Verfassungsschutz beobachtet Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

von: Udo Kauß
 Die Beobachtung und Bespitzelung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten begegnet besonderer Aufmerksamkeit weil diese Berufsgeheimnisträger sind und sich ihre Stellung von der anderer Berufsgeheimnisträger wie etwa Ärztinnen und Ärzten unterscheidet. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte stehen per se im interessenbedingten Gegensatz zu staatlichen Institutionen wie Staatsanwaltschaften, Gerichten sowie Polizei- und Verfassungsschutzbehörden. Dies wird deutlich, wenn jemand einen Verteidiger benötigt und nicht an der Beantwortung der Frage vorbeikommt, ob man gut mit der Wahl einer Anwältin beraten ist, die selbst im Visier von Polizei oder Verfassungsschutz steht. 

Die Informationslage ist spärlich. Aber das, was bisher über die Bespitzelung von Anwältinnen und Anwälten bekanntgeworden ist, rechtfertigt die größten Befürchtungen, wie das Berliner Beispiel zeigt. Dort war 1990 bekanntgeworden, dass der Berliner Verfassungsschutz über 226 Rechtsanwälte und Referendare Akten führte, weil sie tun Angehörige des terroristischen Umfeldes gehalten wurden. Es genügte allein die Äußerung unbotmäßiger Meinungen. Als weitere Beispiele sind zu nennen: In den 1920er Jahren die Überwachung des »Terroristen-Anwalts« und späteren Bundesinnenministers Otto Schily und die Platzierung von Spitzeln in Rechtsanwaltsbüros. Oder in den 1960er Jahren die Überwachung des Rechtsanwaltes und Verteidigers in KPD-Prozessen, des SPD-Poklikers und späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Oder die 38 Jahre währende Überwachung des Rechtsanwalts Rolf Gössner aus Bremen (vgl. dazu Till Müller-Heidelberg in Grundrechte-Report 2012, S. 156ff.). 

Drei Fälle skizzieren die heutige Alltagnpraxis, einer aus Niedersachsen und zwei aus Baden-Württemberg. 

Speicherungsgrund Verteidigung von Atomkraftgegnern und einer Journalistin 

Der Göttinger Anwalt Sven Adam geriet in doppelter Weise in die Datenfänge des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Er ist der Rechtsvertreter der Rechtsextremismus-Expertin und Autorin Andrea Röpke, der aufgedeckt hat, dass der Verfassungsschutz die Auskunftsanfrage von Röpke unrichtig beantwortet hat, nämlich dass keine Daten über Frau Röpke gespeichert seien. Tatsächlich waren die Daten über Frau Röpke gelegentlich ihrer Anfrage gelöscht worden. Dieser Sachverhalt kam erst nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün in Niedersachsen 2013 an das Tageslicht. SPD-Innenminister Boris Pistorius wertete den Fall zutreffenderweise als eine bewusste Vertuschung und ging insoweit konform mit der Einschätzung von Adam, dass mit dem falschen Antwortschreiben die 6-jährige rechtswidrige Überwachung von Frau Röpke hatte vertuscht werden sollen. Dann erfuhr der »NDR«, dass nicht nur Frau Röpke, sondem auch ihr Anwalt Adam bespitzelt worden war. Der Innenminister hat zugesagt, dass nun die Datensätze aller rund 9000 in Niedersachsen vom Verfassungsschutz erfassten Personen überprüft werden sollen. 

Das Ergebnis bei Anwalt Adam: Erfassung der Teilnahme an einer Demonstration gegen die Abschiebung ausländischer Flüchtlinge (2005) und die Teilnahme an Demonstrationen gegen Rechts und an Anti-AKW-Protesten (2005-2011), bei denen Adam als Anwalt vor Ort anwaltlichen Beistand geleistet hat; selbst die anwaltliche Vertretung in Auskunftsverfahren gegenüber Polizei und Verfassungsschug wurde erfasst. Dies alles wird jetzt gelöscht. Was alles nicht gelöscht wird, darüber verweigert der Verfassungsschutz die Auskunft. Jetzt werden die Gerichte nachhelfen müssen. 

