Schönhausen (Elbe): Rennicke und Juchem bei braungefärbtem Bismarck-Gedenken

Impressionen im Überblick

Anlässlich des 200. Geburtstages von Otto von Bismarck hatten sich gestern Nachmittag ungefähr 140 Neonazis, darunter auch der szenebekannte Liedermacher Frank Rennicke und der Revisionist Wolfgang Juchem, zu einer Gedenkveranstaltung im sachsen-anhaltinischen Schönhausen (Elbe) versammelt. In der kleinen Gemeinde im Landkreis Stendal wurde der spätere Reichskanzler Bismarck am 1. April 1815 geboren. Spätestens 2007 entdeckten Neonazis den Ort für sich und führten seit dem jährliche Veranstaltungen durch. Dies allerdings auch zum Missfallen der Gemeinde. Schönhausen (Elbe) wehrt sich ebenfalls seit 2007 gegen die neonazistischen Versammlungen mit einem eigenen Veranstaltungsangebot. 

 

Bündnis wehrt sich

 

Gegen das jährliche Bismarck-Gedenken der Neonazis hatte in diesem Jahr das „Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit im Landkreis Stendal“ aufgerufen. Um, gemäß Aufruf im Socialmedia, ein „Zeichen für Demokratie, Weltoffenheit und Vielfalt zu setzen“ wurde ab 12.00 Uhr ein buntes Fest in der Körnerstraße Ecke Fontanestraße mit Ständen und Bühnenprogramm organisiert.
In einem ersten Redebeitrag  bekräftigte Bernd Kloss vom „Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit“, dass „Vielfalt“ den Landkreis Stendal „lebenswert“ mache. Das Bündnis wolle zudem durch sein „Handeln“ die „demokratische Alltagskultur (…) stärken und zeigen wie bunt das Leben hier“ sei. Weiterhin werde sich im Rahmen der Bündnisarbeit „gegen Rassismus“ und „gegen Rechtsextremismus“ sowie „für die Rechte von Flüchtlingen“ eingesetzt.
Von der Huldigung Bismarcks hielt der Sprecher des Bündnisses hingegen gar nichts. „Bismarck war kein Demokrat“ sondern vielmehr „ein machtbewusste Autokrat“, der „in späteren Jahren“ zwar auch ein „geschickter Jongleur der Diplomatie“ wurde, aber eben  „auch drei Kriege geführt hat“, so Kloss. Zudem verkörpere Bismarck, als Monarchist, Eigenschaften, die zur „antidemokratischen Hypothek“ Deutschlands „gehören“.
Ähnlich äußerte sich  auch Dr. Denis Gruber (SPD), erster Beigeordneter des Landkreises Stendal. Er bezeichnete sein Verhältnis zu Bismarck als „ambivalent“. Zwar seien einige Leistungen, „insbesondere die Sozialgesetzgebung“, anerkennenswert, aber „demokratisch war dieser Bismarck“ auch für Gruber nicht. Als Negativbeispiel nannte er diesbezüglich das „Sozialistengesetz“.
Wichtiger als über Sinn und Unsinn des Gedenkens an einen umstrittenen Reichskanzler aus der Altmark zu debattieren war für Gruber deshalb auch eher, für ein weltoffenen Landkreis Stendal zu werben. Mittlerweile sollen hier Menschen aus über 100 Nationen beheimatet sein. „Migration“ sei deshalb „eine riesige Chance für diesen Landkreis“ von der alle „profitieren können“, so Gruber.


Neonazis erinnern an Bismarck

 

