Angst vor Krawallen: Wenn Hooligans und Nazis gemeinsame Sache machen

Erstveröffentlicht: 
06.11.2014

 Stuttgart/Köln - Mehrere Stunden lang saßen am Mittwoch Experten von Verfassungsschutz und Polizei im Stuttgarter Innenministerium zusammen. Man redete über die Gruppierung „Hooligans gegen Salafisten“, die vor anderthalb Wochen in Köln gewütet hat, die aber durchaus auch schon im Südwesten aktiv war.


Im März dieses Jahres versuchten rund 200 Rechtsextremisten und Hooligans, eine Veranstaltung des salafistischen Predigers Pierre Vogel auf dem Mannheimer Marktplatz zu stören. Organisiert worden war die Gegendemonstration von Christian Hehl, einem der führenden Rechtsextremisten in der Region, der seit Sommer für die NPD im Mannheimer Gemeinderat sitzt. Ihm werden gute Kontakte sowohl zu Hooligans als auch zur Rocker-Szene nachgesagt.

Die Störaktion war „bestens organisiert“, wie es in Sicherheitskreisen heißt. Ortskundige „Scouts“ lotsten Teilnehmer von außerhalb (unter anderem aus Kaiserslautern und Stuttgart) an den Polizeikontrollen vorbei. Die Teilnehmer der Salafisten-Kundgebung sowie die Beamten wurden anschließend „massiv provoziert“, wie es im Polizeibericht heißt. Die Hooligans und Rechten warfen mit Böllern und setzten Reizgas ein. Fünf Beamte wurden leicht verletzt.

Ende September gingen 100 Mitglieder der Gruppierung in Mannheim unter anderem gegen Salafisten vor, die im Rahmen ihrer „Lies!“-Kampagne an Ständen kostenlos den Koran verteilten. Auch hier musste die Polizei einschreiten – und sie befürchtet, dass es so weitergeht. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Kampagne fortdauere, hieß es am Mittwoch.

In Köln haben die „Hooligans gegen Salafisten“ bei Krawallen auf einer Demo rund 50 Polizisten verletzt. Wie viele Teilnehmer aus Baden-Württemberg dabei waren, weiß die Landespolizei noch nicht, die Videoaufzeichnungen und Bilder der Kölner Kollegen lassen noch auf sich warten. Klar aber ist: „Auch in Baden-Württemberg muss mit solchen Vorkommnissen gerechnet werden“, heißt es aus dem Innenministerium. „Namentlich salafistische Veranstaltungen und Stände der ‚Lies!‘-Kampagne dürften gefährdet sein.“ Erkenntnisse über konkrete Planungen gäbe es derzeit allerdings nicht. Bislang geht man im Land von rund 1800 „Problemfans“ aus. Hooligans haben laut Verfassungsschutz in der Regel mit Politik nichts am Hut, und auch aktuell gehe man nicht von einer „strukturellen Zusammenarbeit“ mit der rechtsextremistischen Szene aus. Allerdings, so heißt es aus Sicherheitskreisen, spreche manches dafür, dass Teile der Hooligan-Szene für gewalttätige Aktionen gegen Salafisten zunehmend aufgeschlossen seien. „Auf diese Weise hofft man, Sympathien in der Bevölkerung zu gewinnen und die Ausübung von Gewalt legitimieren zu können“, so ein Sprecher des Innenministeriums. Insoweit würden sich die Feindbilder der Hooligans mit denen der traditionellen Rechtsextremisten decken.

Ob Nazis und Hooligans künftig auch auf anderen politischen Feldern gemeinsame Sache machen, das wollen die Experten der Sicherheitsbehörden im Land nicht gänzlich ausschließen. Es gebe „einige Berührungspunkte“ zwischen beiden Szenen – so etwa Vorbehalte gegenüber Ausländern oder Schwulen. „Allerdings gibt es derzeit keine konkreten Anhaltspunkte, dass die Zusammenarbeit auf andere Agitationsfelder als die Islamfeindlichkeit erstreckt werden könnte“, hieß es am Mittwoch im Innenministerium. So sei der Vorwurf des „Asylmissbrauchs“, mit dem klassischerweise Rechtsextremisten punkten wollen, bei der Gruppierung „Hooligans gegen Salafisten“ bislang auf keinen fruchtbaren Boden gefallen.