Leserbrief zu Quer durch Zentrum und Südvorstadt: Randalieren, demonstrieren, kapitulieren

Erstveröffentlicht: 
20.01.2015

Von Moritz Krauß: Ich wurde am Abend des Kessels von einer betroffenen Person zur Feinkost gerufen und war schockiert und wütend bei dem Anblick der eingekesselten Personengruppe. Dazu muss ich sagen, dass ich schon in anderen Bundesländern sowohl Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet habe und auch schon viele spontane Demonstrationen besucht habe. Ich habe noch nie erlebt, dass derart viele Mobiltelefone beschlagnahmt wurden und halte dies für einen schweren Eingriff in die Privatsphäre der Teilnehmenden und einen Einschüchterungsversuch.

 

Sich aus spontanem Anlass, dem bisher unaufgeklärten Mord an einem Asylbewerber am Abend einer Pegida Veranstaltung in Dresden und den merkwürdigen Umständen der verschleppten Ermittlung, zu versammeln ist eine normale und zu würdigende Angelegenheit. Eine spontane Demonstration ist auch eine Demonstration, die durch das Grundgesetz geschützt ist. Meistens wird bei einer solchen Größe durch die Polizei gemeinsam nach einer Anmelderin oder einem Anmelder gesucht und die Demonstration zu Ende geführt. Den Schilderung vieler Teilnehmenden nach war dies am besagten Abend nicht möglich, wahrscheinlich auch auf Grund der Polizeitaktik. Wenn aus einer solchen Demonstration einzelne Scheiben einwerfen, ist das für mich kein ausreichender Grund die Grundrechte aller anderen außer Kraft zu setzen.

Hier wurden 204 junge Menschen für mehrere Stunden ohne Getränke und Toiletten einzeln an die Wand des Aldiparkplatz gestellt, fotografiert, durchsucht und gedemütigt. Es reichte nicht, dass diese Maßnahmen durchgeführt wurden - nein die kleine Gruppe männlicher Bundespolizisten aus Potsdam an dem südlichen Ausgang vom Parkplatz witzelte, ob des Aussehens der Teilnehmer*innen und war eifrig damit beschäftigt immer wieder Trommelwirbel nachzumachen oder den unterkühlten und traumatisierten jungen Frauen beim Verlassen des Kessels auf den Hintern zu starren. Auch wenn sie in der Kaserne nur "Koopertest" und "Hantelbank" kennen, rechtfertigt das nicht ein solches Verhalten. Vielleicht sollte in der betroffenen Kaserne mal über Feingefühl und Geschlechterrollen gesprochen werden.

Am selben Abend jährte sich übrigens zum 25. mal die Stürmung der Stasi-Zentrale, als Bürgerinnen und Bürgen keine Lust mehr auf Überwachung und Bespitzelung hatten. Dabei gingen sicher auch Scheiben zu Bruch. Unvorstellbar ist es hingegen, dass in 25 Jahren gefeiert werden wird, dass sich all jene auflehnten, die keine Lust mehr hatten auf die Arbeit des Verfassungsschutz, die Einschränkung der Grundrechte und unaufgeklärte Morde mit scheinbar rechtsextremen Hintergrund. Junge Menschen gehen auf die Straße und wehren sich gegen ein Systematik, die es auch schon in der DDR gegeben hat: Staatliche Unterdrückung.

Doch mir bleibt ein wenig Hoffnung, dass der Widerstand von heute in ein paar Jahren dafür sorgen wird, dass sich die Menschen Fragen werden: Warum haben wir nichts gegen diesen Rassismus in der Gesellschaft getan, obwohl es Leute gab, die sich dagegen gewehrt und uns darauf hingewiesen haben. Jetzt regen sich sicher einige selbst darüber auf, was ich schreibe. Doch dafür gibt es schon eine bekannte Zeile: "Menschen sterben, und ihr schweigt -. Scheiben klirren, und ihr schreit!"