Linken-Politiker zieht vor Bundesverfassungsgericht
Von Jörg Schurig
Dresden. Der Linke-Politiker Falk Neubert hat nach seiner Verurteilung
wegen eines Protestes gegen Neonazis in Dresden Verfassungsbeschwerde
eingelegt. "Wir kämpfen stellvertretend für die vielen Menschen, die am
19. Februar 2011 friedlich an der Anti-Nazi-Demonstration teilgenommen
haben, gegen die Kriminalisierung zivilgesellschaftlichen Protestes",
erklärte Neubert gestern.
Die Beschwerde sei sowohl an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
als auch an den Verfassungsgerichtshof in Leipzig gegangen, ergänzte
sein Anwalt André Schollbach. Eine Bestätigung über den Eingang liege
vor.
Geldstrafe erst über vier Jahre später
Neubert hatte sich im Februar an einer Sitzblockade beteiligt und war
erst mehr als vier Jahre später - Ende Mai 2014 - vom Dresdner
Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 1500 Euro verurteilt worden.
Zwischenzeitlich hatte der Anwalt Schollbach, der genau wie Neubert für
die Linke im sächsischen Landtag sitzt, nach eigenen Angaben vier
Verzögerungsrügen bei Gericht eingereicht. Gegen seine Verurteilung
legte Neubert Revision ein. Doch das Oberlandesgericht bestätige die
Entscheidung der Amtsrichter. Deshalb erfolgt nun der Gang zu den
Verfassungsgerichten.
Neubert betonte, er sei überzeugt, dass sein Handeln vom Grundrecht der
Versammlungsfreiheit gedeckt und nicht strafbar gewesen sei. Wie
Hunderte andere Bürger, darunter Politiker mehrerer Parteien, hatte der
41-Jährige eine Kreuzung auf einer Straße blockiert, auf der Neonazis
zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg marschieren
wollten.
"Diese Art Verfolgung" nur in Sachsen
Schollbach argumentiert, dass die "friedliche Präsenz einer
Gegenversammlung nicht als zu unterlassende grobe Störung einer
Versammlung aufgefasst werden kann" und verweist auf BVG-Entscheidungen.
"Unser Ziel besteht darin, die in Sachsen praktizierte strafrechtliche
Verfolgung friedlicher Anti-Nazi-Proteste zu stoppen." Schollbach geht
davon aus, dass das BVG auf Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung
zur Versammlungsfreiheit zugunsten von Neubert entscheiden werde. Zu
Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes gebe es noch keine Rechtsprechung
des BVG. Laut Schollbach ist Sachsen mit seiner Rechtspraxis eine
Ausnahme: "Soweit mir bekannt ist, wird in anderen Ländern diese Art von
Verfolgung nicht praktiziert."
Bei den Demonstrationen gegen den Neonazi-Aufmarsch am 19. Februar 2011
war es in Dresden zu Gewaltausbrüchen gekommen. Mehr als 100 Polizisten
und auch viele Demonstranten wurden verletzt. Bei den Sitzblockaden ging
es jedoch friedlich zu. Die Staatsanwaltschaft leitete 489 Verfahren
wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Gegen 101 Menschen
wurden Sanktionen verhängt.