Oranienburg: Oberhavel Nazifrei protestiert mit 300 Menschen gegen Fackelmarsch von 250 Asylgegner_innen

Rassistischer Abendspaziergang Oranienburg

Am Mittwochabend protestierten ungefähr 300 Menschen  in Oranienburg (Landkreis Oberhavel) gegen einen so genannten „Abendspaziergang“ für eine angeblich „angemessene Asylpolitik“. An diesem, von der Socialmedia-Kampagne „Nein zum Heim in Oranienburg“ beworbenen Fackelmarsch durch den Innenstadtbereich nahmen ungefähr 250 Personen, davon ungefähr 200 mutmaßliche Hooligans und Neonazis und 50 augenscheinliche „Bürger_innen“, teil. Die Proteste dagegen konzentrierten sich am Bahnhof und am Schloss. Dort kam es auch zu einer kleinen Blockadeaktion.

 

Oberhavel Nazifrei protestiert

Die Protestierer waren offenbar einem Aufruf des Bündnisses „Oberhavel Nazifrei“ gefolgt, das hinter dem „Abendspaziergang“ eine gezielte Aktion vermutete, um „rechte Hetze auf die Straße“ zubringen. Die Veranstaltung sei, in Anspielung auf die „Nein zum Heim“ –Seite, zu dem „der Höhepunkt einer andauernden Denunzierung, Herabwürdigung und Kriminalisierung hilfsbedürftiger Asylsuchender im Netz“, so „Oberhavel Nazifrei“. Zudem ginge es den Heimgegnern gar nicht darum „für eine angemessene Asylpolitik auf die Straße“ zu gehen, der „Aufmarsch“ sei vielmehr „eine offene rassistische Mobilisierung gegen Asylsuchende, in der sich eine Allianz zwischen NPD, AfD und Rechtspopulisten sowie scheinbar unpolitischen Bürgern herausbildet“, so das Bündnis in seinem Aufruf zu den Protesten weiter. Eine Einschätzung, die, so zeigt es die Unterzeichner_innenliste, von vielen, auch namhaften Personen aus Stadt und Umland geteilt wird. Unter den Erstunterzeichner_innen finden sich so beispielweise  der Bürgermeister von Oranienburg, Hans Joachim Laesicke, der Vorsitzende der Oranienburger Stadtverordnetenversammlung, Holger Mücke, der Bundestagsabgeordnete Harald Petzold (DIE.LINKE), der Vorsitzende der Oranienburger SPD, Dirk Blettermann, der Vorsitzende der Oranienburger B90/Die Grünen, Heiner Klemp, und viele andere mehr. Der Aufruf  von „Oberhavel Nazifrei“ wurde im Übrigen sogar auf der offiziellen Socialmedia-Seite der Stadtverwaltung Oranienburg veröffentlicht.
Für „Oberhavel Nazifrei“ erfreulich und für einige neutrale Beobachter erstaunlich, kamen dann tatsächlich auch mehrere hundert Menschen für Protestaktionen zusammen. Bereits ab 18 Uhr hatten sich über 200 Menschen am Bahnhof eingefunden, deren Anzahl bis zum Start der „Nein zum Heim“ Veranstaltung auf 300 anwuchs. Es wurde Fahnen und Transparente gegen Nazis und Rassismus gezeigt und die Teilnehmer_innen des Abendspaziergangs lautstark ausgebuht. Die Polizei trennte, wie üblich bei Versammlungen konträren Inhalts, weitgehend beide Lager, durch Gitter und Polizeiketten, von einander ab. So blieb den Sympathisanten von „Oberhavel Nazifrei“ zunächst nur der Bahnhofsbereich um in Hör- und Sichtweite zu demonstrieren. Doch damit wollten sich viele Protestierer nicht zufrieden geben und zogen zum Oranienburger Schloss weiter, um abermals ihren Unmut über den vorbeiziehenden Fackelmarsch auszudrücken.
Vier Personen gelang es dabei auch auf die Strecke zu gelangen und eine Miniblockade durchzuführen. Allerdings ohne die Marschierer aufzuhalten, diese wurden von der Polizei daran vorbeigeleitet.

