Entsetzen in Treuenbrietzen und Brück: Eine Rechtsextreme arbeitete als Erzieherin in einer christlichen Kita. Inzwischen wurde die Frau entlassen. Sie bestreitet, rechtsradikal zu sein. Doch die Beweise sind erdrückend.
Sie lebte drei Jahre unerkannt in Treuenbrietzen, 60 Kilometer südwestlich von Berlin. Dort machte sie Karriere in der CDU und wurde Erzieherin in einer christlichen Kindertagesstätte im Nachbarort Brück. Damit ist es jetzt für Nicola Brandstetter vorbei, ihre Vergangenheit hat sie eingeholt. Ihre Aktivitäten im 2007 gegründeten und 2012 abgeschalteten braunen Netzwerk Thiazi, laut Bundeskriminalamt (BKA) das zuvor bedeutendste deutschsprachige Neonazi-Internetforum, und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Rostock wurden ihr zum Verhängnis.
Brandstetter hetzte im Internet gegen Sinti und Roma
Brandstetter ist Österreicherin, Jahrgang 1979. Vor elf Jahren kam sie nach Deutschland, 2011 zog sie aus Rheinland-Pfalz nach Potsdam-Mittelmark.
Vor zwei Jahren bekam die Erzieherin einen Job im christlichen Kindergarten. Beim CDU-Stadtverband stieg sie zur Beisitzerin auf, bei der Kommunalwahl fiel sie aber in der Stadt und für den Kreistag durch. Der CDU in Potsdam-Mittelmark blieb damit ein größerer Skandal erspart. Denn nach der Wahl wurde Brandstetters braune Vergangenheit bekannt. Die „Antifa Freiburg“ hatte Daten der Thiazi-Internetseite ausgewertet und enttarnte die 34-Jährige als Foren-Moderatorin mit dem Pseudonym „Prometheusfunke“.
In dem Netzwerk soll sie eine führende Rolle gespielt haben – laut Staatsanwaltschaft Rostock in den Jahren 2009 und 2010. Brandstetter soll 1500 Beiträge verfasst haben und sich dabei etwa über den – wörtlich – „Holoklaus“ lustig gemacht haben. Oder sie hetzte gegen Sinti und Roma und schrieb von „Inzest unter Zigeunern“. Eine ihrer Aufgaben bei Thiazi soll es gewesen sein, die Übersetzung des Romans „Hunter“ des US-Neonazis William Pierce zu koordinieren, laut Experten „eine literarisch inszenierte, von derben Gewaltfantasien durchsetzte antisemitische Hetzschrift“.
Brandstetter gehörte zur Gruppe von 26 Neonazis, die 2012 ins Visier der Ermittlungsbehörden rückte. Es gab Razzien, auf Druck der Behörden wurde die auf Servern im Ausland gespeicherte Internetseite von Thiazi abgeschaltet. Im Mai 2013 wurde gegen vier Betreiber des Thiazi-Forums Anklage vor dem Landgericht Rostock erhoben, heute sind es zehn Angeklagte. Vier weitere sollen hinzukommen. Als Hauptbeschuldigte gelten ein 32-jähriger Erzieher aus Mecklenburg-Vorpommern sowie eine 32-jährige Hausfrau aus Baden-Württemberg. Die Anklagen lauten auf Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sowie Volksverhetzung. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, mehr als 2400 Liedtexte und mehr als 1400 Tonträger zum Download im Internet angeboten zu haben. Laut BKA wurde in zahlreichen Texten zum Hass gegen Ausländer, Juden und Menschen mit anderer Hautfarbe aufgestachelt und zu Übergriffen aufgerufen. Der Holocaust werde zudem verharmlost und der Nationalsozialismus verherrlicht. Mit 30 000 Nutzern galt Thiazi laut BKA als das bedeutendste deutschsprachige Neonazi-Internetforum, szeneintern auch „germanische Weltnetzgemeinschaft“ genannt.
Vor ihrem Rauswurf beteuerte die Erzieherin, nicht rechtsradikal zu sein
Auch Brandstetter stand im Verdacht, mit Thiazi eine kriminelle Vereinigung unterstützt zu haben. Und auch ihre Wohnung wurde durchsucht. Allerdings ist das Verfahren wegen der im Vergleich geringen Beteiligung und der geringen Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden.
In Treuenbrietzen war das Entsetzen groß. Die CDU drängte sie zum Rücktritt. Bei dem Kindergarten zögerte man zunächst, personelle Konsequenzen zu ziehen. „Das ist nicht unsere Nicola, von der wir da erfahren mussten, sagten auch viele Kollegen und Eltern“, sagte die Vereinschefin Almut Kautz gegenüber der „MAZ“. Solange sich alle Mitarbeiter dienstlich wie privat an den Vereinsgrundsatz zur Nächstenliebe hielten, gebe es keinen Anlass, etwas zu unternehmen. Drei Wochen später flog Brandstetter raus. „Dieses Gedankengut hat nichts mit unseren Leit- und Grundsätzen zu tun.“
Noch vor ihrem Rauswurf distanzierte sich Brandstetter von „rechtsradikalem und nationalsozialistischem Gedankengut“. Dies passe nicht „zu meinen streng katholischen Grundwerten“, sagte sie. Doch auch über ihre Tätigkeit als Erzieherin hatte sich Brandstetter offen rassistisch geäußert. Als sie noch Erzieherin in Rheinland-Pfalz war, schrieb sie: In ihrem Ort „gibt es bemerkenswerterweise keinen einzigen Schwarzen. Wenn ich in die nächste größere Stadt fahre, ist das Bild aber schon wieder ein völlig anderes, und dort würde ich mein Kind auch um keinen Preis in die Kita schicken wollen“.