[B] Debattenbeitrag - „Berlin struggle“ & „Terror im Kiez“

Vorweg: Wir sind skeptisch, ob es überhaupt noch genug Gruppen gibt, die sich im Diskursiven Raum der linksradikalen/autonomen Politik an Grundlegenden Debatten beteiligen. Schon die letzten größeren Texte und Auswertungen blieben meist ohne nennenswerte Reaktion. Mit dem Text wollen wir einen Beitrag, zur hoffentlich aufkommenden Debatte, um den „Berlin Struggle“-Text leisten und dabei den Widerstand gegen Verdrängung in die Diskussion mit einführen. Freuen würden wir uns auch, wenn die Debatte über Berlin hinweg stattfindet, da in Hamburg oder anderswo, sich doch sicher zum teil die gleichen Fragen aufdrängen.

 

Tot gesagte Leben Länger

 

Linksradikale/autonome Politik in Berlin liegt gegenwärtig so brach wie lange nicht mehr. Bis auf die Tage um die Ohlauer Räumung im Sommer und dem nächtlichen militanten Feuerwerk in der ersten Jahreshälfte läuft nix! Im „Berlin Struggle“-Text wurde die Frage nachdem Ist-Zustand gestellt, wir wollen diese als erstes für die Mieter*innen-Kämpfe bearbeiteten, um danach auf den o.g. Text einzugehen.

 

Wenn wir uns die gegenwärtige mediale Berichterstattung zu „Terror im Kiez“ anschauen, dann müssen wir feststellen, dass diese Hetze nur funktioniert, weil wir dem auf der Ebene der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung nix entgegnen! Es wäre (ist?) schon ein besonderer Einfall von „Counterinsurgency“, „die“ Linke-Szene für Verdrängung von Reichen verantwortlich zumachen, dabei die eigentlich laufende Verdrängung unerwähnt zulassen und das Thema steigende Mieten nicht mehr zu thematisieren. An dieser Stelle wäre es eigentlich die Aufgabe des Widerstand gegen steigende Mieten in die Debatte hinein zu grätschen und zum Beispiel das lächerliche Mietpreisbremse-Gesetz argumentativ zu zerlegen oder dem „Terror im Kiez“ etwas entgegen zu halten...

 

Aktionswoche gegen Verdrängung und steigende Mieten, war da was?

 

Die laufende Stadtpolitische-Aktionswoche vom „Ratschlag-Bündnis“, kann wohl schon jetzt getrost als die zahnloseste und am wenigsten beachtete Aktionswoche, in den jüngeren Mieten-Kämpfen der letzten Jahre angesehen werden. Wir Fragen uns, ist da etwa schon die seit längerem andauernde Umstrukturierung von Berliner Groß-Gruppen wie ALB und Avanti hinzu einer „bundesweiten Organisation“ zu spüren? Allerdings müssen sich Gruppen jenseits vom „Ratschlag-Bündnis“ auch die Frage gefallen lassen, warum sie nicht selbst mit einem antagonistischeren Ansatz in das Bündnis versucht haben einzuwirken, beziehungsweise eigene Aktionen gemacht haben?

 

Seit der Ali-Räumung im letztem Jahr, kommt zur aktuellen Situation zudem hinzu, dass der Senat, nicht noch einmal den Fehler machen wird und es auf eine öffentlichkeitswirksame Räumung ankommen lässt. Daraus resultiert,dass das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ im, zugegebnermaße überaus wichtigen und anstrengendem, „Alltagstrott“ der „Einzelfall-Bearbeitung“ steckt und sich in diesem Bereich kein neuer Offensiv- Moment ergibt.
Ähnlich sieht es bei den Militanten Gruppen und Grüppchen aus, die seit der Berliner Liste keine gemeinsame Stoßrichtung in Sachen Stadtpolitik mehr haben, trotz einiger guter Aktionen.

 

Wo wir auch schon beim Thema der Stadtpolitik von der IL wären, uns scheint es – zugespitzt formuliert - als ob die IL, die Links-Partei, mit ihrer Politik links überholen möchte.

Was bringt es der Politik Vorschläge für neuen sozialen Wohnungsbau zu machen?

Hinsichtlich einer Kapitalismus überwinden Perspektive, die doch unser aller Perspektive sein sollte, nur herzlich wenig. Sicher ist es für viele Menschen real politisch gesehen schön, wenn es viele preisgünstige Sozialwohnungen gibt, aber ist es nicht vielmehr so, das wir Zustände zuspitzen sollten, um eine Stadt für alle zu erkämpfen, anstatt die Arbeit der Links-Partei zu übernehmen?

