Licht aus, Fenster auf, Musik an

Erstveröffentlicht: 
08.01.2015

Wie sich der Bürgerverein Waldstraßenviertel auf den Legida-Marsch am Montag vorbereitet

Von Dominic Welters, Evelyn ter Vehn und Robert Nößler


Gegen den von der Bewegung "Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes" für Montagabend angemeldeten sogenannten Abendspaziergang durchs Waldstraßenviertel will der dort ansässige Bürgerverein drei kreative Zeichen des friedlichen Protestes setzen. Seit gestern bittet er die Bewohner und Geschäftsleute des Quartiers auf seiner Internetseite (www.waldstrassenviertel.de), via Facebook und auf Flugblättern darum, in den Häusern, Wohnungen, Läden und Büros in der Jahnallee (ab 17 Uhr) und im übrigen Waldstraßenviertel (ab 18.30 Uhr) die Lichter zu löschen; um die Parolen der Legida-Leute zu übertönen, die Fenster zu öffnen und mit der Europa-Hymne "Ode an die Freude" aus der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven (via CD oder Youtube) das Viertel zu beschallen; zur Erinnerung an Intoleranz und Ausgrenzung Kerzen an den "Stolpersteinen" aufzustellen sowie ab 18.30 Uhr zwischen dem Domizil des Bürgervereins und dem von der Israelitischen Reli- gionsgemeinde zu Leipzig geführten Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus - das ist der Bereich zwischen der Hinrichsenstraße 10 und 14 - mit Kerzen in den Händen zu demonstrieren.

"In unserer Satzung sind als Vereinszweck ausdrücklich die Förderung internationaler Gesinnung und die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und der Völkerverständigung genannt. Bei einer Versammlung am Dienstagabend waren alle anwesenden rund 50 Mitglieder dafür, ein deutliches Signal für ein weltoffenes Leipzig zu setzen", sagte Vorsitzender Jan Willkomm zu der geplanten Aktion des Bürgervereins Waldstraßenviertel. Der 39-Jährige fragt sich schon, warum Legida ausgerechnet durch dieses Karree zieht. "So richtig klar ist uns das allen nicht." Er hoffe darauf, dass der mannigfaltige Protest gegen die Islam- und Asyl-Gegner gewaltfrei verlaufe. "Die Polizei hat uns allerdings auch vor der Gefahr von Straßenschlachten gewarnt", so Willkomm.


Am gestrigen Mittwoch bestätigte das kommunale Ordnungsamt die Route für den Legida-Aufmarsch. Die Unterstützer dürfen jedoch nicht wie zunächst geplant vor den Eingängen zur Red-Bull-Arena starten. Dies sei wegen der Verpachtung an die Stadion-Betreibergesellschaft ZSL nicht möglich, so die Stadt. Stattdessen treffen sich die Anhänger von "Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes" am öffentlichen Parkplatz an der Friedrich-Ebert-Straße zur Auftaktkundgebung. Deren Beginn wurde eine halbe Stunde nach hinten verschoben - auf jetzt 19 Uhr. Anschließend geht es durchs Waldstraßenviertel über die Wettiner und Gustav-Adolf-Straße, dann weiter über die Leibnizstraße zur Jahnallee stadtauswärts. Über den Waldplatz, die Waldstraße und die Wettiner Straße führt die Route zurück zum Startpunkt am öffentlichen Parkplatz an der Friedrich-Ebert-Straße. Wie berichtet, rechnet Legida-Sprecher Jörg Hoyer, der die Schlussrede halten will, inzwischen mit bis zu 6000 Sympathisanten. Das Ordnungsamt als Versammlungsbehörde geht zudem von rund 5000 Gegendemonstranten aus.


Die Leipziger Stiftung Friedliche Revolution hat die mittlerweile in Ost- und Westdeutschland operierende Pegida-Bewegung wegen des Missbrauchs von "Wir sind das Volk" scharf kritisiert. In einer Pressemitteilung betonte die Stiftung am Mittwoch, der Ruf der Montagsdemonstrationen im Herbst 1989 stehe für eine "multikulturelle Gesellschaft, die für Verschiedenheit eintritt und darin keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung sieht". Wer "Wir sind das Volk" rufe, müsse auch offen für alle sein. Die vor fünf Jahren gegründete Stiftung rief für den 12. Januar zur Teilnahme am Friedensgebet ab 17 Uhr in der Nikolaikirche und am anschließenden Sternmarsch zum Waldplatz auf.

