Rechtsunwesen In Spanien tritt ein Gesetz in Kraft, das die Wahrnehmung demokratischer Grundrechte mit hohen Geldstrafen belegt. Berichterstattung? Fehlanzeige!
Würde ein Gesetz wie das morgen in Spanien in Kraft tretende am 31.3. im BOLETÍN OFICIAL DEL ESTADO veröffentlichte und am 1. Juli in Kraft tretende Ley Mordaza in, sagen wir, Iran installiert, bräche ein Sturm der Entrüstung los. Artikel würde Artikel jagen, Brennpunkte gesendet, Botschafter einbestellt, Staatsbesuche abgesagt, Sanktionen verhängt.
Aus merkwürdigen Gründen ist nichts davon der Fall, was auch daran liegen mag, daß aktuelle Berichterstattung außerhalb von Spanien kaum existent ist.
Im Dezember, anläßlich der Lesung des Gesetzes in der ersten Kammer des Parlaments und der Demonstrationen dagegen, brachten es unsere Leitmedien noch zu aufgehübschten Agenturmeldungen (beispielhaft Zeit Online). In der taz der Kommentar Angst verbreiten, mundtot machen , ausführlicher Telepolis "Eigentlich müsste die UNO längst Blauhelmtruppen nach Spanien schicken".
Der Protest von UN-Rechtsexperten im Februar war keine Meldung wert. Für Berichterstattung im März 2015 wird man beim Guardian fündig: Spain puts 'gag' on freedom of expression as senate approves security law.
Aber was macht es denn nun, das neue spanische Sicherheitsgesetz? Einen ersten Überblick gewinnt man anhand des folgenden Videos:
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Vp1PVp7p1Uk
und einen genaueren über Zielrichtungen und Konsequenzen des Ley Mordaza, nämlich die Unterlaufung der spanischen Verfassung und der AEMR durch ein auf die Protestformen der Indignados zugeschnittenen Strafgesetzes, mit Hilfe dieses Videos (nachträglich eingefügt 1.4. 18h15):
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Z3lILPGhzN0
Mit Strafen bis zu 30.000 Euro belegt werden unter anderem Nichtzusammenarbeit mit der Polizei, Verbreitung von Fotografien von Polizisten, Barrikadenbau und Veränderung an Polizeiabsperrungen, Nichtverlassen einer aufgelösten Demonstration, Verbrennen der spanischen Flagge, Kiffen in der Öffentlichkeit, unangemeldete spontane Demonstrationen, Proteste zur Verhinderung von Wohnungsräumungen und jede der Polizei mißliebige Party im öffentlichen Raum.
Mit bis zu 600.000 Euro Geldbuße werden Demonstrationen in, an oder vor einer "kritischen Infrastruktur" bestraft. Würde also spontan vor dem Parlament in Madrid gegen das Gesetz oder gegen die europäische Sparpolitik demonstriert, würde das so teuer, wie es die Polizei eben erlaubt.
Ein Gesetz, maßgeschneidert auf die Opposition Podemos, von der Partida Popular, die sich seit mindestens 20 Jahren illegal finanziert und noch mehr Korruptionsskandale zu verzeichnen hat als die PSOE.
Nur noch eine Anekdote am Rande ist die Gesetzesergänzung, die die Partida Popular mit einem Einspruch gegen das von ihr eingebrachte Gesetz erreichte: die *heißen Abschiebungen* von Flüchtlingen aus den beiden spanischen Enklaven Ceuta und Melilla in die zärtlich wartenden Hände des marokkanischen Militärs sind jetzt legalisiert, also die längst übliche Praxis. Damit werden die mit EU-Mitteln errichteten Golfplatzzäune vor darauf herumlungernden Flüchtlingen geschützt.
Und das Schönste ist: nicht Richter, sondern die Polizei entscheidet, ob sich jemand nach dem Ley Mordaza strafbar macht. Austeritätspolitik live und in Farbe.