 

Uns scheint dagegen der Ansatz der Eigentumsfrage verlockend, um das Thema wieder zu zuspitzen. Denn wenn wir zu uns selbst ehrlich sind, können wir lediglich zwei Dinge heraus analysieren die uns im Mieten-Kampf weiterbringen:

zum einen in die öffentliche Debatte einzuwirken und Eigentum und hohe Mieten argumentativ zu delegitimieren und zum anderen das wir uns „einfach“ aneignen/verweigern - Häuser/hohe Mieten - was uns an einer Stadt für alle hindert!

Und genau an diesem Punkt, beißt sich die Katz in Sachen Mietenpolitik des Ratschlag-Bündnis in den Schwanz, denn neuer Sozialerwohnungsbau stellt nix in Frage, vielmehr ist diese Forderung eine steil Vorlage für die Integration von Widerstand gegen steigende Mieten!

 

2 Jahre selbstorganisierter Kampf der Refugees & „Berlin struggle“-Text

 

Ersteinmal danke für den Text und Diskussionsanstoß!

In den letzten Jahren haben die selbstorganisierten Refugees-Gruppen ununterbrochen Besetzungen, Demos und Hungerstreiks gemacht und so nie locker gelassen und das Thema immer aktuell gehalten. Euer Text behandelt ja vor allem die Aktionsformen des Widerstand der Refugees, sowie die Frage nach der Rolle von Unterstützer*innen oder solidarische Mitkämpfer*innen.

Für die Widerstands-Form Hungerstreik/Selbstmorddrohung stimmen wir mit eurem Text überein, dass diese Form nix oder nur wenig bringt.

 

Denn spätestens seit der RAF ist eigentlich klar, dass sich die BRD nicht „erpressen“ lässt und vor allem nicht „erpressen“ lassen kann. Was im Ausland bei Entführungen vielleicht manchmal getätigt wird, nämlich Geld Zahlungen und teil Erfüllung der Forderungen, würde die BRD hierzulande niemals tun. Dafür ist dieser Staat viel zu sehr von der „Broken-Window“-Theorie durchzogen, wonach, wenn einmal Kriminalität zugelassen wird, also in diesem Fall einmal einer Forderung nachgegeben wird, es zu nur noch mehr Kriminalität führt bzw. weiteren Forderungen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn die BRD bzw. der Senat unbedeutende Unterhändler*innen schickt, um so über den Faktor Zeit den Protest zu beenden.

Was sich jetzt vielleicht nach, wir haben es ja schon immer gewusst anhört, wollen wir als solidarischen Hinweis darauf verstanden wissen, ob sich innerhalb der Refugees-Gruppen die Frage gestellt worden ist, was aus dieser Kampfform sich erhofft werden soll!

 

Dem könnte nun der Räumungsversuch der Schule im Sommer entgegen gehalten werden, mit dem zumindest für den Moment noch vorhandenen Teilerfolg des in der Schule verbleiben dürfens. Dazu: das „Räumungs-Hin und Her“ war so, nur bei einem grünem Kreuzberg möglich (was nicht heißen soll die Grünen sind toll, Parteien sind immer scheiße). Der Räumungsversuch verlief unter anderem solange, weil die Grünen ganz zwischen ihrer Klientel-Politik und den „Zwängen“ der Bezirkspolitik zerrissen waren. Vermutlich wäre die Räumung in jedem anderem Bezirk, bei jeder anderen Partei und auch beim Senat ganz anders verlaufen und schon am ersten Tag beendet worden!

 

Zur Frage, nachdem Rollen-Verständnis von Unterstützer*innen, haben wir selbst ein ambivalentes Verhältnis, aber es sollte klar sein das reflektierende weiße Privilegierte Personen, in gewissermaßen dazu verpflichtet sind Menschen die diese Privilegien nicht haben in ihrem Kampf zu unterstützen! Aber die Frage nachdem gemeinsamen solidarischen Kampf auf Augenhöhe bleibt oder kann es den überhaupt geben?

