Mehrere Tausend Teilnehmer bei Pegida-Kundgebung / Künstler protestierte mit Gebetsteppichen
Von Christoph Springer und Nadine Steinmann
Dresden. Mehrere tausend Menschen sind gestern Abend in der
Landeshauptstadt Dresden dem Pegida-Aufruf gefolgt und zu einer
Kundgebung vor der Frauenkirche auf den Neumarkt gekommen. Es handelte
sich um das 14. Treffen der "Patriotischen Europäer gegen die
Islamisierung des Abendlandes" und die erste Kundgebung nach der
Pegida-Spaltung in den vergangenen zwei Wochen.
Die Polizei sprach am Abend von 2000 Teilnehmern, Beobachter schätzten
die Zahl auf etwa 3000. Deutlich mehr also als die 500 Menschen, die am
Sonntag dem Aufruf der Ex-Pegida-Vorstandsmitglieder Kathrin Oertel und
Rene Jahn zur Kundgebung am gleichen Ort gefolgt waren.
Zu erleben war auf dem Neumarkt gestern auch wieder Ex-Pegida-Chef Lutz
Bachmann. Er nahm als erster Redner das Mikrofon und wurde von den
Demonstranten laut jubelnd begrüßt. Bachmann ging auf die Gründe für
seinen Rücktritt ein. "Das war ein drei Jahre altes Foto mit einem
Bärtchen", beschrieb er seine öffentlich gewordene Hitlerpose. "Das war
einer der Gründe, weswegen ich zurückgetreten bin." Ein zweiter seien
"zum Teil bearbeitete und gekürzte" Screenshots aus einem "privaten
Chat" im Internet gewesen, "in denen ich einfach ein paar Worte benutzt
habe, die jeder von uns schon mal am Stammtisch benutzt hat",
rechtfertigte er sein Verhalten. Damit bezog er sich auf Äußerungen vom
September 2014. Damals bezeichnete Bachmann Asylbewerber als
"Dreckspack", "Viehzeug" und "Gelumpe". Daraufhin musste er den
Pegida-Chefsessel räumen. Seine Mitstreiter, darunter Kathrin Oertel und
Rene Jahn, distanzierten sich von Bachmanns Ausländerhetze, der
geschasste Pegida-Chef erklärte, er bereue seine Wortwahl.
Gestern war davon nicht mehr die Rede. Bachmann ist vielmehr davon
überzeugt, dass "diese sinnlosen Ermittlungen wegen angeblicher
Volksverhetzung gegen" ihn "absolut ins Leere laufen". "Das ist
Blödsinn", beschied er den Ermittlern.
Auf der Pegida-Bühne meldeten sich gestern in Dresden unter anderem
Tatjana Festerling, AfD-Gründungsmitglied aus Hamburg, und der gebürtige
Ravensburger und Verleger der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, zu Wort.
Festerling bezeichnete Politiker als "pöbelnde und pestende
Apparatschiks in den Parlamenten" und als "Verräter westlicher,
aufgeklärter Werke". Sie forderte eine "Volksgewerkschaft" anstelle von
Parteien.
Kubitschek, der am 21. Januar auch in Leipzig auftrat, berichtete von
"friedlichen" Legida-Anhängern in der Messestadt. "Dass wir die Polizei
brauchen, liegt einzig und allein an der linken Gewalt", ist er
überzeugt. "Linke Schlägertrupps haben den polizeilichen Notstand
herbeigeprügelt", sagte Kubitschek und warf Leipzigs Oberbürgermeister
Burkhard Jung (SPD) vor, vor linken Gewalttätern kapituliert zu haben.
Gegen Pegida gingen gestern in Dresden laut der Polizei rund 400
Menschen auf die Straße. Sie trafen sich unter dem Motto "für eine
weltoffene, tolerante und kunstvolle Stadt" auf dem Postplatz.
Nur wenige Stunden konnte gestern der Mannheimer Künstler Kurt
Fleckenstein (65) Interessenten seine spontane Kunstaktion auf dem
Dresdner Neumarkt erläutern. Diese bestand aus 175 muslimischen
Gebetsteppichen. Fleckenstein hatte sie am frühen Morgen ausgelegt. Am
späten Nachmittag, so der Künstler, seien Vertreter der Stadtverwaltung
Dresden erschienen, die "rabiat und ohne sich auszuweisen" die Teppiche
eingesammelt hätten. "Ich bin ein Künstler, der Meinungsfreiheit,
Religion und Demokratie schätzt", hatte er zuvor noch erklärt. Seine
Aktion sollte nur einen Tag lang stattfinden, um ein Zeichen gegen die
wöchentlichen Pegida-Demonstrationen zu setzen. Besonders gefreut hatte
er sich am Morgen noch über die Reaktionen der Öffentlichkeit und war
gespannt auch auf die der Pegida-Teilnehmer.
Doch dazu kam es nicht, denn die Teppiche mussten noch vor der
Pegida-Kundgebung verschwinden. "Die nicht genehmigte Sondernutzung
konnte nicht geduldet werden, da der Platz bereits für eine andere
Versammlung zugewiesen wurde", erklärte Stadtsprecher Kai Schulz.