"Höchste Sollstärke"

Erstveröffentlicht: 
31.01.2015

Jung in Sorge wegen wachsender Gewalt, doch Tillich lehnt Aufstockung der Polizeikräfte ab

 

Von Andreas Dunte


Leipzigs Polizei wird nicht personell aufgestockt. Einer eindringlichen Bitte von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) kommt das Land nicht nach. In einem Antwortschreiben an Jung, das der LVZ vorliegt, teilt Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) mit, dass es in der Messestadt keine spezifische Gefährdungslage gebe.


Jung reagierte darauf gestern sehr verärgert. "Diesen Standpunkt kann ich nicht nachvollziehen", empörte er sich. Es sei höchst unverständlich, denn er habe Tillich die besondere Lage der Kommune geschildert. Leipzig wachse und entwickele sich wirtschaftlich und kulturell äußerst gut. Von dieser positiven Entwicklung grenze sich allerdings eine im politischen Raum agierende extremistische Szene ab. Diese sei gewaltbereit, müsse für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durchaus als gefährlich angesehen werden, heißt es im Brief an Tillich. Für eine Stadt mit mehr als 550000 Einwohnern reiche die Zahl der Polizeikräfte nicht aus, schreibt Jung weiter und verweist auf die Ereignisse rund um die jüngsten Demos und auf Übergriffe auf Polizeistationen. Bei den Vorkommnissen in den Abendstunden des 15. Januar, als Hunderte Autonome durch die Straßen zogen und eine Spur der Verwüstung hinterließen, habe es Stunden gedauert, bis von auswärts angeforderte Polizeikräfte dem Spuk ein Ende bereitet hätten. Das zeige, dass der Stadt "dauerhaft zu wenig Polizeikräfte zur Verfügung stehen, um jederzeit entsprechend handlungsfähig zu sein", argumentierte der OBM.


Auch Tillich zeigte sich entsetzt. In seinem Brief an Jung nennt er die nächtlichen Ausschreitungen und die Anschläge "völlig inakzeptabel", glaubt aber, dass der vom Land verhängte Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei ausreiche. "Die sächsische Polizei ist generell gut aufgestellt." Zwischen den fünf Polizeidirektionen werde das Personal belastungsorientiert verteilt. Leipzig - am stärksten von allen Direktionen belastet - verfüge auch über die "höchste Sollstärke", ist "überdurchschnittlich gut ausgestattet".


Ferner blickte Tillich in die Kriminalitätsstatistik. Vergleichbare Städte wie Hannover, Düsseldorf oder Frankfurt/Main stünden schlechter da als Leipzig. Im Vergleich aller 39 Kommunen ab 200000 Einwohner befände sich Leipzig an achter Stelle. Der Ministerpräsident sieht also kein "Alleinstellungsmerkmal", das eine Aufstockung der Kräfte rechtfertigen würde.