Mit Brandfackeln für eine „angemessene Asylpolitik“?

Der so genannte „Abendspaziergang“ der Heimgegner_innen hatte sich, entgegen des betont bürgerlichen Mobilisierungscharakters, derweil eher zu einem Aufmarsch entwickelt, bei dem mutmaßliche Hooligans und Neonazis nicht nur einen erheblichen Teil der Versammlungsteilnehmer_innen ausmachten, sondern offenbar auch einen großen Teil der Infrastruktur des Aufzuges zur Verfügung stellten. JN Funktionäre waren als Ordner eingeteilt, der Schönwalder NPD Gemeinderat Burkhard Sahner stellte seine Pkw als Lautsprecherwagen für die Abschlusskundgebung zur Verfügung und die Bernauer NPD Stadtverordnete Aileen Rokohl hielt einen Redebeitrag.
Die wenigen mitgeführten Fackeln mochten zwar hingegen nur entfernt an die nationalsozialistische Märsche zum 30. Januar 1933 erinnern, zeichneten aber dennoch ein sehr bedrohliches Bild: Sollen Brandfackeln die angemessene Antwort auf die derzeitige Asylpolitik sein?
Bemerkenswert ist auch das abermalige auftreten der Initiative „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“, deren Anhänger_innen in den letzten Wochen u.a. bei ähnlichen Märschen in Schneeberg (Erzgebirge), Wittstock/Dosse und erst am Montag in Dresden mitliefen sowie am Volkstrauertag unangemeldet mit zahlreichen Fackeln durch Gransee marschierten.
Während des Aufmarsches in Oranienburg gaben sie sich durch ihr braunweißes Banner und Schilder mit aufgemalter Fackel zu erkennen.
Weitere Neonazis stammten aus dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin und sind als Sympathisanten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ bekannt. Die NPD war außer mit den bereits erwähnten Abgeordneten, u.a. noch durch die Stadtverordneten Detlef Appel aus Oranienburg, Robert Wolinski aus Velten, Uwe Gosslau aus Hennigsdorf, Dave Trick aus Neuruppin und Pascal Stolle aus Bad Belzig vertreten.

„Nein zum Heim“ beansprucht „das Volk“ zu sein

Seit den durchaus teilnehmerstarken Demonstrationen und Kundgebungen der islamkritischen/islamfeindlichen Initiativen „HoGeSa“ („Hooligans gegen Salafisten“) und PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) hoffen offenbar auch Brandenburger Neonazis einen großen Teil, der durch die gesellschaftliche Debatte der letzten Monate anpolitisierten Bürger_innen für ihre Zwecke zu gewinnen. Offen zu erkennen geben will sich die neonazistische Szene dabei jedoch anscheinend nicht, sondern lässt sich eher über zwielichte Initiativen vertreten, deren Anliegen nur selten die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der militanten Islamist_innen ist. Tatsächlich wird vor allem die Asylpolitik der Bundesrepublik und konkret die Art  der Unterbringung von Asylsuchenden scharf kritisiert. Genauer betrachtet hat aber keine dieser Initiativen ein tatsächliches Interesse, Menschen, die aus den Krisenherden dieser Welt in die Bundesrepublik kommen und in der Bundesrepublik Asyl suchen,  zu helfen. Da macht auch die Socialmedia-Kampagne „Nein zum Heim in Oranienburg“, hinter der mutmaßlich die lokale NPD steckt, keine Ausnahme. Neu ist lediglich, dass sich die seit 2013 existierende und eigentlich gescheiterte Initiative durch PEGIDA und Co wieder im Aufwind sieht und nun ebenfalls mit dem bekannten Slogan der DDR-Bürgerrechtsbewegung „Wir sind das Volk“ auftritt.
Doch die Demonstration am Mittwochabend in Oranienburg zeigte einmal mehr, dass hier kein bürgerliches Aufbegehren gegen eine vermeintlich verfehlte Asylpolitik stattfand, sondern mehr eine Propagandashow von Hooligans und Neonazis zelebriert wurde.

 

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