Rocker im Kulturzentrum

Erstveröffentlicht: 
13.04.2015

Am Samstag feierten die „Hells Angels“ in Rostock eine Party. Mit dabei waren auch rechte Aktivisten, die jetzt Kutte tragen.

 

Offiziell gibt es sie in der Hansestadt Rostock nicht mehr. 2012 löste sich das Charter des „MC Hells Angels“ an der Warnow auf.  Doch seit 2014 präsentiert sich die Gang neu mit einem eigenen Chartersong, gesungen von einem Rapper. Weil sie jedoch ihre Vereinsembleme nicht offen zeigen dürfen, nennen sie sich „Red-White-Rostock“ und vertreiben massenhaft Kleidung und Utensilien für Unterstützer (Supporter) und Fans der Mafia-Rocker, die offen für Kriminalität und Gewalt stehen. Der Dresscode der „Hells Angels“ wird vor allem durch den Schriftzug HAMC und die 81 geprägt sowie die Vereinsfarben rot und weiß. Die unterstützenden „Red Devils“ tragen ihr Kürzel 184 bis hin zum Autokennzeichen zur Schau. In Mecklenburg-Vorpommern scheint der Westteil des Landes in der Hand der Rot-Weißen zu sein, während im Ostteil eher der konkurrierende „MC Bandidos“ mit seinen Supportern dominiert.

 

Das Rostocker Charter der Höllenengel ist in deutscher Hand. Von sieben Vollmitgliedern stammen mindestens zwei aus der Neonazi-Szene in Sachsen-Anhalt, einer aus Niedersachsen.  Alarmierend scheint auch die enge Verbindung zu rechten Bruderschaften in der Region. So tauchten neben den Codes „81“ und „184“ am letzten Samstag eben auch die „88“ auf. Die „Hells Angels Rostock“ feierten mit „Brüdern“, Freunden und Groupies ihre „Season Open Party“. Die Veranstaltung  sollte zunächst in Mönchhagen bei Rostock stattfinden, wurde dann jedoch in die Moya Kulturbühne verlegt. Von Motorrädern war bei der Rockergang trotz optimalen Wetters kaum etwas zu sehen. Nur einen Handvoll Bikes fuhren vor. Der Mythos von „Route 66“ und „Easy Rider“ ist Carmouflage.

 

Rockerbekenntnis zur Gewalt als Tattoo am Hals

Frauen in knallengen Latexhosen, stark geschminkt, stöckelten auf Highheels  zum „Moya“. Ein Mann trug seinen Sohn auf den Schultern. Die meisten Besucher der Party trugen einschlägige Szenekleidung und wirkten wie Bodybuildung- und Tattoo-Groupies. Das Kürzel „1 %“ – das Rockerbekenntnis zur Gewalt – zeigten einige sogar als Tattoo am Hals. Für die Organisation der Angels-Feier war der untergeordnete „MC Red Devils“ zuständig. Bis zum Abend kamen rund 150 Besucher in die Moya Kulturbühne im Stadtteil Marienehe. Musik war zu hören, Verkaufsstände wurden aufgebaut. 2007 wollte dort die rechte Hooligan-Band „Kategorie C“ auftreten, aber das Konzert wurde vom damaligen Veranstalter abgesagt. Der jetzige Geschäftsführer scheute den Kontakt zum „MC Hells Angels“ offenbar nicht, nachmittags lief er zwischen den Rockern umher. 2014 kandidierte er für den Ortsbereit Stadtmitte, zuvor wurde er 2014 als Mitglied der FDP in den Lokalmedien erwähnt.

 

Bis zu ihrer Auflösung 2012 sollen die „Hells Angels“ in Rostock von Henry S. angeführt worden sein. Der bullige Glatzkopf, der am Samstag mit dem ehemaligen Vize-Präsidenten des Wismarer „MC Schwarze Schar“, Sebastian Kairies, anrückte und die Gastgeber begrüßte, galt als eine Rotlichtgröße, heute taucht sein Name im Zusammenhang mit  Kampfsportevents auf. S. musste sich vor Gericht verantworten und das Clubhaus der Angels am Petridamm wurde verkauft. Seither ist vonseiten der Polizei zu hören, die „Hells Angels“ spielten in Rostock keine Rolle mehr.


Dabei betreiben die mehrere Geschäfte unter anderem auch im Baubereich.  Eines der neuen Mitglieder hat am Petridamm den Szeneladen „Streetwear Dealer“ mit Kleidung von „Pro Violence“ oder „Rotlicht“ eröffnet. Die Spuren dieser  Firmen führen wiederum in die rechte Szene nach Sachsen-Anhalt.

 

Neonazis wechseln zu „Red Devils“ oder „Hells Angels“

Aus der Altmark stammen die beiden neuen HA-„Fullmember“ Mirko Appelt und Felix Bliesener. Die ehemals aktiven Mitglieder der rechtsextremen Kameradschaftsszene agieren heute als rührige Geschäftsleute. Appelt, der unter anderem einen Tattooladen in Güstrow betreibt, ist viel unterwegs, mal fliegt er nach Rio de Janeiro, mal organisiert er einen Tattoo-Event. Anzeichen kommerziellen Interesses zeigte er bereits als Anführer des militanten „Selbstschutz Sachsen-Anhalt“, als er aus der Kameradschaft ein Security-Unternehmen machte. Der Neu-Rostocker trägt immer noch Pferdeschwanz und hängt dem Satanismus an. Im Internet zeigt er sich begeistert über HoGeSa- und Pegida-Bewegung, die Verbindung zu damaligen Kameraden wie dem Kameradschaftsanführer Kay Schweigel scheint bis heute zu halten.

