Die Bagger pflügen, der Hotelier philosophiert und die Polizei checkt die Lage. Rund um Schloss Elmau in Oberbayern trifft man auf die Vorboten des G-8-Gipfels 2015. Auch die Gegner sind schon mal beim Probewandern.
An der kleinen Holzhütte am Bach müssen alle vorbei, die mit dem Auto ins Gipfel-Paradies fahren. Ein Mitarbeiter der Gemeinde Krün verlangt hier vier Euro Maut für die Nutzung der Privatstraße in die Elmau. In diesem prachtvollen Talkessel am Fuße des Wettersteingebirges werden sich am 4. und 5. Juni 2015 die sieben mächtigsten Staatenlenker der Welt treffen. Vielleicht auch acht, wenn Wladimir Putin doch noch eingeladen wird.
Daneben werden erwartet: etwa 15 000 Polizisten, 3000 Delegationsmitglieder, 5000 Journalisten und eine unbekannte Zahl von Demonstranten. Allein im Jahr 2014 will der Freistaat 41 Millionen Euro für die Vorbereitungen ausgeben. In Elmau herrscht schon reger Betrieb, allerdings zahlen an der Mautstation viele Besucher keinen Cent: Handwerker, Bauarbeiter, Polizisten und Regierungsbeamte dürfen gratis passieren. Ein Streifzug durch eine Region, die wenigstens bisher für ihre Gipfel geliebt wird.
Die Zwillinge
An der Mautstraße holt ein Staplerfahrer einen Packen Plastikrohre von einem Anhänger, die so lang sind wie ein Fernreisebus. Die Kollegen im Bagger reißen gerade den Graben auf, in dem sie verlegt werden. Das Fünf-Sterne-Hotel Schloss Elmau soll durchaus über eine akzeptable Wasserversorgung, eine funktionierende Hackschnitzelheizung und auch über einen passablen Internetanschluss verfügen.
Doch für den Gipfel gilt das Prinzip Zwilling: Alles muss doppelt vorhanden sein. Eine neue Wasserleitung wird verlegt, eine neue Gasleitung, eine neue Internetleitung. Eine zweite Zufahrtsstraße soll ertüchtigt und teilweise geteert werden. Und weil man schon dabei ist, wird Elmau an den Kanal angeschlossen. Das Schöne daran: Das Geld kommt von oben. Wie auch die Hilfe für den neuen Digitalfunk: So mancher Mast in Oberbayern steht ungenützt herum, weil alle Handwerker und alles verfügbare Material ins Werdenfelser Land beordert wurden.
Der Hotelier
Gäbe es ein G-8-Treffen für Hoteliers, Dietmar Müller-Elmau wäre sicher eingeladen. Die internationalen Auszeichnungen für ihn und sein Hotel Schloss Elmau, Fünf-Sterne Superior, sprengen jeden Briefkopf.
Für Angela Merkel und ihre Kollegen hat er sich noch mehr ins Zeug gelegt, erzählt er beim Tee auf der Hotel-Terrasse: Rechtzeitig zum G-8-Gipfel wird ein Neubau in Rufweite zum Schloss fertig, mit Suiten, in denen er sieben oder auch acht Staatenlenker "bis auf den Quadratzentimeter gleichwertig" unterbringen könnte. Wenn sie so nahe beisammen nächtigen wollen. Sie können auch das Haupthaus nutzen, 14 Tage lang hat es die Bundesregierung ebenfalls komplett gemietet.
Müller-Elmau versteht sich nicht nur als Hotelier, sondern auch als Philosoph und homo politicus. Sollte Frau Merkel mal nicht mehr weiter wissen, hätte er durchaus das Selbstbewusstsein, die ganze Gipfel-Bagage per Helikopter auf den Schachen hinauffliegen zu lassen und ihr dort am Lieblingsplatz seines Idols, König Ludwig II., ein paar politische Visionen einzubläuen.
