Es sieht nicht gut aus für die von kurdischen Kämpferinnen und Kämpfern gegen islamistische Mörderbanden verteidigte nordsyrische Stadt Kobanê. Seit gestern sind die IS-Milizen in die seit Wochen belagerte Stadt eingedrungen und der Straßen- und Häuserkampf hat begonnen. In unzähligen europäischen Städten sind Kurdinnen und Kurden auf die Straßen gegangen, um einerseits Öffentlichkeit zu schaffen und andererseits Unterstützung der europäischen Länder gegen ISIS zu erzwingen. Auch in Erfurt gab es, nach einer spontanen Demonstration am gestrigen Montag, heute eine Protestaktion auf dem Bahnhofsvorplatz.
Ca. 150 Kurdinnen und Kurdinnen und Unterstützer verschiedener linker und linksradikaler Parteien und Gruppen versammelten sich gegen 14.30 Uhr. Die Aktivisten stellten mit dutzenden Grablichtern das Wort Kobanê in großen Buchstaben auf dem Bahnhofsvorplatz auf – eine gelungene Anspielung darauf, dass in Kobanê bald der Tod in Gestalt der IS-Milizen das Sagen haben könnte, während dort zur Stunde noch die kurdischen YPG-Einheiten für das Leben kämpfen.
Weiterer Ausdruck schierer Verzweiflung war ein kurzes Laientheaterstück in dem kurdische Aktivistinnen von Mördern der ISIS enthauptet wurden. Im Anschluss schrien die Aktivistinnen „Heute wir, morgen ihr.“ Die Aussage und Symbolik ist so brachial wie real – für zehntausende Menschen in den von ISIS kontrollierten und bedrohten Gebieten geht es um Leben und Tod. Ihnen zu helfen, verlangt von der Weltgemeinschaft ein entschlosseneres Vorgehen gegen ISIS vor allem in Syrien. Mit dem beginnenden Häuserkampf in Kobanê ist die Entlastung des kurdischen Widerstandes in weite Ferne gerückt. Luftschläge allein bringen im Straßenkampf keine Entlastung mehr und ein Bodeneinsatz von NATO-Truppen steht nicht in Aussicht – mit Ausnahme vielleicht von Truppen der Türkei, die im Konflikt ihre eigene gänzlich unrühmliche Rolle spielt. Sie unterstützt verbal die Kurden und macht real ISIS den Weg frei für Nachschub an Waffen und Kämpfern.
Auch Landespolitiker ergriffen neben dem Redner des Kulturvereins Mesopotamien auf dem Bahnhofsvorplatz das Wort. Neben Madeleine Henfling von den Grünen, sprachen Katharina König und der Ministerpräsident in spe Bodo Ramelow von der Linkspartei. Alle sagten den kurdischen Aktivistinnen und Aktivisten Unterstützung zu, nur um eine ganz entscheidende Frage drückten sich alle. Von Waffenlieferungen an die kurdischen Verteidigungskräfte in Nordsyrien und NATO-Bodentruppen wollte niemand reden. Wohl weil allen ziemlich klar war, dass der übliche auf Diplomatie pochende Pazifismus bei ISIS zwar versagt, aber niemand den Paradigmenwechsel linker Friedenspolitik vom Zaun brechen wollte. Doch dieser steht endlich an, auch nachdem Kobanê gefallen ist.