Grünen-Politiker wirft AfD Kampagne vor / Nahlob: "Alt-Parteien machen das Gleiche"
Von Andreas Tappert
Die Konfrontation zwischen dem Vorstandssprecher des
Grünen-Stadtverbandes Jürgen Kasek und der Alternative für Deutschland
(AfD) spitzt sich zu: Weil Kasek Anfang August eine unglücklich
formulierte Kurznachricht getwittert hatte (die LVZ berichtete), nutzt
die AfD den Fall jetzt für die politische Auseinandersetzung. Die
"Alt-Parteien" würden ähnlich handeln, wenn die AfD einen Fehler begehe,
heißt es dort.
Der 34-jährige Rechtsanwalt Kasek hatte am Morgen des 7. Oktobers im
Getümmel des Landtagswahlkampfes vom Besuch eines Leipziger
Friseurgeschäfts abgeraten, weil an diesem der AfD-Politiker Ralf Nahlob
(33) beteiligt ist. Man wisse nie, "wo die Schere ansetzt", hatte der
Grüne per Twitter verbreitet. "Das sollte ironisch und sarkastisch sein,
ist aber völlig missverständlich gewesen", räumt Kasek heute ein.
Niemand habe erkannt, dass mit seiner "Schere" die "Schere im Kopf"
gemeint war, die die AfD nach Ansicht der Grünen hat. Weil ihn Freunde
auf den Fauxpas aufmerksam machten, löschte Kasek schon 20 Minuten
später die Nachricht, stellte richtig, dass dies "kein Boykottaufruf"
gewesen ist - und entschuldigte sich. "Ich dachte, der Fall sei damit
erledigt", so der Grüne.
Doch zu seiner Verblüffung wurde ein Exemplar seiner gelöschte
Kurznachricht vom AfD abfotografiert und an zahlreiche Empfänger
weitergeleitet; es wurde auch auf eine Facebook-Seite gestellt und
mehrfach verlinkt. "Das alles geschah, obwohl längst klar war, dass der
Tweet gelöscht ist und eine Entschuldigung vorliegt", betont Kasek. Tage
später habe dann der AfD-Bundesvorstand mit zwei Presseerklärungen auf
den Fall aufmerksam gemacht. Dabei sei die Äußerung des Grünen mit dem
Nazi-Aufruf "Kauft nicht beim Juden" verglichen worden.
Dies änderte sich auch nicht, nachdem Kasek sich in einer
Landgerichtsverhandlung bei AfD-Politiker Nahlob entschuldigt und das
Gericht seine gelöschte Nachricht als "unzulässige Schmähkritik"
eingestuft hatte: Die AfD verbreitete die Entscheidung mit einem Bild
von Kaseks Originalnachricht und der Überschrift: "AfD-Politiker siegt
vor Gericht gegen grünen Hetz-Politiker". Der Bündnisgrüne erhält bis
heute anonyme und offene Drohanrufe sowie E-Mails, deren Inhalte in
Gewaltaufrufen gegen ihn gipfeln.
"Kasek ist seit vielen Jahren in der Politik und genießt die
Öffentlichkeit", sagt Nahlob. "Da muss er auch dazu stehen, was er
sagt." Für den AfD-Mann steht fest, dass der Grüne die öffentliche
Diskussion über diesen Fall "befeuert". "Wir haben ihm gleich zu Beginn
eine Unterlassungserklärung zugeschickt, die er nicht unterzeichnet
hat", so Nahlob. "Hätte er sie unterzeichnet, hätten wir einen
Schlussstrich gezogen." Auch Kaseks Entschuldigung sei bei ihm erst vor
Gericht und auch dort "nur halbherzig" angekommen. Nahlob: "Die
Gegenseite hat ein Interesse daran, diesen Fall zu verwursten. Wir
machen das Gleiche, was die Alt-Parteien gemacht hätten."
Inzwischen steht fest, dass die Aus- einandersetzung weitergeht. "Das
Landgericht hat bei seiner Entscheidung völlig verkannt, dass die
Äußerung meines Mandanten erst richtig öffentlich bekannt geworden ist,
nachdem diese durch Herrn Nahlob und die AfD Sachsen offensichtlich
selbst im Internet verbreitet und Gegenstand einer Pressemitteilung
wurde", erklärte Kaseks Rechtsanwalt René Hobusch (37), der für die FDP
im Stadtrat sitzt. Kaseks Nachricht sei daher als politische Äußerung
einzustufen und nicht justiziabel. Hobusch hat deshalb Berufung beim
Oberlandesgericht Dresden eingelegt.