Samstagnacht vor zwei Wochen, gegen 1 Uhr. Drei Männer tauchen vor dem Wuppertaler Autonomen Zentrum auf und provozieren die Besucher mit HoGeSa-Sprüchen. Wenig später kommt es zum Angriff: Einer der Männer sticht einem 53-jährigen AZ-Besucher mehrfach in den Rücken und verletzt ihn lebensgefährlich. Selbst zwei Wochen später liegt das Opfer nach nur einer kurzen Unterbrechung im künstlichen Koma. Nachdem die Täter erst unerkannt abhauen konnten, sitzt einer von ihnen mittlerweile in Untersuchungshaft.
Dazu, was nach dem Angriff geschehen ist, gehen die Darstellungen auseinander. Nachdem der Verletzte in den Räumen des Autonomen Zentrums in Sicherheit gebracht und ein Krankenwagen gerufen wurde, traf auch die Polizei am Tatort ein. Die schreibt wenige Stunden später in einer Pressemitteilung: „Erst durch den Einsatz von Pfefferspray und mittels Schlagstock konnten die Einsatzkräfte den Verletzten zur weiteren ärztlichen Versorgung aus dem Gebäude retten." Mehrere lokale Medien übernehmen diese Version.
Zur Erinnerung: Unser Video von der HoGeSa-Demo in Köln aus dem Oktober 2014:
Zwei Tage später weist das Autonome Zentrum die Darstellung auf seiner Website zurück. Erste Rettungskräfte hätten direkt mit der Erstversorgung begonnen, die Polizei hätte den Notarzt aber nicht ohne großes Polizeiaufgebot hineingelassen und seine Hilfe damit verzögert. Weiter heißt es, die Polizei hätte später wahllos mehrere Türen eingetreten, um nach möglichen Tätern zu suchen—dabei habe man den Beamten extra den Schlüsselbund ausgehändigt.
Tatsächlich liest sich die Pressemitteilung der Wuppertaler Polizei ein wenig so, als seien die AZ-Besucher selbst die Täter. Wie es von der Staatsanwaltschaft heißt, wurden sie alle auch erstmal als Beschuldigte vernommen. Die Wuppertaler Polizei will sich dazu nicht äußern und verweist auf die Staatsanwaltschaft. Genaue Angaben dazu, was nach dem Notruf passiert ist, kann oder will man aber auch hier nicht machen.
Wer sind die Täter?
Nach dem Angriff waren die drei Täter zuerst unerkannt geflohen. Die Polizei hatte wenig später in der Nähe des Autonomen Zentrums einen 25-jährigen mit mehreren Schnittverletzungen gefunden und ins Krankenhaus gebracht (woher die Verletzungen stammen, ist unklar). Der hat zwar zuerst abgestritten, etwas mit dem Angriff zutun zu haben, sitzt aber mittlerweile in Untersuchungshaft. Zeugen hatten ihn beschrieben und an der später gefundenen Tatwaffe hat das LKA auch sein Blut gefunden. Auch die beiden anderen mutmaßlichen Täter sind mittlerweile ermittelt. „Gegen die liegt aber kein dringender Tatverdacht vor", sagt die Wuppertaler Staatsanwältin Monika Olschak. Die beiden sind deshalb noch auf freiem Fuß.
Der 25-jährige Messerstecher gibt seine Tat mittlerweile sogar zu, versucht aber, sie als Notwehr darzustellen. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Zu den genauen Geschehnissen will die Staatsanwältin aber noch nichts sagen, da das noch nicht ausermittelt sei. Die zwei anderen Tatverdächtigen sagen nichts—und das Opfer des Angriffs liegt immer noch in einem künstlichen Koma und kann nicht befragt werden.
Klar ist aber: Der 25-jährige Täter ist laut Staatsanwaltschaft auch vorher schon durch rechte Straftaten aufgefallen. Äußerungen von Neonazis auf Facebook scheinen nahezulegen, dass es sich dabei um den Wuppertaler Patrick P. handelt.
Schon zwei Tage nach dem Angriff schrieb der Oberhausener Neonazi Mario L. auf seiner Facebook-Seite und der lokalen Seite der Neonazipartei „Die Rechte" unter der Überschrift „Kurze Klarstellung zum Vorfall in Wuppertal Samstag Abend": „Erstmal gute Besserung an Patrick P. Einer meiner besten Kumpels!" Außerdem, so Leisering, sei das keine HoGeSa-Aktion gewesen: „[...]und nur mit 3 Leute gezielt im Az Wuppertal auftauchen? Sorry dann wären es mindestens 100 von uns gewesen!" Das klingt wie eine feuchte Fantasie des rechtsradikalen Hooligans, der sich scheinbar mit größeren Angriffsversuchen auf linke Veranstaltungen auskennt.
Schon im März hatten vier Hooligans nach der Pegida-Demo in der Stadt vor dem Autonomen Zentrum rumgepöbelt, mit Flaschen geworfen und wurden von der Polizei festgenommen.
Rechte Gewalt: In Wuppertal nichts Neues
Der Angriff war vielleicht der bislang krasseste, aber längst nicht der erste Fall von rechter Gewalt in Wuppertal. Es gibt in der Stadt eine aktive Neonazi-Szene, die sich mittlerweile wie auch in Dortmund in der Partei „Die Rechte" organisiert, seit Jahren kommt es immer wieder zu gewalttätigen Überfällen. Zwei Tiefpunkte aus einer langen Liste: 2010 hatten 15-20 Neonazis die Premiere eines Dokumentarfilms über die rechte Szene in Wuppertal angegriffen und die Besucher unter anderem mit Pfefferspray attackiert.
2011 griffen Neonazis linke Besucher eines Flohmarktes an. Dabei prügelten sie unter anderem mit Schlagstöcken und Fahnenstangen auf die Köpfe ihrer Opfer ein.
Für die Betreiber des Autonomen Zentrums ist aber nicht nur die rechte Gewalt in Wuppertal ein Skandal. Sie werfen vor allem auch Polizei und Staatsanwaltschaft vor, diese Gewalt immer wieder zu verharmlosen. Die Polizei wollte sich zu den Vorwürfen auch auf Anfrage nicht äußern.