Die Neonazis hatten sich, ähnlich wie das Bündnis, ebenfalls ab 12.00 Uhr versammelt. Kundgebungsort war das Gelände um das Bismarck-Museum in der Bismarckstraße. Das Museum selber hatte allerdings aus „betrieblichen Gründen“ geschlossen.  Stattdessen mussten die neonazistischen Versammlungsteilnehmer_innen mit einer Kunstaktion auf ihrem zugewiesenen Aufmarschplatz vorlieb nehmen, deren Tenor die Message „bunt statt braun“ war.
Ungefähr 140 Personen, überwiegend aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg, waren den Aufrufen des „Altmärkischen Kreises der Bismarck-Freunde“  sowie der NPD Sachsen-Anhalt einschließlich ihrer Untergliederungen „Börde“ und „Wittenberg“ gefolgt. 
Die Versammlung war zum Teil als Familienfest konzipiert und entsprechend mit Kuchen- und Grillständen, Bogen schießen, Büchsen werfen und Hüpfburg ausgestattet. Einige Neonazis waren deshalb auch mit Lebenspartnerinnen und Kindern angereist.
Als Versammlungsleiter fungierte, wie auch in den Vorjahren, der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD, Heiko Krause. Er gilt als führender Kopf des neonazistischen Milieus in der Altmark und sitzt für die Nationaldemokraten in zwei Kommunalparlamenten. Krause ist Stadtrat in Tangerhütte und Abgeordneter im Kreistag Stendal. Er eröffnete auch die Veranstaltung, verlas die Auflagen der Polizei und verkündete den Veranstaltungsablauf.
Dieser sah zunächst die Verlesung eines Grußwortes des NPD Europaabgeordneten Udo Voigt, der selber nicht kommen konnte, vor. Seine Worte wurden nun von Frank Rohleder aus Dresden (Sachsen) vorgetragen. Gemäß diesem Grußwort wünscht Voigt „der gesamten Veranstaltung“ der Bismarck-Freunde „einen großen Erfolg, verbunden mit so vielen Wünschen für Glück und Wohlergehen sowie viel Kraft und Geduld im Kampf  um das deutsche Vaterland“. Außerdem bezog er sich positiv auf den ehemaligen Reichskanzler: „Gäbe es heute einen Bismarck in der deutschen Politik, müssen wir uns um die Zukunft unseres Volkes nicht Bange sein“.
Anschließend ergriff Heiko Krause wieder das Wort, um ebenfalls seinem vor 200 Jahren geborenen „Fürsten“ zu huldigen. Bismarck sei seiner Meinung nach, als „Gründer des zweiten deutschen Reiches“ und „erster Reichskanzler“, der „mit Abstand (…) bedeutendste Sohn der Altmark und einer der größten Persönlichkeiten“ des „deutschen Volkes“. Umso unverständlicher sei es für Krause, dass die Gemeinde Schönhausen (Elbe) immer noch nicht den Namenszusatz „Bismarck-Gemeinde“ träge.
Danach betrat der szenebekannte, neonazistische Liedermacher Frank Rennicke den Bühnenbereich. Er huldigte Bismarck in einer kurzen Einleitung ebenfalls als eine der „herausragendsten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte“ und hob sein Wirken für das „deutsches Reich“ hervor. Einer Sache, zu der sich übrigens auch Rennicke, zumindest in seinen Liedern, verpflichtet fühlt. Das die Vorstellung dieses Reiches synonym mit dem neonazistischen Idealbild der Volksgemeinschaft ist, deutete Rennicke dabei zumindest an, in dem er „Deutschland“ als ein Land beschrieb, dass sich angeblich „biologisch von Stämmen aus entwickelt hat“. Darüberhinaus wetterte er in seinen Anmoderationen zu seinen Liedern gegen einen vermeintlichem „Linksfaschismus“ und gegen anwesende Journalisten.
Danach ergriff der bundesweit bei neonazistischen Veranstaltungen als Redner auftretende Revisionist Wolfgang  Juchem das Mikrofon und hielt einen 50 minütigen Redebeitrag in dem er auf einzelne Lebensstationen Bismarcks einging, jedoch auch immer wieder revisionistische Inhalte propagierte. So beklagte er u.a. das der „deutsche Osten“ jenseits von Oder und Neiße“ im Rahmen des Einigungsprozesses von 1989 und 1990 „von den Spitzenpolitikern aller Bundestagsparteien schändlich verraten“ wurde. Des weiteren behauptete er ernsthaft, dass nicht „wir Deutschen und (…) unsere deutschen Vorfahren (…) in den vergangenen Jahrhunderten“ durch chauvinistische Angriffskriege  „die europäische Landkarte veränderten“, sondern stets „die Anderen“. „Immer“ seien sie es gewesen, „die beutegierig durch Europa zogen“, so Juchem weiter.
Die Veranstaltung zog sich noch bis in die frühen Abendstunden hin. Zu Zwischenfällen kam es, soweit bekannt nicht. Etwa 100 Polizeibeamt_innen waren im Einsatz.

 

Fotos:

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