In Berlin gibt es weiter jeden Montag die rassistischen Bärgida-Demos. Auch in vielen weiteren Städten gibt es immer noch rassistische Pegida-Aufmärsche, es kommen aber immer weniger Demonstrierende. Die öffentliche Aufmerksamkeit nimmt ab und die Gegenproteste werden ebenfalls deutlich kleiner. In vielen Städten radikalisieren sich die Pegida-Demos, der Anteil von Nazis steigt. Es kommt zu immer mehr Übergriffen und Anschlägen.
Bärgida
Am Montag liefen ungefähr 100 Bärgida-Anhänger*innen vom Hauptbahnhof über das Bundeskanzleramt zum Brandenburger Tor. Gestern gelang es ihnen nicht ein Auto zu organisieren, es gab also weder Transparente noch eine Lautsprecheranlage. Ein halbleerer Bärgida-Bus war gleichzeitig nach Dresden gefahren um den Rechtspopulisten Wilders zu hören.
Die Bärgida-Demos setzen sich aus unterschiedlichen Spektren zusammen. Zum einen kommen rechte Verschwörungsleute und Reichsbürger*innen, welche von einer gewaltsamen, nationalitischen Revolution träumen. Aus diesem Spektrum wurden in den letzten Monaten mehrere Brandanschläge verübt.
Andererseits kommen zumeist ältere Menschen bürgerlichen Aussehens. Die rassistische Hetzseite Pi-News hat zu den rassistischen Aufmärschen mobilisiert und auch Anhänger*innen der rechten Parteien AfD, „Die Freiheit“ und Pro Deutschland nahmen und nehmen immer wieder an den Bärgida-Demos teil.
Es ist auffällig, dass diese „bürgerlichen“ Rassist*innen kein Problem haben mit offen gewaltsuchenden Hooligans und Nazis gemeinsam zu demonstrieren. Den ein immer größer werdender Anteil der Bärgida-Demos besteht aus Nazi-Hooligans.
Diese haben vor vier Wochen einen Journalisten im Umfeld der Demo angegriffen und suchen immer wieder die Konfrontation mit Gegendemonstrant*innen. Unter dem Schutz der Polizei feiern sie dabei Nazi-Morde mit dem Spruch „Mit Silvio wärt ihr einer mehr“, rufen „Ahu“ oder „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“. Die gesamte Demonstration singt dann immer gemeinsam „Deutschland, Deutschland über alles“ am Brandenburger Tor.
Dieser Teil der Naziszene unterstellt sich aber offenbar nicht mehr der Kontrolle von NPD/NW. Die NPD schickt zwar immer wieder Kader wie Schmidtke oder Sturm zu den Bärgida-Demos, es ist ihnen aber nicht gelungen die organisatorische Kontrolle zu erlangen. Die NPD-nahen Nazis in Marzahn und Hohenschönhausen sind deswegen auch sauer auf Bärgida und machen sie für den Niedergang der Nazi-Randbezirksmobi verantwortlich. Die NPD-Nazis beschrieben sie als „Kinder-Hogesa“ und „Verräter“. Die Hooligans haben Anfang April das „Bündnis Deutscher Hools“ gegründet und versuchen offenbar eigene Netzwerke zu entwickeln. Teile der Heimmobilisierung in Köpenick und Marzahn haben sich von den dortigen Aktivitäten abgewendet und beteiligt sich an diesen Versuchen.
Die Aufmarschstrecke der Nazis ist kaum noch abgesichert, was am geringen Gegenprotest liegt. Gestern versammelten sich 40 Leute um die Kundgebung der Nazis am Brandenburger Tor lautstark zu stören. Auch Passant*innen und Schulklassen äußern immer wieder ihren Unmut.
Die Bärgida-Organisatoren finden immer wieder neue Ausreden, warum ihre jeweils letzte Demonstration erneut kleiner geworden ist. Trotzdem können sie sich offenbar weiter motivieren, auch mit sehr wenigen Leuten weiter zu demonstrieren. Auch in Marzahn sind sich die Nazis nicht zu blöd mit 35 Leuten eine Demo zu machen.
Es scheint zur Zeit sehr unwahrscheinlich, dass die Bärgida-Demos erneut deutlich größer werden könnten, sondern ein langsamer und zäher Niedergang ist anzunehmen. Das heißt aber auch, dass Bärgida noch in einigen Monaten mit wenigen Dutzend Menschen durch Mitte ziehen könnte.
Am 9. Mai gibt es eine Mobilisierung aus dem rechten Verschwörungsspektrum zu einem "Sturm auf den Reichstag", auch Lutz Bachmann hat bei dieser Facebook-Veranstaltung sein Kommen zugesagt. Wie sich dieser Sturm auf den Reichstag entwickeln wird, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Es ist aber schon klar, dass es antifaschistischen Gegenprotest geben wird.
