Leipzig. Zerstörte Fensterscheiben, demolierte Polizeifahrzeuge und Graffiti an Gerichtsgebäuden: Nach den Randalen am Donnerstagabend in Leipzig ist im Internet ein Bekennerschreiben aus der linken Szene aufgetaucht. Die von Ausschreitungen begleitete Spontandemo mit mindestens 600 bis 800 Teilnehmern wird dort als Reaktion auf den gewaltsamen Tod des Asylbewerbers Khaled I. in Dresden begründet. Die Polizei ermittelt inzwischen wegen schweren Landfriedensbruchs. Die Initiatoren der NoLegida-Proteste sowie Politiker aller Parteien reagierten am Freitag wütend bis enttäuscht.
Drei Tatverdächtige waren am Donnerstagabend vorläufig festgenommen worden, nachdem die Polizei 204 teilweise vermummte Teilnehmer der Demo am Feinkost-Gelände in der Karl-Liebknecht-Straße einkesseln konnte. Wie Polizeisprecher Andreas Loepki am Freitag gegenüber LVZ-Online bestätigte, wurden dabei auch alle Handys beschlagnahmt. Die Ermittler versprechen sich davon, unter anderem Video- und Fotoaufnahmen von den Randalen zu finden. "Das sind Beweismittel, die im Zuge der Strafverfolgung ausgewertet werden", erklärte Loepki.
Demo sollte „Zorn auf die Straße“ tragen
Zuvor
hatten die Chaoten ab 20 Uhr eine Spur der Verwüstung vom Musikviertel
über den Dittrichring und den Augustusplatz in der City bis in die
Südvorstadt gezogen. Allein am Amtsgericht in der Bernhard-Göring-Straße
wurden rund 40 Fenster eingeworfen, Verkehrsschilder am Augustusplatz
herausgerissen, Polizeiautos mit Steinen beworfen sowie Feuerwerkskörper
gezündet. Auch am Trias-Hochhaus am Dittrichring sowie einem
Friseurgeschäft nebenan wurden Schreiben zerstört. Der Schaden dürfte in
die Zehntausende Euro gehen.
„Die Demo war laut und kraftvoll. Sie trug den Zorn über den Mord an
Khaled sowie die anhaltende rassistische Mobilmachung Legida und Pegida
sowie der Bundesregierung auf die Straße“, brüsteten sich die Verfasser
eines anonymen Schreiben noch in der Nacht mit der Aktion. Sie bekannten
sich auf dem linken Internetportal Indymedia sowohl zu den Graffiti und
den „Entglasungen“ am Amtsgericht als auch zum Angriff auf Polizisten.
„Anrückende Bullenfahrzeuge wurden mit Steinangriffen vertrieben“, hieß
es. Die Polizei hält das Schreiben für authentisch.
Doch mit den
Ausschreitungen identifizierten sich offenbar nicht alle der anfangs
500, später nach eigenen Angaben 1200 Teilnehmer des unangemeldeten
Protestmarsches. „Auf der Demo war diese Art des politischen Ausdrucks
nicht allen Menschen recht – manche verließen sie daher frühzeitig“,
berichten die mutmaßlichen Initiatoren bei Indymedia. Aus der Menge
waren zuvor Sprechchöre wie „Nationalismus raus aus den Köpfen“ gerufen
worden, die häufig auf linken Demonstrationen, aber auch am Montag beim
Protest gegen den Legida-Aufmarsch zu hören waren.
Graffiti mit Bezug zu Legida und Pegida
Am Bundesverwaltungsgericht und am Augustusplatz hinterließen die
Randalierer auch Graffiti mit dem Namen des Flüchtlings und dem Zusatz
"das war Mord". Zudem gab es Schriftzüge gegen den dort
am Mittwoch geplanten Legida-Aufzug.
An das Landgericht in der Harkortstraße wurden die Aufschriften „No
Nazis“ sowie „ACAB“ gesprüht. Im weiteren Bereich des Simsonplatzes
stellte die Polizei unter anderem auch Schriftzüge „Stoppt PEGIDA",
„ANTIFA“ und „Stoppt Deportation“ fest. Ziel der Demonstranten war
möglicherweise das Connewitzer Kreuz – doch dort kamen sie nicht mehr
an.
Die Polizei hatte noch am Abend einen Führungsstab
eingerichtet und Unterstützung aus Dresden, Chemnitz sowie
Sachsen-Anhalt und Brandenburg angefordert. Im Einsatz waren mehrere
Hundertschaften. Auch das SEK wurde nach Informationen von LVZ-Online
aus Vorsichtsgründen alarmiert. Mit zwei Polizeiketten und mehreren
Fahrzeugen umstellten die Einsatzkräfte die Demonstranten gegen 21.20
Uhr schließlich in der Braustraße an der Feinkost. Anschließend wurden
die Personalien der Teilnehmer aufgenommen und diese durchsucht. Die
Aktion dauerte bis in die frühen Morgenstunden an. Die Polizei hatte in
der Zwischenzeit eine Umzäunung errichtet und die Straße komplett
abgeriegelt, so dass keine Personen hinein oder hinaus kamen.
Bezug zu Anschlagsaufruf im Dezember
Erst vor gut einer Woche war es
am Polizeiposten in Leipzig-Connewitz zu einem Anschlag gekommen.
Rund 50 Autonome hatten die Fassade der Außenstelle in der
Wiedebach-Passage mit Steinen und Farbbeuteln beworfen. Auch ein
Polizeiauto wurde dabei angezündet. Später war ebenfalls im Internet ein
Bekennerschreiben aus der linksextremen Szene aufgetaucht und Bezug auf
den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh 2005 in Dessau genommen worden.
Ob
die Ausschreitungen vom Donnerstag auch mit diesem Anschlag in
Verbindung stehen, wird nun ermittelt. Ein Zumindest ein Zusammenhang zu
einem
Aufruf zu Anschlägen auf 50 Ziele im gesamten Stadtgebiet,
der im Dezember im Internet aufgetaucht war, ist laut Polizeisprecher
Loepki "nicht von der Hand zu weisen". Auf der Liste hatte sich unter
anderem auch das Amtsgericht befunden.