Frustrierte PEGIDA-Teilnehmer drohen auf Facebook mit Mord und „Volkssturm“

Erstveröffentlicht: 
02.12.2014

Eigentlich hätte es ein Erfolg werden müssen für die PEGIDA, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes": 7.500 Menschen sollen teilgenommen haben, das sind nach manchen Schätzungen 2.000 mehr als am letzten Montag. Aber als linke Gegendemonstranten die Demo kurz vor dem Ende erfolgreich blockierten und zur Umkehr zwangen, brach der ungeschminkte Hass aus den „besorgten Bürgern".

 

Dabei war die Stimmung  am Anfang der Demonstration noch richtig gut. Massige Männer erzählten sich ihre Dritte-Halbzeit-Erfolgsgeschichten vom vergangenen Wochenende beim Spiel Hansa Rostock gegen Dynamo Dresden. Normal gebaute Menschen mittleren Alters tauschten Gruselgeschichten über Muslime aus. Ihr wahres Gesicht würden die bisher nur in Syrien und Irak zeigen, ruft ein Opa in unbestimmte Richtung. Eine Frau in den 50ern, eine richtige Expertin, erklärt einer kleinen Runde, wie das mit den Kampfbefehlen im Koran ist, über den uns die Muslime absichtlich im Unklaren lassen, weil sie lügen—was in ihrer Religion OK ist, das Lügen. „Ethik, das hat etwas mit ihrer falschen Ethik zu tun", pflichtet eine andere bei. Ja genau, meint die Expertin, darüber müsse man sprechen, und verteilt „Aufklärungsmaterial" der „Christian Solidarity International". Topthema Nummer zwei und drei waren die „miese Presse", die überall rumläuft, und die „dreckige Antifa" ein paar hundert Meter weiter auf der anderen Straßenseite.

 

So klingt PEGIDA, das brave Kind des Ungetüms HoGeSa. Seit sieben Wochen machen die besorgten Bürger jeden Montag Spaziergänge durch Dresden—betont friedlich, betont gewaltfrei. Anlass für die Anti-Islamisierung-Spaziergänge war ausgerechnet die „Aktion von PKK-Anhängern", erklärte der Anmelder Lutz Bachmann der BILD. Schon blöd, wenn man seine Ausländer nicht so richtig auseinander halten kann.

 

Als „Ratten" begrüßt der Anmelder Lutz Bachmann an diesem Abend seine Gefolgschaft. „Rattenfänger" hätte ihn der sächsische Innenminister genannt. Genau der Innenminister, der sonst so stolz ist auf die sächsische Abschiebequote und der kürzlich sogar eine Sonderkommission gegen straffällige Asylbewerber einrichten ließ. Aber auch wenn Bachmann und Ulbig sich politisch eigentlich recht nahe stehen, muss Ulbig einen erneuten Image-Schaden von Dresden und Sachsen abwenden.

 

Auch Lutz Bachmann muss auf Distanz bleiben. Seine Veranstaltung wäre sinnlos, würde er nicht so tun, als hätte man in der deutschen Politik keine Lobby, wenn man die Grenzen Europas dicht machen will, wenn man „Wirtschaftsflüchtlinge" (die sowieso noch nie asylberechtigt waren) draußen lassen will, wenn man gegen „Islamisierung" ist, wenn kriminelle Ausländer raus sollen.

 

Dies sind die offiziellen Kernforderungen von PEGIDA. Bachmann jammert zu Recht darüber, als Rassist und Nazi beschimpft zu werden, denn etablierte CDU-Politiker kommen mit derlei Aussagen ohne Weiteres davon. Der Unterschied ist: Bachmann hat keine Berührungsängste. Ganz offen laufen die Leute mit ihrer Neonazi-Street-Ware hier rum, auch die Anti-Asyl-Leute vom letzten Jahr in Schneeberg sind dabei.

 

Anderseits kann kein seriöser Partei-Politiker von der angeblich geilen „Vollausstattung" von Asylunterkünften sprechen, auf der Bachmann an diesem Abend immer wieder rumreitet.

 

Und noch ein heißes Thema: Das christliche Abendland soll in Gefahr sein. Diese apokalyptische Warnung Bachmanns (der vor Kurzem selber aus der Kirche ausgetreten ist) ist ja nicht ganz neu. In Dresden, wo es kaum Ausländer und nur 0,3 Prozent Muslime gibt, wirkt die Angst vor dem Morgenland zwar nur paranoid. Aber nicht nur von dort kommt die Bedrohung, erfahre ich an diesem Abend. Der „Genderismus" würde unsere Sprache kaputt machen, unsere christlichen Werte zerstören. In manchen Städten dürfte man nicht mal mehr „Weihnachtsmarkt", sondern nur noch „Wintermarkt" sagen, weiß Bachmann. Es geht dann noch ein bisschen um Stollen, Lebkuchen und Glühwein, allesamt genauso in Gefahr wie die „blumige Sprache", die im guten alten Deutschland gesprochen wurde (vielleicht vermisst er Juwelen der Dichtkunst wie „Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl").