Pegida bundesweit
Die Teilnehmer*innenzahl bei den verschiedenen Pegida-Demos sind teilweise stark rückläufig. Die Auflösungserscheinungen der rassistischen „Bewegung“ setzen sich fort. Dies ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einem Rückgang von Rassismus. Zum einen hat Pegida den gesellschaftlichen Diskurs teilweise nach rechts verschoben, andererseits gibt es verstärkt Angriffe und Gewalt gegen People of Colour.
Insgesamt ist Pegida nur noch in Dresden und in weiteren sächsischen Kleinstädten gesellschaftlich relevant. Aber auch in Dresden gelang ihnen nicht durch den Auftritt von Stargast „Wilders“ den Niedergang der Bewegung aufzuhalten. Es ist für Pegida in Sachsen weiterhin möglich hunderte Menschen in verschiedenen Städten zu rassistischen Demos zu mobilisieren. Dabei gibt es oder wird es größere Aufmärsche in kleinen Städten wie Freital, Zschopau, Bautzen, Annaberg-Buchholz und Dipoldiswalde geben.
Bundesweit setzt sich der Zerfallsprozess von Pegida fort. Das hat auch mit dem autoritären Anspruch von Lutz Bachmann zu tun. So wurde sowohl die Führung von Pegida Frankfurt, als auch von Pegida NRW rausgeworfen. Neue Mobilisierungsversuche in Kiel und Oldenburg wurden abgebrochen.
Die rassistischen Demos in anderen Städten sollen durch Gastredner gestärkt werden, welche bundesweit verteilt werden (Mannheimer, Festerling, Baerth, …). Auch Bachmann geht auf Reisen, er will in Braunschweig, Villingen und Kassel auftreten.
Nach den riesigen Anti-Pegida-Demos Anfang des Jahres ist sowohl die linke als auch die bürgerliche Gegenmobilisierung stark zurückgegangen. Aus linker Perspektive ist es wünschenswert aus den Abwehrkämpfen wieder stärker in die antirassistische Offensive zu kommen.
Übersicht über Pegida bundesweit
Berlin: wöchentlich / ca. 100 Rassist*innen / abnehmende Tendenz / viele Nazi-Hools
BRAMM (Brandenburg, Fürstenwalde, Eisenhüttenstadt, …): fast wöchentlich / ca. 30 / abnehmende Tendenze / kein offizieller Pegida-Ableger
Braunschweig: zuletzt unregelmäßig / unter 100 / stark abnehmend
Chemnitz-Erzgebirge: Fast wöchentlich / 300 / abnehmend
Cottbus: nicht mehr
Dresden: fast wöchentlich / 3000-8000 / abnehmend / Bürgermeisterwahl als weiterer Mobilisierungspunkt
Düsseldorf: wöchentlich / 60 / leicht abnehmend / schon früh von Pegida abgespalten
Duisburg: erst wöchentlich, jetzt lange Unterbrechung / zuletzt 100 / „NRW-Führer“ Marco Carta Probach wurde im Streit von Bachmann rausgeworfen
Frankfurt: Fast wöchentlich / ca. 40 / leicht abnehmende Tendenz / es gibt nun einen offiziellen Pegida-Ableger und eine Gruppe um Heidi Mund; starker Gegenprotest
Hannover: zuletzt unregelmäßig / unter 30 / stark abnehmende Tendenz / Streit
Hoyerswerda: alle zwei Wochen / 50 / stark abnehmende Tendenz
Kassel: wöchentlich / ca. 30 / abnehmende Tendenz
Karlsruhe: Fast wöchentlich / 100-200 / abnehmend
Köln/Bonn: nicht mehr
Leipzig: zuletzt sehr unregelmäßig / 600 / stark abnehmend / viel Gegenprotest
Magdeburg: fast wöchentlich / 50-150 / stark abnehmende Tendenz, relativ starker Gegenprotest
München: erst wöchentlich, jetzt lange Unterbrechung / 100-200 / stark abnehmende Tendenz / es gibt Streit zwischen Stürzenberger und anderen
Mvgida (Stralsund, Schwerin, …): fast wöchentlich / 150-250 / abnehmende Tendenz / Anmelder hatte neues Projekt versucht, ist gescheitert
Nürnberg: schon länger nicht mehr / unter 100 / stark abnehmend Tendenz / Streitigkeiten
Saarbrücken: nicht mehr
Thügida (erst lange Suhl, dann Erfurt, nun Eisenberg): fast wöchentlich / 100-200 / stark abnehmende Tendenz / krass antisemitischer und rassistischer Ableger
Villingen: fast wöchentlich / ca. 50 / stabil
Würzburg: zunächst wöchentlich, jetzt längere Unterbrechung / unter 50 / abnehmend / Orgateam teilweise aufgelöst