 

Die sieben Gegenveranstaltungen


Für Montag, 12. Januar, sind beim städtischen Ordnungsamt neben dem Legida-Aufzug noch sieben weitere Demonstrationen beziehungsweise Kundgebungen angemeldet worden. Bei den Kooperationsgesprächen mit den Veranstaltern wurden inzwischen folgende Routen festgelegt:


Verein "Leipzig. Courage zeigen": Kundgebung unter dem Motto "Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt" auf dem Waldplatz von 17.30 bis 21 Uhr mit erwarteten 1000 bis 1500 Teilnehmern; es sprechen Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), Vertreter des Vereins Flüchtlingsrat Leipzig und Asylsuchende; es gibt musikalische Einlagen von "Prinz" Sebastian Krumbiegel und anderen.


"Bündnis 8. Mai": Der Aufzug unter dem Motto "Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt" verläuft zwischen 18 und 20 Uhr wie folgt: Lindenauer Markt, Kuhturmstraße, Jahnallee, Waldplatz; dort Teilnahme an der Kundgebung des Courage-Vereins.


Initiative "Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt" (Ex-Thomaspfarrer Christian Wolff und andere): Zwischen 17.45 und 19 Uhr Demonstration vom Nikolaikirchhof über Schuhmachergäßchen, Reichsstraße, Grimmaische Straße, Thomasgasse, Thomaskirchhof, Querung Dittrichring, Gottschedstraße, Elsterstraße, Mendelssohnstraße, Friedrich-Ebert-Straße; dort Teilnahme an der Kundgebung des Courage-Vereins. Die Veranstalter dieses Aufzuges und der Demo vom "Bündnis 8. Mai" rechnen zusammen mit rund 1200 Teilnehmern.


"Bündnis Refugees welcome" I: Unter dem Motto "Refugees welcome! Gegen jeden Rassismus" findet zwischen 16 und 19 Uhr ein Aufzug mit folgender Route statt: Markt, Gottschedstraße, Käthe-Kollwitz-Straße, Westplatz, Marschnerstraße, Am Sportforum (zwischen den Tunneln); dort Kundgebung; Teilnehmer: zirka 250.


"Bündnis Refugees welcome" II: Die Demonstration "Refugees welcome - NO LEGIDA" zwischen 17 und 20 Uhr mit geschätzten 300 Teilnehmern beginnt in der Friedrich-Ebert-Straße am Westplatz (Sammlung und Auftakt) und verläuft über Käthe-Kollwitz-Straße, Goerdelerring, Ranstädter Steinweg, Jakobstraße, Gustav-Adolf-Straße bis zur Färberstraße/Ecke Hinrichsenstraße; dort Abschlusskundgebung.


"Leipziger Friedenswache - Nein zu Krieg und Fremdenfeindlichkeit": Kundgebung auf dem Nikolaikirchhof oder auf dem Augustusplatz zwischen 18 und 21 Uhr mit 50 bis 200 Teilnehmern; möglicherweise entfällt die Kundgebung zugunsten der Teilnahme an der Demonstration "Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt" (Ex-Thomaspfarrer Christian Wolff und andere), die um 17.45 Uhr auf dem Nikolaikirchhof beginnt und zum Waldplatz führt; dort Kundgebung.


Leipziger Studentinnen und Studenten: Aufzug zwischen 15.30 und 16.30 Uhr unter dem Motto "Leipziger Studierende gegen Rassismus" mit folgender Route: Universitätsstraße, Schillerstraße, Martin-Luther-Ring, Karl-Tauchnitz-Straße, Friedrich-Ebert-Straße, Westplatz; dort Anschluss an die Demonstration von "Bündnis Refugees welcome"; Realisierbarkeit der angemeldeten Strecke wird vom kommunalen Ordnungsamt als der zuständigen Versammlungsbehörde allerdings noch geprüft.