Befangenheit gegenüber Angeklagten - Gericht enthebt NPD-Schöffen seines Amtes

Erstveröffentlicht: 
15.04.2015

Ein NPD-Funktionär, der am Amtsgericht Hannover als Schöffe tätig war, ist aufgrund seiner politischen Orientierung entlassen worden. Der 69-jährige Rentner aus Hannover war für die Wahlperiode 2014 bis 2018 als Hilfsjugendschöffe gewählt worden.

 

Hannover. Seither hatte er an zwei Gerichtsverfahren teilgenommen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle folgte jetzt einem Antrag des Amtsgerichts, den ehrenamtlichen Richter von der Schöffenliste zu streichen. Der 69-Jährige hatte sich im Oktober 2014 von sich aus als Mitglied der als rechtsextrem geltenden NPD zu erkennen gegeben. Er sei gegenüber ausländischen Angeklagten voreingenommen und könne es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, „diese Leute härter zu verurteilen als Kameraden“, so seine Einlassung.

Dass sich der Rentner für befangen erklärt, könnte damit zusammenhängen, dass er 2015 für den Geschäftsführerposten des niedersächsischen NPD-Landesvorstands kandidieren will. Dies hätte die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass dem Gericht seine Parteizugehörigkeit bekannt geworden wäre. Bislang ist er Vorstandsmitglied im NPD-Unterbezirk Oberweser Hameln-Pyrmont. Ob das Bekanntwerden einer einfachen NPD-Mitgliedschaft ausgereicht hätte, den Mann von seinem Schöffenamt zu entbinden, ist jedoch zweifelhaft: Nach wie vor ist die Nationaldemokratische Partei Deutschlands nicht verboten.

Wie das OLG jetzt urteilte, unterliege ein Schöffe der Pflicht zur „besonderen Verfassungstreue“. Die Funktionärstätigkeit des 69-Jährigen sei damit nicht zu vereinbaren. OLG-Sprecher Götz Wettich bezeichnet den Vorgang als „Präzedenzfall“; die Entlassung des Mannes sei unanfechtbar.

Besonders brisant ist der Vorgang aufgrund eines 2008 ergangenen Aufrufs der NPD an Mitglieder und „nationale Bürger“, sich für das Schöffenamt zu bewerben. Ziel sei es, „das gesunde Volksempfinden in die Urteile einfließen zu lassen“ und „ein höheres Strafmaß gegen kriminelle Ausländer und linksradikale Gewalttäter“ durchzusetzen. In einigen Kommunen, vor allem in Sachsen und Brandenburg, soll dieser Aufruf auch Früchte getragen haben. 2009 wurde die Direktive der rechtsextremen Partei öffentlich und verursachte eine Welle der Empörung; als Folge wurde 2010 der mögliche Ausschluss von Schöffen wegen grober Verletzung der Amtspflichten im Gerichtsverfassungsgesetz festgeschrieben. Bis dato fußten Entlassungen nur auf Einzelurteilen bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht.

Der hannoversche NPD-Schöffe wirkte 2014 an zwei Prozessen mit: Einmal saßen zwei junge Männer mit ausländischen Namen wegen Diebstahls auf der Anklagebank, das andere Mal zwei Heranwachsende mit deutschen Namen wegen falscher Verdächtigung. Nach Auskunft von Amtsgerichtssprecher Jens Buck seien beide Prozesse aber glimpflich für die Angeklagten ausgegangen. Ein Urteil habe Hilfsdienste und Geldstrafen beinhaltet, im anderen Fall kam es zu einer Einstellung des Verfahrens. Die Gesinnung des 69-Jährigen hatte hier also offenkundig keinen Einfluss auf die Rechtsprechung; wie die Juroren – ein hauptamtlicher und zwei ehrenamtliche Richter mit gleichem Stimmrecht – tatsächlich abgestimmt haben, unterliegt allerdings strengster Geheimhaltung.