Vier Verdächtige waren nach dem Angriff dutzender Vermummter mit Steinen und Farbbeuteln auf das Rathaus Neukölln am Samstag festgenommen worden. Inzwischen sind alle wieder auf freiem Fuß. Die Attacke stand offenbar im Zusammenhang mit Aktionen zum zehnten Todestag des Asylbewerbers Oury Jalloh - er starb im Polizeigewahrsam in Sachsen-Anhalt.
Nach der Attacke auf das Rathaus in Berlin-Neukölln mit Steinen und Farbbeuteln sind alle vier zunächst Festgenommenen wieder auf freiem Fuß. Das teilte die Polizei am Montag mit. Die Verdächtigen gehörten zu einer Gruppe von bis zu 50 Vermummten, die am Samstagabend Steine und Farbbeutel gegen das Rathaus und das angrenzende Amtsgericht geworfen hatten.
Der Staatsschutz prüft, ob es einen Zusammenhang mit einer ähnlichen Attacke auf eine Polizeiwache in Leipzig am 7. Januar gibt. An den Berliner Tatorten wurden nach Angaben der Polizei Flyer gefunden. Darauf wird an Oury Jalloh erinnert. Der Asylbewerber aus Sierra Leone war vor zehn Jahren unter noch immer ungeklärten Umständen in einer Polizeizelle in Dessau (Sachsen-Anhalt) verbrannt. Die Verfasser des Schreibens werfen der Polizei den Missbrauch staatlicher Gewalt vor.
Pflastersteine auch gegen Auto und Geschäfte
Neben dem Rathaus Neukölln und dem benachbarten Amtsgericht wurden am Samstag laut Polizei Pflastersteine auch auf ein an einer Ampel wartendes Auto geworfen und benachbarte Geschäfte - darunter zwei Bankfilialen - beschädigt. Verletzt wurde niemand. Zwei der vier Verdächtigen waren bereits kurz nach ihrer Festnahme wiede entlassen worden. Ein 22- und ein 26-Jähriger waren dem ermittelnden Staatsschutz übergeben worden.
Nach Angaben der Polizei hatten die Täter die Polizei auch daran hindern wollen, zu den Einsatzorten zu fahren. An einer Wache in der Rollbergstraße hätten Unbekannte auf der Straße sogenannte Krähenfüße verteilt - die dann die Reifen am Auto einer Frau zerstörten. An einer Wache in der Sonnenallee sei die Toreinfahrt durch ein Kettenschloss blockiert worden.
Bereits in der Nacht zu Donnerstag hatten in Leipzig bis zu 50 Vermummte mit Farbbeuteln und Pflastersteinen eine Polizeistation im Stadtteil Connewitz angegriffen. Im Internet tauchte daraufhin ein Bekennerschreiben einer Gruppe "Oury Jalloh unvergessen!" auf. Darin wird der Tod Jallohs als Anlass für die Gewaltaktion bezeichnet.
Initiative spricht von Mord
Jalloh starb am 7. Januar 2005, an eine Liege gefesselt, bei einem Brand in einer Gewahrsamszelle. Nach Darstellung der Polizei soll der Flüchtling die Matratze mit einem Feuerzeug selbst entzündet haben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2014 in letzter Instanz die Verurteilung eines ehemaligen Dienstgruppenleiters der Polizei wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro bestätigt. Vorausgegangen waren mehrere Strafprozesse in Sachsen-Anhalt und ein Verfahren 2010 vor dem BGH in Karlsruhe.
Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau prüft seit Anfang 2014 in einem gesonderten Verfahren, ob es weitere Ermittlungsansätze zum Grund für den Ausbruch des Feuers und damit für den Tod Jallohs gibt. Anlass ist die Anzeige einer Gedenkinitiative. Sie beruft sich auf ein neues, von ihr in Auftrag gegebenes Brandgutachten. Im Zusammenhang mit dem Tod Jallohs spricht die Initiative von Beginn an von Mord. Laut Staatsanwaltschaft ist ein Termin für den Abschluss der Untersuchungen noch nicht abzusehen.
In Dessau-Roßlau hatten an Jallohs Todestag, dem 7. Januar, rund 700 Menschen für weitere Ermittlungen in dem Fall demonstriert.