Berliner Skandal-Moschee setzt einen radikalen Prediger vor die Tür
Von Jan Sternberg
Berlin. Die Al-Nur-Moschee ist ein grauer Bau im Neuköllner Gewerbegebiet. Von ferne rauscht die Stadtautobahn, gegenüber, auf dem Turm der Zigarettenfabrik, dreht sich der Marlboro-Mann. Der lang gestreckte Betsaal mit mintgrün gestrichenen Säulen bietet mehreren Hundert Gläubigen Platz. In der Freitagspredigt vor zwei Wochen sollte es um Tipps für eine gute Ehe gehen. Gastprediger Scheich Abdel Moez al-Eila zog gegenüber seinem Berliner Publikum heftig vom Leder. Zuerst klang es nach Chauvi-Stammtisch, was der ägyptische Prediger von sich gab: Natürlich entfache es die Leidenschaft des Mannes, wenn er auf der Straße wunderschönen Frauen hinterherschaue. Doch wenn der bedauernswerte Herr nach Hause komme, stehe er einem alten Drachen gegenüber, seinem angetrauten Weibe. Und was dann?
Nach all dem Macho-Mitleid kommt al-Eila zu den gottgefälligen Regeln
des Zusammenlebens. Und hier wird die Predigt zum Skandal. Für Berlins
Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) ist das, was dann folgte, "noch
nicht einmal in der späten Steinzeit zu verorten, geschweige denn im 21.
Jahrhundert". Al-Eilas Eheregeln machen die Frau zum rechtlosen Objekt:
Eine Frau darf das Haus nicht ohne Genehmigung des Mannes verlassen,
sie darf ohne seine Zustimmung keine Arbeit annehmen, und sie darf sich
ihm niemals verweigern. Selbst während der Periode habe der Mann das
Recht, "ihren ganzen Körper für seine Lust zu gebrauchen, wenn er nur
der Vagina fernbleibt". Nicht nur für Krömer ist das "eine Form des
Islams, die sicherlich nicht zu Deutschland gehört". Der Türkische Bund
Berlin-Brandenburg erstattete Strafanzeige gegen den Prediger wegen
des Verdachts der Beleidigung, der Volksverhetzung und der öffentlichen
Aufforderung zu Gewalttaten, also Vergewaltigung.
Gestern zog der Moscheeverein Konsequenzen: Al-Eila werde keine weiteren
Predigten halten, sagte Moscheevorstand Izzeldin Hammad dieser Zeitung.
Der Prediger sei zu Besuch aus Italien nach Berlin gekommen und habe in
der Al-Nur-Moschee gepredigt. Eine offizielle Einladung habe es nicht
gegeben. Al-Eila war seit Dezember in Neukölln aktiv, alle seine
Predigten, auch die letzte, hat die Moschee auf ihrem eigenen
Youtube-Kanal ins Internet gestellt. Angeklickt wurden sie indes kaum.
Welche Hetze der Imam dort auf Arabisch verbreitete, bekam die Berliner
Öffentlichkeit daher erst mit, als das in Washington ansässige
islamkritische Memri-Institut ein Video mit englischen Untertiteln ins
Netz stellte.
Der Verfassungsschutz scheint Al-Eila allerdings schon vorher beobachtet
zu haben: "In seinen vorangegangenen Predigten gab es keine
Anhaltspunkte für extremistische Äußerungen", teilt die Behörde mit.
"Erst mit der jetzigen Predigt können Al-Eila aufgrund seiner Äußerungen
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
nachgewiesen werden."
Es ist nicht das erste Mal, dass die Al-Nur-Moschee Schlagzeilen macht.
Im vergangenen Jahr bat der dänische Imam Abu Bilal Ismail Allah darum,
"alle Juden zu töten und keinen einzigen zu verschonen". Der frühere
Rapper Deso Dogg alias Dennis Cuspert, der jetzt in Syrien für den IS
kämpft, warb 2010 für Wochenendseminare an der Moschee und lud auch
seinen Kollegen Bushido in die Moschee. Der Berliner Verfassungsschutz
bezeichnet die Al-Nur-Moschee als einen der wichtigsten Treffpunkte für
Salafisten in Berlin. Kenner halten allerdings die Gemeinde der
As-Sahaba-Moschee im Stadtteil Wedding für noch radikaler und weit
gefährlicher. Verfassungsschützer sprechen von 620 Salafisten in der
Hauptstadt, gut die Hälfte sei gewaltbereit.