 

Nicht wenige Neonazis aus Sachsen-Anhalt wechselten zu den „Red Devils“ oder zum „MC Hells Angels“ in anderen Bundesländern. Unter der Führung von Frank Hanebuth und seinem „Pressesprecher“ Rudolf Triller vom Charter in Hannover galt Appelt noch als umstritten. Nach Hanebuths Festnahme in Spanien konnte sich der Neonazi anscheinend in den Gangreihen behaupten. Doch beim Angels-Empfang im Moya hielt sich der unauffällige Mann in der Adidas-Jacke wie  immer im Hintergrund.

 

Felix Bliesener dagegen zeigte sich Samstag ganz offen. Den Schriftzug „Brotherhood“ hat er sich im Gesicht verewigen lassen. Immer wieder rückte er mit „Brüdern“ vor, um sich die Polizeisperre vor dem Gebäude anzusehen. Maskierte Polizisten mit Maschinenpistolen sicherten die weiblichen und männlichen Einsatzkräfte, die Personalien überprüften und einen Blick in die Kofferräume der anreisenden Fahrzeuge warfen. Neben Angels und Devils kamen Clubmitglieder von „Joker North East“, „Meck Bulls“ und „East Coast Harlekins“. Manche waren aufgrund der Kontrolle aufgebracht. „Scheiß Presse“ hieß es mehrmals. Auf einem BMW aus Neumünster war auf dem  Aufkleber zu lesen:  „Self Justice – We don`t call the cops“. Der junge Sänger der Band, die bei den Angels spielen sollte, stand in Leopardenleggins neben den Rockern. Das Durchschnittsalter der Band, die den Abend begleiten sollte,  läge bei „strammen 17 Jahren“. heißt es im Internet.

 

Anhänger der Neonazi-Bruderschaft „Brigade 8“

Vor kurzem beteiligte sich Mirko Rentzsch noch an Neonazi-Aufmärschen in Mecklenburg-Vorpommern – jetzt trug er die schwarze Jacke mit dem Patch der „Red Devils“. Noch scheint er kein Mitglied. Auf eine rege rechte Vergangenheit kann auch Roger Büttner zurückblicken. Das „Prospect“  des MC Hells Angels Rostock, gekleidet mit Kutte und rotem Basecap, sorgte 2003 für Aufmerksamkeit, als er sich gemeinsam mit der heutigen regionalen Vorsitzenden des „Rings Nationaler Frauen“ (RNF) für eine militante Rostocker Kameradschaft verantworten musste, die untersagt worden war.

 

Eigenen Angaben zufolge reisten auch Ronny Schröter und Ronny Markwart zur Party. Sie gelten als Anhänger der Neonazi-Bruderschaft „Brigade 8“. Diese Gruppe, bestehend aus „Blood&Honour“, Hitler- und Hakenkreuz-Fans. spielt im Vorfeld der kriminellen Rockerszene eine wichtige Rolle. Sie zeigt eine große Nähe zu den „Hells Angels“ in Norddeutschland. Insider beobachten, dass immer mehr Neonazis Aufgaben im Drogen- und Rotlichtmilieu übernehmen, mit denen sich die Rocker nicht belasten wollen. Auffällig sind auch die Netzwerke im Kleidungsbusiness, einem einträglichen Geschäft, welches bis ins Kampfsport – Fitness- und Hooligan-Business reicht.

 

Anders als bei anderen Hells Angels-Sektionen waren an diesem Tag in Mecklenburg-Vorpommern keine Migranten zu sehen. An den Polizeisperren ging es weitgehend friedlich ab. Zwei Anreisende wurden wegen Geldschulden polizeilich gesucht. Während der eine bereitwillig zum Geldautomaten fuhr, wurde der andere lange festgehalten. Scheinbar war keiner seiner „Brüder“ bereit, ihm das nötige Geld zu leihen, um sich auszulösen. Als ein „East Coast Harlekin“ wütend auf einen Kameramann zustürzte, hielten Beamte ihn ab.

 

Eine ambivalente Atmosphäre. Lächelnd duzte ein junge blonde Polizistin  zwei Anreisende aus Hamburg. Mit einem Tätowierer aus Hamburg unterhielt sie sich lange. Ältere Beamte bewunderten eine Harley. Zwei Rocker reisten mit Bikes aus Kiel an. Andere Gäste kamen unter anderem aus Northeim, Salzwedel, Ueckermünde, der Uckermark und Neumünster.  Sven Fischer aber fehlte. Der ehemalige Hildesheimer Neonazi vertritt zur Zeit die „Big House Crew“ der Hells Angels – das heißt der „Pro Violence“-Fan  sitzt im Gefängnis.