Schock in Leipzig: Linksradikale hinterlassen Spur der Verwüstung

Erstveröffentlicht: 
17.01.2015

Mehrere Zehntausend Euro Schaden in der Stadt Gegen rund 200 Autonome wird jetzt ermittelt Polizei richtet Kontrollbereich in Connewitz ein

Von Frank Döring


Leipzig. Leipzigs linksextreme Szene macht ernst: Eine Woche nach dem Anschlag auf den Polizeiposten im Stadtteil Connewitz wüteten am Donnerstagabend Hunderte Autonome im Zentrum und der Südvorstadt. Zunächst unbehelligt griffen die Chaoten Gerichtsgebäude, Banken und Geschäfte an, demolierten Autos und rissen Verkehrsschilder heraus. Die Polizei konnte nicht sofort eingreifen, weil zunächst keine geschlossenen Einheiten verfügbar waren.

 

"Wir stehen in Leipzig vor einem polizeilichen Notstand", sagte gestern der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Hagen Husgen, der Leipziger Volkszeitung.


Gegen 20 Uhr nahm das Unheil seinen Lauf: In der Beethovenstraße formierte sich der Aufmarsch, mehr als 600 Autonome zogen dann durch die Innenstadt, bevor es wieder zurück in Richtung Süden ging. Allein am Amtsgericht in der Bernhard-Göring-Straße - es steht auf einer Liste mit 50 Anschlagszielen, die Mitte Dezember von Linksextremen veröffentlicht worden war - gingen 40 Fensterscheiben zu Bruch. "Als Zeichen militanter Solidarität", wie es in einem Bekennerschreiben heißt. Die anrückende Polizei wurde von den Vermummten massiv attackiert, mit Pflastersteinen wurden die Scheiben von drei Einsatzwagen zerstört. Die Insassen hatten Glück, blieben unverletzt.


An der Ecke Karl-Liebknecht-Straße/Braustraße kesselte die Polizei den harten Kern der Chaoten gegen 21.15 Uhr ein. Die angeforderte Verstärkung war eingetroffen - Einheiten aus Dresden und Zwickau, aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt sowie von der Bundespolizei. Zunächst hatte der Führungsstab in der Polizeidirektion lediglich alle verfügbaren Revierkräfte zusammenziehen können, so Behördensprecher Andreas Loepki. Auch das Spezialeinsatzkommando (SEK) war angefordert worden.


Bis in die Nacht hinein nahm die Polizei von 204 Verdächtigen die Personalien auf. Gegen sie wird wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt. Alle wurden fotografiert. Außerdem kassierten die Beamten mehrere Dutzend Handys ein - neben Fotos und Videos könnten auch Standortdaten bei den Ermittlungen helfen. Ein Leipziger (30) und ein Markkleeberger (26) wurden vorläufig festgenommen, gegen sie liegen bereits konkrete Verdachtsmomente vor. Die Polizei beziffert den Gesamtschaden auf mehrere Zehntausend Euro.


Als Anlass für die Gewaltorgie musste der Tod des Asylbewerbers Khaled herhalten. Der 20-Jährige war in Dresden erstochen worden, die Umstände sind ungeklärt. Gleichwohl trommeln Linksradikale im Internet: "Rache für Khaled! Rassisten und Staat angreifen! Überall!" Auf der linksextremistischen Internetplattform Indymedia heißt es: Die Leipziger Demo "trug den Zorn über den Mord an Khaled sowie die anhaltende rassistische Mobilmachung seitens Legida und Pegida, sowie der Bundesregierung auf die Straße."


Polizeisprecher Loepki rechnet mit weiteren gewalttätigen Aktionen von Autonomen. Erste Reaktion: Nach dem Anschlag auf den Polizeiposten wurde in Connewitz ein Kontrollbereich eingerichtet. Damit ist es möglich, verdächtige Personen schneller als bisher zu überprüfen.

 

 


 

Leitartikel Von Klaus Staeubert 

 

Autonome spielen Legida in die Hände


Leipzig steht unter Schock. Die Ereignisse vom Donnerstagabend, an dem sich 600 Autonome auf den Weg machten, den Tod des in Dresden mutmaßlich ermordeten Asylbewerbers Khaled zu rächen, liegen wie ein Schatten über der sonst so frischen, lebensbejahenden, pulsierenden Stadt. Mit Meinungsäußerung hat ihr Gewaltausbruch nichts zu tun. Es waren vermummte Kriminelle, die da marodierend umherzogen, Schneisen der Verwüstung hinterließen, Angst in der Bürgerschaft schürten. Dass ausgerechnet hier, wo vor 25 Jahren Zehntausende Menschen durch ihren friedlichen Protest ein ganzes System wegfegten, solche Exzesse passieren, ist besonders bitter.


250 bis 300 Personen zählt der sächsische Verfassungsschutz zum Kern der linksextremen Szene in Leipzig. Gut vernetzt, strukturiert und im Straßenkampf erprobt, können sie binnen Stunden Hunderte Anhänger mobilisieren. So wie vorgestern. Oder vor einer Woche, als eine Meute Vermummter den Polizeiposten in der Wiedebach-Passage angriff. Oder vor einem halben Jahr, als ein wütender Mob mit Pflastersteinen bewaffnet Teile von Plagwitz in ein Schlachtfeld verwandelte.


Bleibt die Frage: Warum gelang es dieser Szene, sich gerade in der Stadt der Friedlichen Revolution so zu etablieren? Nur ein Großstadt-Phänomen? Natürlich haben auch Berlin und Hamburg ein Problem mit gewalttätigen Anarchos. In Leipzig aber fanden jene, die abseits gesellschaftlicher Normen und Werte stehen, nicht nur ihre Nische, sondern ein politisches Klima, in dem sie wachsen konnten. Als vor Jahren Neonazis mit ihren Aufmärschen der Stadt einen braunen Stempel aufzudrücken versuchten, waren es gerade Autonome, die sich den Ewiggestrigen in den Weg stellten, sie stoppten und physisch angriffen. Ganz nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Eine klare Abgrenzung von derlei Methoden blieb besonders im linken politischen Lager oft aus.


Dieser Kuschelkurs hat die Leipziger Autonomen stark und nun in Teilen unberechenbar gemacht. Wer Massen-Schneeballschlachten in Connewitz als lustige Folklore bagatellisiert, selbst dann, wenn Wurfgeschosse mit Glasscherben gespickt sind, muss sich nicht wundern, wenn eines Tages Menschen verletzt, Polizei und Gerichte angegriffen und Barrikaden errichtet werden.


Dem islamkritischen Bündnis Legida spielen die Linksradikalen damit in die Hände. Längst geht es den selbst ernannten Rettern des Abendlandes um mehr. Sie stellen das bestehende politische System in Frage. Den 35000 Menschen, die am Montag dagegen auf die Straße gingen, erweisen die Autonomen einen Bärendienst. Sie konterkarieren deren Ideale einer freien, weltoffenen und toleranten Gesellschaft. Sie radikalisieren Hools und Rechtsextreme unter den Legida-Anhängern und sorgen dafür, dass viele Menschen, die die Ziele der Legida ablehnen, aus Angst vor Randale künftig zu Hause bleiben werden.


k.staeubert@lvz.de