 

In dem Text wird außerdem auch die Frage nachdem revolutionären Gehalt der Refugee-Kämpfe gestellt, dem wollen wir entgegen halten, ob nicht eine Forderung - wie Bleiberecht für Alle - der die BRD niemals zustimmen kann, nicht allein schon durch ihre scheinbare Unerfüllbarkeit revolutionär ist?

 

Warum die beiden Kämpfe zusammenführen?

 

Für einer Stadt wie Berlin, in der es keine wesentliche Industrie gibt und andere große Arbeitszweige gibt, ist ein Internationales Image umso wichtiger. Ein Image, das Berlin darstellt, als eine moderne Metropole, im Vergleich zu anderen Städten geringen Kriminalitätsrate, Vergleichsweise billigen Grundstückspreisen und guter Infrastuktur, kurzum ein Image als Investoren- und Touristen-Ziel! In diesen Zusammenhang steht auch, dass die Innenstadt „sauber“ werden muss und „die Armen“ doch bitte an den Stadtrand ziehen, aber nicht nur die Armen, sondern vor allem auch die Geflüchteten müssen, aus dem Bild was diese Stadt vermitteln will, verschwinden. Daher werden die entstehenden Container-Dörfer auch an den Stadtrand gelegt, werden Wohnungen geräumt und der Görli, nach dem Mauerpark und Weinbergspark, auch Dealer-Frei gemacht.

Unsere, hier nur verkürzt dargestellte Analyse, zeigt also, dass die Menschen, die nicht genug Geld haben um in der Innenstadt zu wohnen und die Geflüchteten, in Teilen den Gleichen Konflikten gegenüber stehen, nämlich einer Stadt die die „urban outcasts“ nicht braucht und daher verdrängt. Bei den Refugees kommen, aber zudem noch diverse rassistische Kategorien hinzu (bei Teilen der anderen Verdrängten sicher auch). Für uns liegt es also nahe, dass die beiden Kämpfe solidarisch verbunden werden sollten.

 

Ein positiv Beispiel für uns ist hierfür, die Besetzung des Franz-Künstler-Haus im Sommer während einer United-Neighbours-Demo ! Für uns stellt sich also die Frage, wie die beiden „Teilbereiche“ weiter verknüpfen, wie wieder in die Offensive kommen? Wie wieder Spektren übergreifend zusammen kommen? Wir haben lediglich Phantasien: wie wäre es, ein Bündnis zu formen, von IL bis zu AutonomenGruppen, welches versucht Abschiebungen und Räumungen zu verhindern. Oder wie wäre es zu beschließen, das wir gemeinsam dafür Kämpfen das die Cuvrey-Brache und die Kindlbrauerei nicht bebaut werden, wie wäre es gemeinsam zu beschließen, dass die Schule, ende dieser Woche, nicht geräumt wird und wir alle mit unterschiedlichen Mittel dafür kämpfen!

Ein erster Schritt in diese Richtung, über den wir uns sehr gefreut haben, ist der Aufruf vom Bündnis „Zwangsräumung Verhindern“, gemeinsam die Räumung zu verhindern.

 

Denn: „das einzige mit dem Macht nicht umgehen kann, ist Solidarität.“

Also lasst uns alle zusammen die Räumung der Schule verhindern und jede andere auch!

Kommt wieder zusammen, bildet Banden:

Wir bleiben Alle!

 

 

Ein autonomer Zusammenhang aus Berlin,

 

Ende Oktober 2014

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vielleicht ein punkt zu einem ansonsten guten text (wenn es noch welche gibt die sowas kümmert):

das sich menschen auf dächer stellen und in den hungerstreick begeben kann mensch ja aus politischer perspektive betrachten. allerdings gibt es ja auch die "perspektive der verzweiflung", die sich weniger um taktik und strategie kümmert, weil die darin beteiligten event. wenig politisiert sind, sondern eben verzweifelt. das im strudel des zusammenbruchs des eigenen lebens, der eigenen existenz, vielleicht wenig bis gar nicht über vergangene politishce (!) hungerstreicks und selbstmord(drohungen) reflektiert wird, ist verständlich.

die letzte räumung (spandau) zeigt das auch wieder. klar gibt es die aktivist_innen die in jeglicher form helfen, für den konkret betroffenen geht es aber um das täglich brot, was eine "eskalation" der "aktionsform" (siehe presse) eben nicht ausschließt. er wird sicher nicht über schleier entführung nachgedacht haben, sondern wie er in 3 wochen was zu essen hat und wo er mit familie wohnt.

das nurmal so als randbemerkung