Am Donnerstagabend kam es bei einem Protestmarsch zu einer massiven Gegendemonstration, es flogen Steine und Farbbeutel. Initiator Andreas Schacht lässt sich dennoch in seinem Ziel nicht beirren.
Hamburg. Nach massiven Gegenprotesten und Steinwürfen bei einer Kundgebung am Donnerstagabend hat der Anmelder Andreas Schacht weitere Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime angekündigt. Da der Protestzug nicht wie geplant das SPD-Bürgerbüro in Farmsen erreichen konnte, solle in Kürze eine weitere Mahnwache gegen die Pläne des Bezirks folgen.
Schacht wird dem rechtsradikalen Spektrum zugeordnet. Die Sozialbehörde hatte kürzlich entschieden, zusätzlich zu den 346 Flüchtlingen an der August-Krogmann-Straße in Farmsen direkt gegenüber auf dem ehemaligen BFW-Gelände noch einmal 400 Flüchtlinge einzuquartieren. Der runde Tisch in Farmsen, der sich um Integration der Neuankömmlinge bemüht, hatte sich verärgert darüber gezeigt und darauf hingewiesen, dass die regierende SPD selbst eine derartige Ballung von Flüchtlingen an einem einzigen Standort für "unverträglich" hält.
Dagegen richtet sich der Protest der Gruppe um Andreas Schacht. Der Anmelder reichte unter den lautstarken Protestrufen der Gegendemonstranten zunächst eine Unterschriftenliste herum, die sich gegen die Einrichtung von Flüchtlingsheimen in Farmsen-Berne richtet. Viele Teilnehmer distanzierten sich ausdrücklich von Rechtsradikalismus und fürchteten nach eigenen Angaben den Zustrom von Neonazis unter die Teilnehmer.
Massiver Gegenprotest am Donnerstag
Die Demonstration am Donnerstag war von Beginn an von lautstarken Gegenprotesten begleitet worden. Etwa 50 rechtskonservative Teilnehmersahen sich zu Beginn der Kundgebung um 16.30 Uhr etwa 600 Gegendemonstranten gegenüber. Seit 18 Uhr wird die Polizei in Farmsen massiv mit Steinen beworfen. Die Steine wurden aus den Reihen der Gegendemonstranten geworfen. Laut Polizei sollen Störer damit begonnen haben, am Zielort des Protestzuges Absperrungen abzubauen. Außerdem seien Farbbeutel in Richtung der Beamten geflogen.
Die Versammlung wurde von Andreas Schacht angemeldet, der dem rechtsradikalen Spektrum zugeordnet wird.
Gegen 17.45 Uhr setzte sich der Demonstrationszug zunächst über den Berner Heerweg in Richtung des Stadtteilbüros der SPD in Bewegung, die Gegendemonstranten liefen parallel. Die Polizeibeamten bildeten eine Kette, um beide Lager voneinander zu trennen. Auf beiden Seiten wurden jeweils Parolen gerufen, die Situation blieb jedoch zunächst geordnet und gewaltlos.
Um 18.20 Uhr gelang es einzelnen Teilnehmern der Gegenproteste, durch Hinterhöfe direkt vor die herannahenden Rechtskonservativen zu kommen. Sie versuchten eine Sitzblockade vor dem Demonstrationszug zu bilden und wurden sofort von Polizisten umstellt, um ein Aufeinandertreffen beider Gruppen zu verhindern.
Vereinzelte Störer begannen damit, die Beamten mit den Steinen und Farbbeuteln zu bewerfen. Der Demonstrationszug konnte sein Ziel am SPD-Bürgerbüro nicht erreichen und blieb an der Kreuzung August-Krogmann-Straße/Neusurenland stehen. Eigentlich hatte am Zielort eine Diskussion mit Bezirkspolitikern stattfinden sollen, die zur gleichen Zeit im Regionalausschuss über die Flüchtlingsfrage diskutierten. Die Polizei sperrte den Bereich weiträumig für den Autoverkehr ab.
Die Farmsener zeigten sich empört von dem heftigen Streit über die Unterbringung und die Bemühungen von Andreas Schacht. "Es ist falsch, solchen Leuten das Feld zu überlassen", sagte der Anwohner Gerhard Freker.
Kurz nach 20 Uhr eskortierte die Polizei die verbliebenen Rechtskonservativen an den versammelten Gegendemonstranten vorbei. Die Teilnehmer verließen den Demonstrationsort mit einem HVV-Bus.
Bundestag billigt Flüchtlingsheime in Gewerbegebieten
Unterdessen billigte der Bundestag eine Gesetzesinitiative, die das Baurecht lockert. Durch das Gesetz sollen Asylbewerberheime schneller zur Verfügung stehen. Hamburg, Bremen und Baden-Württemberg starteten eine entsprechende Initiative im Bundesrat.
Demnach dürfen dringend benötigte Unterkünfte in den kommenden Jahren auch in abgelegenen Gewerbegebieten errichtet werden. Erleichtert wird zudem die Nutzung von Bürohäusern und Gewerbeimmobilien als Flüchtlingsheim.
Bausenatorin Jutta Blankau (SPD) sagte am Donnerstag im Bundestag: "Großstädte wie Hamburg stehen vor der großen Herausforderung, geeignete Flächen für Unterkünfte zu finden." Dabei gebe es viele Flächen, die sehr gut geeignet seien, jedoch aufgrund von baurechtlichen Beschränkungen bislang nicht genutzt werden konnten. "Wir wollen dafür sorgen, dass die Flächen, die gut geeignet und sinnvoll sind, nicht mehr aus formalen Gründen abgelehnt werden müssen." Allerdings müsse jede Fläche geprüft werden.
Im vergangenen Jahr scheiterte die geplante Aufstellung einer Containersiedlung auf einem ehemaligen Recyclinghof im Stadtteil Lokstedt am Baurecht. Das Bezirksamt Eimsbüttel unterlag vor dem Oberverwaltungsgericht im Streit mit Anwohnern. Im September beschloss eine Senatskommission, nach dem Polizeirecht kurzfristig Notunterkünfte einzurichten. Im Harburger Binnenhafen sollen ein Wohnschiff sowie Pontons für Wohncontainer festgemacht werden.
Die Hilfsorganisation Pro Asyl warnte, diese Änderung des Baurechts führe zu einer Ausgrenzung von Asylbewerbern. "Ihre Integration wird behindert, wenn sie in Unterkünften in Gewerbegebieten untergebracht werden", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur dpa. Es sei außerdem zu befürchten, dass aus derartigen Notlösungen auch Dauerlösungen werden könnten.