Demonstranten fordern Mord-Aufklärung / Flüchtlingsrat berichtet von zunehmenden Anfeindungen
Von Tanja Tröger und Christiane Raatz
Dresden. "Ich bin Khaled!" stand auf vielen Schildern geschrieben. Ein
junges Mädchen hielt weiße Rosen in der Hand und spricht von Mitgefühl.
Ein älteres Ehepaar zeigte sich zufrieden, dass so viele Demonstranten
gekommen waren. Der Fall Khaled hat die ohnehin aufgewühlte Stadt
erschüttert. Rund 3500 Migranten und Dresdner kamen am Sonnabend, um des
ermordeten Flüchtlings Khaled I. zu gedenken. Sie forderten die
lückenlose Aufklärung der Todesumstände und die Bestrafung des oder der
Schuldigen. Zudem müssten Rechte und Sicherheit von Flüchtlingen
gewährleistet werden.
Bislang ist unklar, warum der 20-Jährige aus Eritrea, der erst vor vier
Monaten nach Deutschland gekommen war, umgebracht wurde. Viele der
Demonstranten befürchteten, dass die Tat einen fremdenfeindlichen
Hintergrund haben könnte. Einige Redner äußerten ihre Besorgnis, dass
der Mord - ähnlich wie bei den Tötungen durch den NSU - möglicherweise
nicht als rassistisch motiviert erkannt werde. Und: Dresden habe ein
Problem mit Rassismus.
"Ich hoffe, auf ein klares Ergebnis der Ermittlungen und die
Gerechtigkeit", sagte Ali Moradi, der Geschäftsführer des Sächsischen
Flüchtlingsrats. Moradi beschrieb die Angst der Ausländer in der Stadt.
Schon die islamfeindlichen Pegida-Märsche verfolgten sie mit Argwohn.
"Sie haben Angst, egal ob sie einen deutschen Pass oder einen
Flüchtlingsausweis in der Tasche haben." Fremdenfeindlichkeit habe es
vor Pegida auch schon gegeben - in ganz Sachsen. "Aber jetzt ist es
unerträglich", so Moradi, "seit das mit Pegida angefangen hat, werden
Ausländer beschimpft und teilweise sogar angespuckt. Anders aussehende
Menschen sind hier nicht willkommen."
Der Ausländerrat Dresden berichtete von Musliminnen, die sich mit
Kopftuch kaum noch auf die Straße trauen. "Wir dürfen nicht zulassen,
dass Menschen, die bei uns Schutz suchen und ein Recht darauf haben,
sich unsicher und verängstigt fühlen", sagte eine Sprecherin.
Bei der Auftaktkundgebung hatte auch die Ausländerbeauftragte der Stadt
Dresden, Kristina Winkler, gesprochen: "Wir alle stehen in der
Verantwortung, die Schwächsten der Gesellschaft zu integrieren und zu
schützen." Es sei ein Armutszeugnis für Dresden, dass Flüchtlinge hier
Angst haben müssten. Unter den Demonstranten waren auch Stadt- und
Landräte sowie Vertreter des Staatsschauspiels.
Nach einer Schweigeminute für Khaled I. setzte sich der
Demonstrationszug in Richtung Altstadt in Bewegung. Die an der Spitze
marschierenden Eritreer fragten immer wieder laut und eindringlich: "Who
killed Khaled?" (Wer hat Khaled umgebracht?). Außerdem riefen sie "No
space for Racism" (kein Platz für Rassismus) und "Walk together"
(gemeinsam laufen). Insgesamt zogen Tausende Menschen friedlich von der
Neustadt über die Carolabrücke zum Polizeipräsidium, weiter zur
Frauenkirche und zum Landtag.
Der 20-jährige Khaled I. aus dem nordafrikanischen Eritrea war am
Dienstagmorgen tot neben dem Wohnhaus im Plattenbau-Viertel
Leubnitz-Neuostra gefunden worden, in dem er mit sieben weiteren
Asylbewerbern in einer Wohngemeinschaft lebte. Nachdem die Polizei
zunächst mitteilte, dass sie keinerlei Anzeichen für Fremdeinwirkung
habe feststellen können, wurden bei der Obduktion etliche Messerstiche
in Hals und Brust entdeckt, an denen der junge Mann verstorben war.
Unterdessen hat der innenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag,
Volker Beck, seine Strafanzeige gegen die Dresdner Ermittlungsbehörden
im Fall des getöteten Asylbewerbers verteidigt. "Wenn es Fehler gab,
müssen sie analysiert werden. Wir müssen feststellen, wer dafür
verantwortlich ist, und die Fehler für die Zukunft abstellen", machte
Beck im WDR klar. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte die
Strafanzeige als nicht hilfreich bei der Aufklärung bezeichnet. Der
Grünen-Politiker Beck sagte dazu dem Sender: "Das klingt ein bisschen
nach Vertuschen." Becks Anzeige richtet sich gegen unbekannt wegen
möglicher Strafvereitelung im Amt.