Drei Anklagen gegen Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm zur Last gelegt

Erstveröffentlicht: 
06.05.2015

Leipzig. Enrico Böhm, der seit Ende 2014 für die NPD im Leipziger Stadtrat sitzt, musste sich am Dienstag erneut vor einem Strafrichter verantworten. Oberstaatsanwalt Ralf-Uwe Korth legte dem 32-jährigen Leipziger vor dem Amtsgericht drei Anklagen zur Last. Dabei geht es um Körperverletzung sowie Beleidigung, Notruf-Missbrauch und versuchte Nötigung.

 

Anklage 1: Am 25. April 2014 soll Böhm in der Gemeindeamtsstraße (Altlindenau) einer Radlerin einen Fußtritt gegen den Oberkörper verpasst und ihr Verletzungen zugefügt haben. "Der Angeklagte nahm in Kauf, dass die Radfahrerin stürzen könnte", sagte der Oberstaatsanwalt. Er warf Böhm vorsätzliche Körperverletzung, Eingriff in den Straßenverkehr und Beleidigung vor, da er die Frau zudem als "Zeckenschlampe" beschimpft habe. Der NPD-Mann äußerte sich dazu nicht. Die Betroffene, eine 29-jährige Auszubildende, hatte ihn damals angezeigt und später auf Fotos erkannt, die ihr die Polizei vorlegte. Sie belastete ihn auch vor Gericht. "Ich konnte nicht glauben, dass man auf offener Straße angegriffen wird", empörte sich die Frau. Sie habe weder den Angeklagten noch seine damaligen Begleiter gekannt. Die Gruppe hielt sich an einem Pkw auf, dessen Scheiben offenbar kurz zuvor eingeworfen worden waren. "Warum bekam ich die Wut ab? Ich hatte damit gar nichts zu tun", so die Geschädigte. Sie sei damals lediglich zu einem Supermarkt geradelt, weil sie dort einkaufen wollte.

Anklage 2: Am 10. Mai 2014 soll Böhm den Polizei-Notruf 110 gewählt und sich über das Nichterscheinen von Beamten beschwert haben. "Es lag kein Notfall vor", so der Oberstaatsanwalt. Hintergrund war, dass in der Nacht zuvor das Haus eines weiteren NPD-Mannes in der Löbauer Straße von Unbekannten beschädigt worden war. "Mein Mandant wollte die Polizei auf die Dringlichkeit hinweisen. Zudem sollte der Staatsschutz informiert werden", sagte Verteidiger Mario Thomas. Sein Mandant sei davon ausgegangen, dass noch sofort vor Ort ermittelt werden müsse.

Anklage 3: Am 30. Dezember 2014 soll der Angeklagte in einem Telefonat mit dem Jobcenter ausfällig geworden sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, einer Call-Center-Mitarbeiterin angedroht zu haben, die zuständige Sachbearbeiterin werde ihren Kopf unter dem Arm tragen, rufe sie nicht in Kürze zurück. Hintergrund: Die Lebensgefährtin des Angeklagten bekam Kosten der Unterkunft nicht gewährt, zudem wurde die Regelleistung gekürzt, teilte Verteidiger Mario Thomas mit. Sein Mandant bestreite eine versuchte Nötigung. Es sei nur die Rede von "ihr mal den Kopf waschen" gewesen. Das wiederum bestritt die Telefon-Beraterin (29).

Der Prozess wird mit weiteren Zeugenanhörungen am Donnerstag fortgesetzt. Wie berichtet, ist Enrico Böhm mehrfach vorbestraft. Im Bundeszentralregister befinden sich 13 Einträge. Der Verteidiger hatte gestern zum Schutz des Lebens seines Mandanten den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt. Auf Böhm seien 2014 mindestens sechs Anschläge verübt worden. Richter Mathias Winderlich lehnte ab. Die Voraussetzungen dazu lägen nicht vor.