 

Das spricht offenbar Bürger und vor allem auch Bürgerinnen an, die zu allem ja sagen, was nach Ressentiment klingt, die Demokratie scheiße finden, wenn sich ihr Wille—den sie für Volkes Willen halten—nicht durchsetzen lässt, die sich immer benachteiligt oder ihre Privilegien in Gefahr sehen, sich verarscht fühlen von den da oben, denen man's mal richtig zeigen will. Das ist der Tenor des Abends. Das Unsympathische ist, dass sie trotzdem am liebsten nach unten treten, Schuldige brauchen und ein bisschen exklusive volksdeutsche Wärme tanken wollen.

 

Der Fan der blumigen Sprache muss an diesem Abend aber auch mal Klartext reden, über seine Vergangenheit: Da hat er Fehler gemacht, mit „Betäubungsmitteln", habe seine Strafe dafür aber verbüßt. In der BILD darf er verbreiten, dass er zu dieser Vergangenheit stehe. Die Sächsische Zeitung hat dem Mann, der sich selbst als „bürgerliche Mitte" bezeichnet, etwas genauer auf den Zahn gefühlt: Der Verteidiger des christlichen Abendlandes hat unter anderem Flyer für Bordelle entworfen; der große Feind der „kriminellen Ausländer" ist als Mittzwanziger in über ein Dutzend Firmen eingebrochen und hat sich dann fast drei Jahre nach Südafrika abgesetzt. Später stellte er sich und saß 14 Monate im Gefängnis. Zuletzt wurde er 2009 zweimal mit jeweils mehr als 40 Gramm Kokain erwischt.

 

Unerheblich wäre das vielleicht, wenn er nicht trotzdem auch die Lieblingsparole des Abends rausgeben würde, nämlich: „Wir sind die Gastgeber, und wir machen die Tischsitten!" Unerheblich wäre das auch, wenn der geläuterte, der darauf hinwies, dass Menschen sich ändern, nicht andere, strengere Maßstäbe für Migranten fordern würde.

 

Kurz vor Ende des Spaziergangs hatten es ca. 60 todesmutige Gegendemonstranten plötzlich geschafft, eine Sitzblockade auf der Pegida-Route zu machen. Die Demo wurde also erstmal gestoppt, und aus irgendeinem Grund entschied sich die Polizei dagegen, die Blockade zu räumen—stattdessen wurde die Pegida gebeten, umzudrehen.

 

Als die Spaziergänger das hörten, wurden sie richtig wütend. Viele der mindestens 1000 bis 2000 Teilnehmer aus dem Neonazi-Hooliganmilieu hatten spätestens jetzt sichtlich Lust, ihr gutes Benehmen an den Nagel zu hängen. „Zecken-Dreckspack!", schrien einige. „Lasst uns doch einfach drüber rennen!", andere. Die beliebte „Wir sind das Volk"-Parole wurde kurzerhand in „Wir wollen durch!" umgedichtet.

 

Vielleicht lag es an den Ordnern, vielleicht fehlte auch der Anführer, der im entscheidenden Moment „Los geht's!" rief—aber obwohl anfangs nur circa 200 Polizisten die Blockierer schützten, kam es zu keinem ernsthaften Durchbruchsversuch. Bachmann selbst bettelte seine Leute an, vernünftig zu bleiben und umzudrehen. Was sie nach einigem hin und her und vielen Gorilla-Posen schließlich auch taten.

 

Auf dem Rückweg herrscht Grabesstimmung. „Das waren doch Bezahlte, aus Polen kamen die doch!", sagt einer. „Volkes Wille wurde wieder mal mit Füßen getreten", ein anderer. Bachmann versucht, es als Erfolg zu verkaufen. Sich nicht provozieren zu lassen, das war gut. Aber es klatscht nur noch der harte Kern. Ein andere findet es „behindert", jetzt noch zu klatschen. Offenbar empfinden viele Teilnehmer es eher als Niederlage, dass sie sich nicht gewaltsam den Weg frei räumen durften.

 

Was sie sich im entscheidenden Moment nicht getraut haben, davon träumen einzelne Pegidasten später auf der Facebook-Seite der Bewegung: „...die Antifa bekommt noch eine gerechte Strafe.. irgendwann hört man sie fallen wie die Blätter im herbst.." Ein anderer findet, die Polizei hätte Schusswaffen gegen die „linken Chaoten" einsetzen sollen. Am Ende wird  ​ein User richtig deutlich: „jetzt heisst es langsam zecken gegen deutsche, dieses dreckspack muss auf den müll. wer wind sät, wird sturm ernten........ volkssturm!!!!!!"

 

Das alles kann man auf der Seite ​PegidaWatch lesen, die Admins von der echten Pegida-Seite haben die meisten dieser Kommentare schnell gelöscht. Genauso wie ihren eigenen Aufruf zum „Angriff" auf die Gegendemonstranten.