Speicherungsgrund Vortragstätigkeit 

Auf ihre Anfrage wurde Rechtsanwältin Angela Furmaniak 2009 vom Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, dass sie »im Zusammenhang mit linksextremistischen Bestrebungen aufgefallen« sei als »Teilnehmerin bei einer Veranstaltung der linksextremistischen >Rote Hilfe e.V < zum Thema >Biometrie in Ausweisdokumenten am 24.05.200S in Freiburg«. Weiterhin habe sie am 13. Oktober 2004 an »einer Veranstaltung der linksextremistischen Roten Hilfe e.V. in Freiburg zum sog. Berufsverbotsverfahren betreffs eines Aktivisten aus dem linken politischen Spektrum aus Heidelberg teilgenommen«. Wir erinnern uns: Hierbei handelt es sich um der Prozess des Michael Csaszkócy, in dem das gegen ihn verhängte Berufsverbot als Lehrer durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 2007 als klar rechtswidrig aufgehoben worden ist. Auf erneute Anfrage vier Jahre später, im Juni 2013, wusste der Verfassungsschutz schon den PKW-Typ der Rechtsanwältin und dessen Kennzeichen mitzuteilen. Sie sei in einer »von ca. 80 Personen des linksextremistischen Spektrums besuchten Gerichtsverhandlung gegen Vorstände des (integrativen und nicht beobachteten, d. Autor) Vereins >Schattenparker< am 10.03.2010 als Verteidigerin« aufgetreten. Und sie sei im Januar 2011 als Referentin des »linksextremistischen Netzwerks >Out of Control<« sowie im Juli 2012 als Referentin der Veranstaltung »Wer Weiß Was? Datensammelwut entgegentreten in Freiburg angekündigt worden. Weitere Auskünfte wurden verweigert. Der zwischenzeitlich eingeschaltete Landesdatenschutzbeauftragte konnte lediglich erreichen, dass der Hinweis auf die Tätigkeit als Verteidigerin aus der Speicherung vom 10. März 2010 gelöscht wurde. Auch hier werden nun die Gerichte weiterhelfen müssen. 

Speicherungsgrund Verteidigerbesuche u.a. 

Im Jahre 2009 wurde bekannt, dass in Freiburg die LIST (Linke Liste Solidarische Stadt, für die der Rechtsanwalt Michael Moos im Freiburger Gemeinderat sitzt) vom Verfassungsschutz beobachtet würde, weil es sich um einen »linksextremistisch beeinflussten lokalen Zusammenschluss« handele. Ein Listenmitglied sei maßgeblicher Funktionär der vom Verfassungsschutz beobachteten DKP, wie Moos damals in der »Badischen Zeitung« über seine Liste lesen konnte. Moos wünschte nun vom Verfassungsschutz Mitteilung der zu seiner Person gespeicherten Daten. In einem inzwischen 5-jährigen Tauziehen wurden die Konturen der Beobachtung des Rechtsanwalts durch den Verfassungsschutz des Landes offenbar: Moos war seit Beginn der 1970er Jahre, damals noch Student, bis Februar 2013 — und damit ganze 40 Jahre — Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz mit über 55 bisher überwiegend geheim gehaltenen Notierungen. Im darauf angestrengten verwaltungsgerichtlichen Prozess wurden einige weitere Auskünfte erteilt, darunter erstaunlichste 11 Notierungen von Verteidigerbesuchen bei einem der terroristischen Szene zugerechneten Gefangenen. Erklärung des Amtes: »Bei Strafgefangenen mit Kontakt zur RAF« würden Verteidigerbesuche »routinemäßig dokumentierte«. Das im dritten Jahr befindliche Gerichtsverfahren auf Erteilung vollständiger Auskunft nimmt dabei recht burleske Formen an, das Amt zeigt beispielsweise eine sehr eigene Auffassung von Aktenführung. Bei der Kontrolle hatte man dem Datenschutzbeauftragten erklärt, dass ihn interessierende Akten bereits an das Landmarchiv gegeben worden seien. Nun, im August 2013, stellte sich heraus, dass diese Vorgänge keineswegs beim Landesarchiv, sondern zum Zeitpunkt der Kontrolle im »Geschäftsverlauf« innerhalb des Hauses gewesen waren. Als das Gericht die vollständige Verwaltungsakte über den Rechtsanwalt sehen wollte, wurde eine 33-seitige Sperrerklärung des Innenministeriums vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2013 räumte der Vertreter des Verfassungsschutzes auf gerichtliche Nachfrage ein, dass dem Innenministerium dazu nur eine kurze ... (der Rest fehlt)