Nur ein bisschen Nähe, nicht zu viel

Erstveröffentlicht: 
09.01.2015

Sachsens AfD-Landesvorsitzende Petry sieht "Schnittmengen" mit Pegida - ein Schulterschluss aber sei nicht geplant, betont sie Von Jürgen Kochinke

 

Dresden. Als die islamfeindlichen Pegida-Demonstrationen Anfang November allmählich Fahrt aufnahmen, waren alle überrascht. Das gilt nicht zuletzt für die rechtskonservative AfD (Alternative für Deutschland). Obwohl manche politische Forderung oder auch der Hang zum Populismus nicht weit auseinander liegen, schien Sachsens AfD-Landesvorsitzende Frauke Petry den Zug verpasst zu haben. Jetzt aber, seit dem Treffen von Sachsens AfD-Fraktion mit den Pegida-Spitzen, hat sie die Deutungshoheit ein Stück weit zurückerlangt. Entsprechend verlief der Auftritt von Petry gestern im sächsischen Landtag: Übervoll war der Raum der Landespressekonferenz, rund ein Dutzend Kameras surrten. Von der AfD-Frontfrau war vor lauter Stativen fast nichts mehr zu sehen.


Was Petry dann aber zum Gespräch mit den Pegida-Organisatoren sagte, war wenig weltbewegend. Ja, es gebe durchaus "inhaltliche Schnittmengen" mit der islamfeindlichen Bewegung, meinte sie. Allerdings stellte sie ebenfalls klar: "Eine Zusammenarbeit mit Pegida wird es nicht geben", ein Schulterschluss ist nicht geplant. Schließlich agierten beide Seiten auf verschiedenen Ebenen, sagte Petry. Bei der AfD handele es sich um eine Partei, Pegida aber wolle überparteiliche Bürgerbewegung bleiben. Und auch sonst seien vorerst keine weiteren gemeinsamen Aktionen oder Gespräche mit den Organisatoren geplant. Ebenso wenig habe sie persönlich vor, auf einer der nächsten Dresdener Demos als Rednerin aufzutreten.


Auch die von Petry vorgestellte Reihe von Schnittmengen enthielt kaum politische Aufreger. Vier Beispiele nannte die AfD-Chefin: ein modernes Einwanderungsrecht, geringere Hürden für Volksentscheide als Ausdruck gelebter Demokratie, mehr Polizisten nicht zuletzt in Sachsen - und, als kleiner Ausflug in die Welt der Polit-Folklore, ihre Kritik am sogenannten "Gender-Mainstreaming". Dahinter verbirgt sich das Ziel, die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen - was Pegida nicht will und was auch Petry nicht konservativ genug ist. Allerdings verwies sie auch darauf, dass das 19 Forderungen umfassende Positionspapier von Pegida an manchen Stellen noch reichlich unkonkret sei.


All das ist keine faustdicke Überraschung, es verweist vielmehr auf den generellen Sinn der Initiative. Die Offerte an die Pegida-Spitzen selbst war das Polit-Event, was danach kommen soll, ist aber reichlich offen. Doch so, wie Petry sich gestern präsentierte - stets bedacht und ausgewogen -, hat sie einen klaren Punktsieg im Ringen der Politik um den Umgang mit den Islamkritikern eingefahren. Und so können die Rechtskonservativen von der AfD jetzt noch ein bisschen mitsurfen auf der Empörungswelle von Pegida, und die Aufmerksamkeit des Publikums ist ihnen dabei allemal gewiss.


Wie geschickt die 39-Jährige gestern vorging, lässt sich am Beispiel ihres Statements zum Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" in Paris ablesen. Ganz im Gegensatz zu ihrem Parteifreund, dem AfD-Bundesvize Alexander Gauland, versuchte sie nicht, den Anschlag kurzerhand zu nutzen, um die Anti-Islam-Stimmung anzuheizen. Im Gegenteil: Gleich mehrmals verwies sie auf den Unterschied zwischen gewalttätigen Fanatikern und gläubigen Muslimen. Die Tat in Paris sei ganz klar ein "Verbrechen", sagte sie, aber man dürfe "die Religion Islam nicht auf eine Stufe mit Islamismus stellen".


Damit steht Petry zumindest an diesem Punkt in einer Reihe mit AfD-Bundeschef Bernd Lucke, der nach den Pariser Ereignissen zu "Besonnenheit" aufgerufen hatte. Die Gewalttat zweier Extremisten, hatte er betont, sei nicht "einer ganzen Religionsgemeinschaft anzulasten, deren Großteil aus friedliebenden, unbescholtenen Menschen besteht". Auch Pegida selbst äußerte sich zum aktuellen Reizthema. "Wir verurteilen den feigen Anschlag von Paris und werden die Opfer mit einer Schweigeminute ehren", teilte Sprecherin Kathrin Oertel gestern mit. Und sie würzte das Ganze mit einem kleinen Hinweis auf die eigene Organisation: "Wir haben es nicht nötig, darauf zu verweisen, dass es uns aus diesem Grunde gibt."