Leipzig. Sie kochen abwechselnd deutsche und afghanische Gerichte, unternehmen Ausflüge und Bootsfahrten, treffen sich regelmäßig und tauschen sich aus: Die Familien Hadi und Morkramer - die eine aus Afghanistan, die andere aus Leipzig. „Mein Mann, der Architekt ist, und unsere zwei Söhne machen begeistert mit“, berichtet die OP-Schwester Birgit Morkramer. „Wir fühlen uns nicht allein“, sagt die 44-jährige Gulalai Hadi, die in ihrer afghanischen Heimat als Chemielehrerin gearbeitet hat.
Kennengelernt haben sich die Familien über das Programm „Ankommen in
Leipzig. Paten für Flüchtlinge“. Dafür haben sich in der sächsischen
Messestadt bereits 100 Paten gefunden. „Unser Jahresziel lag zum
Projektbeginn im Februar bei 50“, berichtet Sonja Brogiato, Sprecherin
des Leipziger Flüchtlingsrates, der als Träger für das kommunale Projekt
fungiert.Da die Ehrenamtler meist ganze Familien betreuen, hätten
inzwischen etwa 400 Flüchtlinge einen Paten. Diese helfen etwa beim
Einkaufen, bei der Wohnungssuche oder beim Deutsch-Lernen.
„Es
ist eine sehr gute Idee“, meint Iqbal Hadi (49), der in Afghanistan
Taxifahrer war, in Deutschland aber nicht arbeiten darf. „Das zermürbt
die Menschen, wenn sie nichts zu tun haben“, sagt Brogiato. Ein Pate,
der Zahnarzt ist, lässt einen syrischen Berufskollegen in seiner Praxis
„mitlaufen“, damit dieser die deutschen Bezeichnungen für die
Instrumente kennenlernt. „Der Syrer fühlt sich dann nicht als Opfer der
Verhältnisse, sondern sieht sich in seiner Fachkompetenz angenommen und
anerkannt“, erklärt die Sprecherin des Flüchtlingsrates.
Birgit
Morkramer möchte „die andere Kultur kennenlernen, wissen, wie eine
Großfamilie in Afghanistan lebt, viele Fragen stellen, zum Beispiel
dazu, ob für Nepton ein Mann ausgesucht wird.“ Nepton ist die 13-jährige
Tochter der Hadis. Sie und ihr Bruder Mustafa (15) gehen in die 20.
Oberschule, wo sie zunächst intensiven Deutschunterricht haben.
„Am
Anfang war es am schwierigsten, nicht deutsch sprechen zu können“,
sagen die Hadis. Und: „Wenn wir die Sprache gut können und eine
Aufenthaltserlaubnis haben, würden wir gern arbeiten.“ Sie vermissen die
anderen Mitglieder ihrer Familie, die in Afghanistan zurück bleiben
mussten. „Den Kontakt halten wir über das Internet und Skype“, erzählt
Mustafa.
Familie Hadi wohnt zwar in einer
Gemeinschaftsunterkunft, in der sie aber eine Wohnung für sich hat.
Mustafa ist sich noch nicht sicher, was er später einmal werden will.
„Vielleicht Rechtsanwalt“, sagt er. Nepton dagegen weiß genau, wohin ihr
Weg sie führen soll. „Ich werde Sozialarbeiterin, um Menschen zu
helfen“, erklärt sie bestimmt. Ausschlaggebend für den Berufswunsch
waren die Erfahrungen, die sie in Leipzig gemacht hat. Denn: „In
Afghanistan gibt es keine Sozialarbeiter.“