Sachsens AfD-Landesvorsitzende Petry sieht "Schnittmengen" mit Pegida - ein Schulterschluss aber sei nicht geplant, betont sie Von Jürgen Kochinke
Dresden. Als die islamfeindlichen Pegida-Demonstrationen Anfang November allmählich Fahrt aufnahmen, waren alle überrascht. Das gilt nicht zuletzt für die rechtskonservative AfD (Alternative für Deutschland). Obwohl manche politische Forderung oder auch der Hang zum Populismus nicht weit auseinander liegen, schien Sachsens AfD-Landesvorsitzende Frauke Petry den Zug verpasst zu haben. Jetzt aber, seit dem Treffen von Sachsens AfD-Fraktion mit den Pegida-Spitzen, hat sie die Deutungshoheit ein Stück weit zurückerlangt. Entsprechend verlief der Auftritt von Petry gestern im sächsischen Landtag: Übervoll war der Raum der Landespressekonferenz, rund ein Dutzend Kameras surrten. Von der AfD-Frontfrau war vor lauter Stativen fast nichts mehr zu sehen.
Was Petry dann aber zum Gespräch mit den Pegida-Organisatoren sagte, war
wenig weltbewegend. Ja, es gebe durchaus "inhaltliche Schnittmengen"
mit der islamfeindlichen Bewegung, meinte sie. Allerdings stellte sie
ebenfalls klar: "Eine Zusammenarbeit mit Pegida wird es nicht geben",
ein Schulterschluss ist nicht geplant. Schließlich agierten beide Seiten
auf verschiedenen Ebenen, sagte Petry. Bei der AfD handele es sich um
eine Partei, Pegida aber wolle überparteiliche Bürgerbewegung bleiben.
Und auch sonst seien vorerst keine weiteren gemeinsamen Aktionen oder
Gespräche mit den Organisatoren geplant. Ebenso wenig habe sie
persönlich vor, auf einer der nächsten Dresdener Demos als Rednerin
aufzutreten.
Auch die von Petry vorgestellte Reihe von Schnittmengen enthielt kaum
politische Aufreger. Vier Beispiele nannte die AfD-Chefin: ein modernes
Einwanderungsrecht, geringere Hürden für Volksentscheide als Ausdruck
gelebter Demokratie, mehr Polizisten nicht zuletzt in Sachsen - und, als
kleiner Ausflug in die Welt der Polit-Folklore, ihre Kritik am
sogenannten "Gender-Mainstreaming". Dahinter verbirgt sich das Ziel, die
Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen - was Pegida nicht will
und was auch Petry nicht konservativ genug ist. Allerdings verwies sie
auch darauf, dass das 19 Forderungen umfassende Positionspapier von
Pegida an manchen Stellen noch reichlich unkonkret sei.
All das ist keine faustdicke Überraschung, es verweist vielmehr auf den
generellen Sinn der Initiative. Die Offerte an die Pegida-Spitzen selbst
war das Polit-Event, was danach kommen soll, ist aber reichlich offen.
Doch so, wie Petry sich gestern präsentierte - stets bedacht und
ausgewogen -, hat sie einen klaren Punktsieg im Ringen der Politik um
den Umgang mit den Islamkritikern eingefahren. Und so können die
Rechtskonservativen von der AfD jetzt noch ein bisschen mitsurfen auf
der Empörungswelle von Pegida, und die Aufmerksamkeit des Publikums ist
ihnen dabei allemal gewiss.
Wie geschickt die 39-Jährige gestern vorging, lässt sich am Beispiel
ihres Statements zum Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" in
Paris ablesen. Ganz im Gegensatz zu ihrem Parteifreund, dem
AfD-Bundesvize Alexander Gauland, versuchte sie nicht, den Anschlag
kurzerhand zu nutzen, um die Anti-Islam-Stimmung anzuheizen. Im
Gegenteil: Gleich mehrmals verwies sie auf den Unterschied zwischen
gewalttätigen Fanatikern und gläubigen Muslimen. Die Tat in Paris sei
ganz klar ein "Verbrechen", sagte sie, aber man dürfe "die Religion
Islam nicht auf eine Stufe mit Islamismus stellen".
Damit steht Petry zumindest an diesem Punkt in einer Reihe mit
AfD-Bundeschef Bernd Lucke, der nach den Pariser Ereignissen zu
"Besonnenheit" aufgerufen hatte. Die Gewalttat zweier Extremisten, hatte
er betont, sei nicht "einer ganzen Religionsgemeinschaft anzulasten,
deren Großteil aus friedliebenden, unbescholtenen Menschen besteht".
Auch Pegida selbst äußerte sich zum aktuellen Reizthema. "Wir
verurteilen den feigen Anschlag von Paris und werden die Opfer mit einer
Schweigeminute ehren", teilte Sprecherin Kathrin Oertel gestern mit.
Und sie würzte das Ganze mit einem kleinen Hinweis auf die eigene
Organisation: "Wir haben es nicht nötig, darauf zu verweisen, dass es
uns aus diesem Grunde gibt."