Autonome und Hooligans jagen sich / Auch friedlicher Protest gegen Islamkritiker
Von Roland Herold, Jens Rometsch und Frank Döring
Auch wenn die Stadtverwaltung einen Aufzug der selbst ernannten
Bewahrer des Abendlandes untersagt hatte: Die Leipziger Innenstadt stand
gestern stundenlang im Zeichen von Legida und No Legida. Im Laufe des
Abends kam es im Bereich Goethestraße/Willy-Brandt-Platz zu
gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rund 150 Sympathisanten der
islamkritischen Bewegung, überwiegend Hooligans, und etwa doppelt so
vielen Linksautonomen. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, die
rivalisierenden Gruppen auseinanderzuhalten. Es flogen Fäuste und
Flaschen, Journalisten gerieten zwischen die Fronten.
Lange vor 18 Uhr zeichnete sich im und am Hauptbahnhof ab, dass das
Demo-Verbot Dutzende Legida-Anhänger nicht davon abhalten würde, zum
Augustusplatz zu ziehen. Gegen 18.30 Uhr versammelten sich die Islam-
und Systemkritiker unter der Pergola vor der Oper, in Sicht- und
Hörweite einer der vier Gegendemonstrationen, die das Ordnungsamt vorab
genehmigt hatte. Die Partei "Die Partei" setzte am Mendebrunnen einmal
mehr auf den satirischen Protest, süffelte mit 250 Gleichgesinnten Bier
("Bier trinkt das Volk"), schwenkte Bananenrepublik-Fahnen und
skandierte "Wahrheitspresse, Wahrheitspresse!" Ein Redner stellte
zufrieden fest, "dass wir heute Abend die größte Demonstration in
Leipzig sind".
Doch der Spaß hatte bald ein Ende. Nachdem die Polizei zunächst
Platzverweise für Legida-Demonstranten ausgesprochen hatte, versuchten
Hooligans aus der Legida-Gruppe, an die Biertrinker heranzukommen,
wurden aber von der Polizei daran gehindert. Die Ordnungshüter - der
Freistaat hatte diesmal nur acht Hundertschaften bereitgestellt -
forderten die Rechtsextremen auf, ihre nicht genehmigte Zusammenkunft am
Augustusplatz zu beenden und den Rückweg zum Bahnhof anzutreten.
Andernfalls drohten bis zu 1000 Euro Ordnungsgeld. Eskortiert von
Polizei ging es durch die Goethestraße. Dann, gegen 19.15 Uhr, kam es
vor dem Hauptbahnhof zu Jagdszenen zwischen Autonomen und Hooligans. Die
Polizei zog zahlreiche Einheiten zur Verstärkung heran und trennte die
Lager durch ein massives Aufgebot. Viele Schaulustige und Angetrunkene
verfolgten das Ereignis. Die Lage beruhigte sich erst gegen 19.40 Uhr,
nachdem die Legida-Anhänger von der Polizei ins Innere des Bahnhofes
gedrängt waren. Dort wurden von den Islamkritikern, darunter rund ein
Drittel Hooligans, Personalien aufgenommen und Fotos geschossen. Diese
Identitätsfeststellungen zogen sich bis in die späten Abendstunden hin.
Gegen 21 Uhr lief der Straßenbahn- und Autoverkehr draußen wieder
störungsfrei.
Nach Informationen aus dem Führungsstab der Polizei wurden mehrere
Personen in Gewahrsam genommen, sowohl Legida-Anhänger als auch
Gegendemonstranten. Die Auseinandersetzungen forderten auch mehrere
Verletzte, darunter mindestens ein Polizeibeamter.
Vor den Handgreiflichkeiten hatten sich mehrere Hundert Leipziger mit
Kerzen auf den Weg durch die Innenstadt gemacht. Ihre Botschaft:
"Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt". Bei
nasskaltem Wetter zogen sie nach dem montäglichen Friedensgebet vom
Nikolaikirchhof durch die City und über Teile des Rings, traten für die
Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen sowie
weltanschaulichen Bekenntnisses ein. "Jedes Wort, das die Rechte von
Menschen verletzt, darf nicht in die Welt", sagte Pfarrer Enno Haaks,
Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werks, der das Friedensgebet geleitet
hatte.
Am späten Montagmittag war auf der Facebook-Seite von Legida eine
"Offizielle Erklärung zum Verbot unserer Veranstaltung" aufgetaucht.
"Das Orgateam Leipzig bereitet sich mit ganzer Kraft auf die nächste
Veranstaltung am 16. Februar vor", hieß es darin, von Rechtsmitteln
gegen das am Wochenende von der Stadt Leipzig verhängte Demo-Verbot war
keine Rede. Nur so viel: "Die juristischen Hintergründe werden wir in
den nächsten Tagen öffentlich verbreiten." Beim Verwaltungsgericht ging
bis zum Nachmittag kein Einspruch ein.
Einige Hundertschaften der Bundespolizei waren gestern dennoch im
Einsatz, um erneute Anschläge von mutmaßlichen Linksautonomen auf
Bahnanlagen zu verhindern. In den vergangenen Wochen hatten Vermummte
Kabel an Bahnstrecken zerschnitten, Sicherungskästen zerstört,
Signalanlagen sabotiert und Spangen an Gleisen angebracht, um die
Anreise zu Legida-Demos zu blockieren (die LVZ berichtete). Um das
gefährdete Streckennetz noch besser im Blick zu haben, hatte die
Bundespolizei auch zwei Hubschrauber in der Luft. Mehr als 300 Beamte
waren im Einsatz. "Wir haben denselben Kräfteeinsatz, den wir ohne das
Verbot der Legida-Demo geplant hatten", sagte Bundespolizei-Sprecherin
Yvonne Manger. Auch deshalb, weil Anhänger von Legida und des Netzwerks
HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) zu spontanen Treffen im Hauptbahnhof
aufgerufen hatten. Um die Lage besser kontrollieren zu können, wurden
deshalb einige Türen des Bahnhofsgebäudes verschlossen.
Schwerpunkt sei, rivalisierende Gruppierungen voneinander zu trennen,
so Manger. Deshalb hatte auch die Polizeidirektion Leipzig - statt
beantragter 31 Hundertschaften waren nur 800 Beamte im Einsatz -
zunächst den Hauptbahnhof im Blick, wie Behördensprecher Uwe Voigt
sagte. Zumal direkt vor der Tür, auf dem kleinen Willy-Brandt-Platz,
eine Kundgebung des Anti-Legida-Bündnisses "Leipzig nimmt Platz"
stattfinden sollte.