Tausende Dresdner ehren erstochenen Asylbewerber

Erstveröffentlicht: 
19.01.2015

Demonstranten fordern Mord-Aufklärung / Flüchtlingsrat berichtet von zunehmenden Anfeindungen

Von Tanja Tröger und Christiane Raatz


Dresden. "Ich bin Khaled!" stand auf vielen Schildern geschrieben. Ein junges Mädchen hielt weiße Rosen in der Hand und spricht von Mitgefühl. Ein älteres Ehepaar zeigte sich zufrieden, dass so viele Demonstranten gekommen waren. Der Fall Khaled hat die ohnehin aufgewühlte Stadt erschüttert. Rund 3500 Migranten und Dresdner kamen am Sonnabend, um des ermordeten Flüchtlings Khaled I. zu gedenken. Sie forderten die lückenlose Aufklärung der Todesumstände und die Bestrafung des oder der Schuldigen. Zudem müssten Rechte und Sicherheit von Flüchtlingen gewährleistet werden.


Bislang ist unklar, warum der 20-Jährige aus Eritrea, der erst vor vier Monaten nach Deutschland gekommen war, umgebracht wurde. Viele der Demonstranten befürchteten, dass die Tat einen fremdenfeindlichen Hintergrund haben könnte. Einige Redner äußerten ihre Besorgnis, dass der Mord - ähnlich wie bei den Tötungen durch den NSU - möglicherweise nicht als rassistisch motiviert erkannt werde. Und: Dresden habe ein Problem mit Rassismus.


"Ich hoffe, auf ein klares Ergebnis der Ermittlungen und die Gerechtigkeit", sagte Ali Moradi, der Geschäftsführer des Sächsischen Flüchtlingsrats. Moradi beschrieb die Angst der Ausländer in der Stadt. Schon die islamfeindlichen Pegida-Märsche verfolgten sie mit Argwohn. "Sie haben Angst, egal ob sie einen deutschen Pass oder einen Flüchtlingsausweis in der Tasche haben." Fremdenfeindlichkeit habe es vor Pegida auch schon gegeben - in ganz Sachsen. "Aber jetzt ist es unerträglich", so Moradi, "seit das mit Pegida angefangen hat, werden Ausländer beschimpft und teilweise sogar angespuckt. Anders aussehende Menschen sind hier nicht willkommen."


Der Ausländerrat Dresden berichtete von Musliminnen, die sich mit Kopftuch kaum noch auf die Straße trauen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen, die bei uns Schutz suchen und ein Recht darauf haben, sich unsicher und verängstigt fühlen", sagte eine Sprecherin.


Bei der Auftaktkundgebung hatte auch die Ausländerbeauftragte der Stadt Dresden, Kristina Winkler, gesprochen: "Wir alle stehen in der Verantwortung, die Schwächsten der Gesellschaft zu integrieren und zu schützen." Es sei ein Armutszeugnis für Dresden, dass Flüchtlinge hier Angst haben müssten. Unter den Demonstranten waren auch Stadt- und Landräte sowie Vertreter des Staatsschauspiels.


Nach einer Schweigeminute für Khaled I. setzte sich der Demonstrationszug in Richtung Altstadt in Bewegung. Die an der Spitze marschierenden Eritreer fragten immer wieder laut und eindringlich: "Who killed Khaled?" (Wer hat Khaled umgebracht?). Außerdem riefen sie "No space for Racism" (kein Platz für Rassismus) und "Walk together" (gemeinsam laufen). Insgesamt zogen Tausende Menschen friedlich von der Neustadt über die Carolabrücke zum Polizeipräsidium, weiter zur Frauenkirche und zum Landtag.


Der 20-jährige Khaled I. aus dem nordafrikanischen Eritrea war am Dienstagmorgen tot neben dem Wohnhaus im Plattenbau-Viertel Leubnitz-Neuostra gefunden worden, in dem er mit sieben weiteren Asylbewerbern in einer Wohngemeinschaft lebte. Nachdem die Polizei zunächst mitteilte, dass sie keinerlei Anzeichen für Fremdeinwirkung habe feststellen können, wurden bei der Obduktion etliche Messerstiche in Hals und Brust entdeckt, an denen der junge Mann verstorben war.


Unterdessen hat der innenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, seine Strafanzeige gegen die Dresdner Ermittlungsbehörden im Fall des getöteten Asylbewerbers verteidigt. "Wenn es Fehler gab, müssen sie analysiert werden. Wir müssen feststellen, wer dafür verantwortlich ist, und die Fehler für die Zukunft abstellen", machte Beck im WDR klar. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte die Strafanzeige als nicht hilfreich bei der Aufklärung bezeichnet. Der Grünen-Politiker Beck sagte dazu dem Sender: "Das klingt ein bisschen nach Vertuschen." Becks Anzeige richtet sich gegen unbekannt wegen möglicher Strafvereitelung im Amt.