Von Moritz Krauß: Ich wurde am Abend des Kessels von einer betroffenen Person zur Feinkost gerufen und war schockiert und wütend bei dem Anblick der eingekesselten Personengruppe. Dazu muss ich sagen, dass ich schon in anderen Bundesländern sowohl Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet habe und auch schon viele spontane Demonstrationen besucht habe. Ich habe noch nie erlebt, dass derart viele Mobiltelefone beschlagnahmt wurden und halte dies für einen schweren Eingriff in die Privatsphäre der Teilnehmenden und einen Einschüchterungsversuch.
Sich aus spontanem Anlass, dem bisher unaufgeklärten Mord an einem
Asylbewerber am Abend einer Pegida Veranstaltung in Dresden und den
merkwürdigen Umständen der verschleppten Ermittlung, zu versammeln ist
eine normale und zu würdigende Angelegenheit. Eine spontane
Demonstration ist auch eine Demonstration, die durch das Grundgesetz
geschützt ist. Meistens wird bei einer solchen Größe durch die Polizei
gemeinsam nach einer Anmelderin oder einem Anmelder gesucht und die
Demonstration zu Ende geführt. Den Schilderung vieler Teilnehmenden nach
war dies am besagten Abend nicht möglich, wahrscheinlich auch auf Grund
der Polizeitaktik. Wenn aus einer solchen Demonstration einzelne
Scheiben einwerfen, ist das für mich kein ausreichender Grund die
Grundrechte aller anderen außer Kraft zu setzen.
Hier wurden 204 junge Menschen für mehrere Stunden ohne Getränke und
Toiletten einzeln an die Wand des Aldiparkplatz gestellt, fotografiert,
durchsucht und gedemütigt. Es reichte nicht, dass diese Maßnahmen
durchgeführt wurden - nein die kleine Gruppe männlicher Bundespolizisten
aus Potsdam an dem südlichen Ausgang vom Parkplatz witzelte, ob des
Aussehens der Teilnehmer*innen und war eifrig damit beschäftigt immer
wieder Trommelwirbel nachzumachen oder den unterkühlten und
traumatisierten jungen Frauen beim Verlassen des Kessels auf den Hintern
zu starren. Auch wenn sie in der Kaserne nur "Koopertest" und
"Hantelbank" kennen, rechtfertigt das nicht ein solches Verhalten.
Vielleicht sollte in der betroffenen Kaserne mal über Feingefühl und
Geschlechterrollen gesprochen werden.
Am selben Abend jährte sich übrigens zum 25. mal die Stürmung der
Stasi-Zentrale, als Bürgerinnen und Bürgen keine Lust mehr auf
Überwachung und Bespitzelung hatten. Dabei gingen sicher auch Scheiben
zu Bruch. Unvorstellbar ist es hingegen, dass in 25 Jahren gefeiert
werden wird, dass sich all jene auflehnten, die keine Lust mehr hatten
auf die Arbeit des Verfassungsschutz, die Einschränkung der Grundrechte
und unaufgeklärte Morde mit scheinbar rechtsextremen Hintergrund. Junge
Menschen gehen auf die Straße und wehren sich gegen ein Systematik, die
es auch schon in der DDR gegeben hat: Staatliche Unterdrückung.
Doch mir bleibt ein wenig Hoffnung, dass der Widerstand von heute in ein
paar Jahren dafür sorgen wird, dass sich die Menschen Fragen werden:
Warum haben wir nichts gegen diesen Rassismus in der Gesellschaft getan,
obwohl es Leute gab, die sich dagegen gewehrt und uns darauf
hingewiesen haben. Jetzt regen sich sicher einige selbst darüber auf,
was ich schreibe. Doch dafür gibt es schon eine bekannte Zeile:
"Menschen sterben, und ihr schweigt -. Scheiben klirren, und ihr
schreit!"