Linke) mit Blick auf
das Asylbewerberheim in der ehemaligen Berufsschule. "Es ist schlimm,
dass Fanatiker versuchen, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen", beklagt
der Bürgermeister und sieht die Gefahr, dass sich vor Terror niemand
wirklich sicher fühlen könne. Er hoffe nicht, dass die Situation so
schlimm werde, dass "man sich irgendwann nicht mehr auf die Straße
traut".
Wolfram Lenk (Linke), Bürgermeister Regis-Breitingen
Quelle: Leipziger Volkszeitung, 8. Mai 2015, S. 6