Toter Flüchtling: Wachmann soll 2400 Euro Strafe zahlen

Erstveröffentlicht: 
30.09.2014

Sieben Monate nach dem Tod eines Flüchtlings macht das Amtsgericht kurzen Prozess. Es erlässt Strafbefehl wegen unterlassener Hilfeleistung gegen einen Wachmann.

 

Plauen. Noch hat der Sicherheitsmann Zeit, um Einspruch gegen seine Strafe einzulegen. Wenn nicht, wird es keine Gerichtsverhandlung geben. Dann ist die Akte zum Tod des Libyers Ahmed J. geschlossen.

 

Das Amtsgericht in Plauen will den Todesfall im Asylbewerberheim juristisch zu Ende bringen. Der kranke Familienvater starb im Februar in den Armen seiner Frau, weil er keine Hilfe bekommen hatte. Im Fokus der Ermittlungen stand der diensthabende Wachmann. Trotz des Bittens mehrerer Flüchtlinge hatte er sich geweigert, einen Notarzt für Ahmed J. zu rufen. Kurz darauf starb der 43-Jährige.

 

Hauptverhandlung nicht geplant

 

Der Wachmann soll jetzt 2400 Euro Strafe wegen unterlassener Hilfeleistung zahlen. Das hat ihm das Amtsgericht schriftlich per Strafbefehl mitgeteilt. Die Summe setzt sich zusammen aus 60 Tagessätzen zu je 40 Euro, erklärt Gerichtssprecher Michael Rüsing. Eine Hauptverhandlung ist vorerst nicht geplant. "Das ist das übliche Vorgehen zum Zwecke der Verfahrensvereinfachung. Die Staatsanwaltschaft hält eine Geldstrafe für ausreichend", sagt der Richter.

 

Zum öffentlichen Prozess im Gerichtssaal kommt es nur, wenn der Wachmann die Strafe nicht akzeptiert. Die Frage, weshalb er keinen Notarzt rief, bleibt damit nach wie vor unbeantwortet. Unklar ist auch, warum die Asylbewerber nicht selbst den Rettungswagen alarmierten. Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, äußerte damals seine Vermutungen gegenüber der "Freien Presse" so: "Wir hören immer wieder von Flüchtlingen, dass ihnen gesagt wird, sie müssen den Notarzt selbst bezahlen", sagte Mesovic. Die Kreisverwaltungen bauen Druck auf, mutmaßte er. "Aber keiner wird so dumm sein, schriftliche Weisungen zu erteilen." Dass Notärzte nicht gerufen werden, wenn Asylsuchende über Beschwerden klagen, sei ein Problem.

 

Rüsing zufolge gibt es in dem Plauener Fall keine Anhaltspunkte für ein "Organisationsverschulden". Es existiere ein Sicherheitskonzept für das Heim, in dem stehe, wie bei Krankheitsfällen vorzugehen ist.

 

In der Sammelunterkunft an der Kasernenstraße war bekannt gewesen, dass der Libyer sich krank fühlte. Drei Tage vor seinem Tod hatte er sich deswegen im Krankenhaus vorgestellt, kam aber wieder nach Hause. Weil er unter Atemnot litt, betteten ihn Mitbewohner mit seiner Matratze auf dem Gang des Asylheims. Dort hatte der Nachtdienst den Libyer liegen sehen.

 

Obduktionsbericht: Infektion

 

Laut Obduktionsbericht hatte Ahmed J. an einer Infektion gelitten, die trotz zweier Krankenhaus-Aufenthalte unerkannt blieb, so die Staatsanwaltschaft. Wahrscheinlich sei er schon längere Zeit erkrankt gewesen, vermutlich an Yersinien, einem seltenen Bakterium. Durch die Infektion hätten sich Blutgerinnsel in den Beinen gebildet, die zu der tödlichen Lungenembolie führten.

 

Die schwangere Witwe und ihr Kleinkind flüchteten wenige Tage später in ihre Heimat. Zum Strafbefehl kommt ein Vermerk ins Bundeszentralregister des Wachmanns. Mit einem Eintrag ins Führungszeugnis muss er nicht rechnen.