Plakatkleberin droht Gefängnissstrafe

Erstveröffentlicht: 
20.07.2014

Richterin »Gnadenlos« und die Hamburger Aktivistin Claudia F.Weil sie Plakate gegen Gentrifizierung angebracht haben soll, wird einer Hamburgerin nun der Prozess gemacht. Die Richterin denkt bereits laut über eine Freiheitsstrafe nach.

 

Vor dem Landgericht Hamburg wurde nun erneut im Berufungsverfahren gegen die Aktivistin Claudia F. verhandelt. Ihr wird vorgeworfen, Plakate angebracht zu haben, auf denen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zu Straftaten aufgerufen wird. Auf den mit »Schanze abwerten« überschriebenen Plakaten sind u.a. Farbflecke an Häusern, ein Polizeieinsatz und ein brennendes Polizeiauto abgebildet.

 

An den Verhandlungstagen am Montag und Freitag demonstrierten Unterstützer, indem sie mit einem auf T-Shirts gedruckten Abbild des Plakats im Zuhörerraum des Gerichtssaals erschienen. Richterin Schönfelder hatte dies am ersten Verhandlungstag geduldet, verlangte jedoch letzten Donnerstag, dass die T-Shirt-Träger ihre Personalien abgegeben sollten. Als sie einen Justizbeamten aufforderte, die Polizei hinzuzuziehen, um das durchzusetzen, verließen die Zuschauer sowie die Angeklagte den Gerichtssaal. Schönfelder fragte daraufhin, ob das nun »Feigheit vor dem Feind« sei. Die Verteidigung stellte einen Befangenheitsantrag. »Derartige Feindbildzuschreibungen sollten in einem Gericht insbesondere von einer Richterin nicht vorgenommen werden,« kritisiert Rechtsanwältin Ingrid Witte-Rohde.

 

Ein erster Befangenheitsantrag war gestellt worden, da die Richterin im Gespräch mit den Anwälten laut darüber nachdachte, eine Freiheitsstrafe anstatt die vom Amtsgericht entschiedenen 70 Tagessätze á 10 Euro zu verhängen, da sie im Internet erfahren habe, dass Geldstrafen gegen Claudia F. von einem Solidarischen Netzwerk getragen würden. Die Befangenheitsanträge wurden diese Woche ohne hinreichende Begründung abgelehnt.

 

Claudia F. weigert sich seit letztem Donnerstag, am Prozess teilzunehmen, da durch den Versuch der Personalienfeststellung im Gerichtssaal faktisch die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen werde. Auch in den Gerichtsgängen und am Ausgang hatten Polizeibeamte mit wenig Erfolg versucht, Personalien von Besuchern aufzunehmen. »In Anbetracht des Feindbildes der Richterin - gemeinsam mit den Unterstützern die Verhandlung zu verlassen und bis zum Ende nicht mehr daran teilzunehmen, sehe ich als Möglichkeit, das weitere Prozessgeschehen aktiv und offensiv zu beeinflussen«, so die Beschuldigte.

 

Die als Zeugen befragten Polizeibeamten R. und Z. hatten erhebliche Gedächtnislücken und widersprachen sich mehrfach gegenseitig. Ein weiterer Polizeibeamter hatte zuvor gesagt, dass Claudia F. bereits in den einwöchigen Anfängerschulungen der Bereitschaftspolizei namentlich und per Foto bekannt gemacht und zum Feind stilisiert werde. »Dadurch wird in Bezug auf meine Person der Datenschutz faktisch ausgehebelt,« kritisiert F. »Die Anklage gegen unsere Mandantin beruht ohne konkreten Tatvorwurf und Beweise auf Vermutungen von Polizeibeamten. Seit Jahren wird vergeblich versucht, sie zu kriminalisieren,« erklärte Rechtsanwalt Andreas Beuth.

 

Es handelt sich nicht um den ersten Prozess gegen F., die sich seit zehn Jahren im »Freien Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks« engagiert. Die Initiative wehrt sich gegen die Gentrifizierung des Hamburger Szeneviertels, die Vertreibung »nicht konsumkompatibler Menschen« und Repression durch Polizeibeamte. Deshalb steht die Initiative offenbar auch im Fokus der Ermittlungsbehörden. Immer wieder werde sie wegen Nichtigkeiten in Gewahrsam genommen, so die Beklagte. Polizeibeamte hätten gedroht, sie »auch finanziell fertig zu machen«. Mehrfach musste Claudia F. nach Festnahmen wegen »vermeintlicher Hausfriedensbrüche« in einem im Schanzenpark gelegenen Luxushotel notärztlich behandelt, in mehreren Fällen auch operiert werden.

 

Ein Großteil der mehr als 80 Ermittlungsverfahren, mit denen die Aktivistin bisher konfrontiert war, wurde eingestellt. Gerichtsverfahren endeten mit Freisprüchen. Für den jetzigen Prozess sind drei weitere Verhandlungstermine angesetzt, da die Verteidigung die Hinzuziehung weiterer Texte, Akten und Zeugen beantragte.