152 Beamte arbeiten an der Planung
Die Beschützer
Die Sonne brennt auf den Forstweg gegenüber von Schloss Elmau, vier Männer gehen nebeneinander. Einer trägt ein Notizbuch bei sich. Dafür fehlen Rucksäcke und schwere Wanderstiefel. Privat hier? Gelächter. Sie sind dienstlich unterwegs wie so viele: Beamte im grün-weißen Bus der normalen Polizei begegnen Beamten im blauen Bus der Bundespolizei. Wanderer, die tatsächlich wie Wanderer aussehen, sprechen an der Conciergerie von Schloss Elmau vor, weil sie eine dringende sicherheitsrelevante Frage haben. Beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm beschützten 17 000 Polizisten die mächtigsten Politiker der Welt.
In Bayern steht noch nicht fest, wie viele es sein werden. In der Region rechnet man mit etwa 15 000. An der Planung arbeitet in München ein Stab mit 152 Beamten. In Garmisch-Partenkirchen haben Polizisten schon private Überwachungskameras in Geschäften registriert. Falls man mal mitschauen möchte am Monitor. Trotz dichter Polizeipräsenz gibt es aber noch Lücken im Sicherheitsnetz. Im Mai konnten zwei Diebe in aller Ruhe zum Schloss Elmau fahren und einen Tresor mitgehen lassen. Der wurde leer in einem Stadel gefunden, das Einbrecher-Duo bisher nicht gefasst.
Die Datensammler
Die beiden Mittenwalder Peter Reindl und Fabian Rößler sitzen am Abend des 21. Januar in einer Kneipe, als die Kanzlerin den Gipfelort bekannt gibt. Der Systemadministrator und der Grafiker haben einen Laptop dabei, ein paar Minuten später steht die erste Infoseite zum Gipfel im Netz (www.g8-2015.de).
Sehr zum Missfallen der Bundesregierung, die sofort ein Einschreiben schickt mit dem Befehl, die Adresse abzutreten. Als die beiden nachweisen können, dass sie keine Staatsfeinde sind, sondern zwei politikinteressierte Bürger, herrscht Ruhe. Nun sind sie jede Woche unterwegs, besichtigen Baustellen, besuchen Info-Veranstaltungen: "Wir wollen umfassend informieren, das macht ja sonst keiner", sagt Reindl.
Die Gegner
Heiligendamm. Ein schöner Ort, ein schönes Hotel, hässliche Erinnerungen, die den Menschen im Werdenfelser Land Angst machen. 2007 eskalierten die Proteste gegen den Gipfel dort, fast 3000 Gegner lieferten sich im nahen Rostock Straßenschlachten mit der Polizei. Mindestens zwei Gruppen haben schon offiziell Widerstand gegen den 2015er-Gipfel in Bayerns Bergen angekündigt.
Wenig schrecken dürfte die Einheimischen der Kreisverband der Grünen in Garmisch-Partenkirchen. Schon für mehr Unruhe sorgt die Ankündigung einer Organisation mit Namen "[3A]* Revolutionäres Bündnis". Die G-8-Lenker würden sich verschanzen, heißt es darin. Das ältere Ehepaar, das in Elmau den Eingang zum G-8-Hotel sucht, wirkt eher unverdächtig, aber die radikalen Gegner waren schon hier beim "Probewandern": Die Kulisse sei reizvoll, schreiben sie, man würde wiederkommen für den "Sturm auf den Gipfel".
Die Umweltschützer
Axel Doering vom Bund Naturschutz ist seit der Münchner Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 ein Experte für Großereignisse. Auch vor dem G-8-Gipfel will er die Natur so gut wie möglich schützen, wenn er ihn schon nicht verhindern kann. "Massen werden in diesem höchst sensiblen Gebiet einfallen", fürchtet er.
Schon jetzt, wo noch wenig bekannt sei, zeichne sich eine enorme Belastung der Natur ab: Forstwege werden für die Polizei ausgebaut und verbunden. Die Zufahrtsstraße aus Mittenwald soll teilweise geteert werden. Auf den Wiesen um Elmau werden Hubschrauber mit den wichtigen Besuchern landen. Nicht nur die Polizei, sagt Doering, werde wachsam beobachten, was sich das kommende Jahr in Elmau tut.