Leipzig. Sollte mit dem Buttersäure-Anschlag in Leipzig-Connewitz ein umstrittener Wahlkampfauftritt verhindert werden? Nach dem Angriff auf eine Podiumsdiskussion am Montagabend im Haus der Demokratie verdichten sich die Hinweise auf einen politischen Hintergrund. Inzwischen wurde bekannt: Im Vorfeld der Attacke, bei der niemand verletzt wurde, gab es einen Eklat um die Teilnahme eines AfD-Kandidaten. Der Staatsschutz ermittelt.
Die Linken-Kandidatin und Stadträtin Juliane Nagel hatte gleich zu Beginn das Podium, in dem insgesamt sieben Landtagskandidaten saßen, verlassen. Sie habe damit ihren Protest gegen den ebenfalls eingeladenen AfD-Kandidaten Roland Ulbrich ausdrücken wollen, sagte Nagel am Dienstag gegenüber LVZ-Online. Zuvor verlas sie auf der Bühne eine Erklärung. „Ulbrichs rassistische und menscheinfeindliche Äußerungen und die Nichtpositionierung des Veranstalters dazu haben mich gezwungen, Stellung zu beziehen und anschließend zu gehen“, erklärte Nagel.
Mölzer-Einladung nach Leipzig löste Protest aus
Die
Stadträtin spielte damit auf Aussagen Ulbrichs in der Vorwoche
gegenüber Spiegel Online an. Er hatte umstrittene Aussagen des
österreichischen Rechtspopulistien und FPÖ-Politikers Andreas Mölzer
verteidigt und diesen als „Elder Statesman“ bezeichnet. Den Begriff
„Neglerkonglomerat“ als Bezeichnung Mölzers für die EU nannte Ulbrich
„nicht so wild“. Nagel ist entsetzt darüber, dass „solche Äußerungen als
normal in den politischen Diskurs einziehen“. In einem kurzen
Streitgespräch auf der Bühne verwies AfD-Kandidat Ulbrich darauf, dass
das Strafverfahren gegen Mölzer eingestellt sei.
Die eingeladene
Piraten-Kandidatin Kathrin Weiss boykottierte die von einem Leipziger
Onlineportal initiierte Veranstaltung im Haus der Demokratie gänzlich.
Sie wolle „Rechtspopulisten und Nazis“ keine Bühne bieten, erklärte sie
zur Begründung. „Ich kann es nicht mit mir vereinbaren mit einem
AfD-Mitglied auf einem Podium zu sitzen, das Mitgründer der
Patriotischen Plattform ist und Menschen wie den österreichischen
Rechtspopulisten Andreas Mölzer einlädt, der mit rassistischen Parolen
auf sich aufmerksam macht.“
Auslöser des Streits:
Mölzer
soll – auf Einladung Ulbrichs und zwei weiterer AfD-Kandidaten – am
kommenden Donnerstag einen Vortrag an einem geheimen Ort in Leipzig
halten.
Dies war seit dem Bekanntwerden in der Vorwoche auf heftige Kritik
gestoßen und hatte auch innerhalb der AfD einigen Wirbel ausgelöst. Die
sächsische Parteispitze distanzierte sich und sprach von einem
Alleingang der Kandidaten. Dass Ministerpräsident Stanislaw Tillich
(CDU) am Wochenende dennoch mögliche Koalitionsgespräche mit der AfD
nach der Wahl nicht ausschloss, stieß besonders bei Weiss auf
Unverständnis.
Nagel distanziert sich von Anschlag
Spekulationen,
mit dem Buttersäure-Anschlag im Zusammenhang zu stehen, wies Nagel auf
Nachfrage von LVZ-Online vehement zurück. „Solche Taten sind armselig.
Das ist die falsche Form der Auseinandersetzung“, kritisierte die
Linken-Politikerin. Grünen-Kandidat Jürgen Kasek, der ebenfalls im
Podium saß, stellte sich dem Streitgespräch auf der Bühne und berichtete
gegenüber LVZ-Online, dass gegen 19.30 Uhr zunächst ein Feuerwehralarm
losgegangen sei, der später abgestellt werden konnte. Erst gegen 20.50
Uhr wurde dann jedoch nach Polizeiangaben die Buttersäure im Flur
verschüttet. Die alarmierte Feuerwehr lüftete den Raum und entfernte die
mit einer Bruchampulle verteilte übelriechende Flüssigkeit.
Die
Ermittler halten es für möglich, dass die unbekannten Täter einen
Abbruch der Veranstaltung erzwingen wollten, was jedoch nicht gelang.
Das live ins Internet übertragene Wahlforum ging trotz des Anschlags
noch bis etwa 21.30 Uhr weiter. Die rund 50 Gäste der Veranstaltung,
darunter zahlreiche Parteimitglieder, verließen erst danach das Gebäude.
Dass der Anschlag einem bestimmten Kandidaten galt, sei eher
unwahrscheinlich, hieß es von der Polizei. „Dann wären ja auch andere
Teilnehmer in Mitleidenschaft gezogen worden“, so ein Ermittler.
Kasek
verurteilte den Anschlag und sprach davon, so etwas bislang noch nicht
erlebt zu haben. „Ich halte die AfD zwar für eine gefährliche Partei,
aber die demokratische Auseinandersetzung muss auch mit demokratischen
Mitteln erfolgen“, sagte der Leipziger Grünen-Chef gegenüber LVZ-Online.
FDP-Kandidat René Hobusch blies ins gleiche Horn: „Wer zu solchen
Mitteln greift, hat den Bezug zur Demokratie schon lange verloren.“