Rechter Aufmarsch in Plauen: Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen Nazi-Gegner ein

Erstveröffentlicht: 
08.07.2014

Am 1. Mai marschierten im sächsischen Plauen Rechtsextreme auf - rund 2000 Menschen stellten sich ihnen in den Weg. Für Hunderte Nazi-Gegner folgten Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Nun wird klar: Sie verlaufen im Sande.

 

Die Neonazi-Größe Norman Kempken hatte zum Aufmarsch gerufen und mehr als 600 Gleichgesinnte aus Sachsen, Thüringen, Bayern und Hessen zusammengetrommelt. Als sie am 1. Mai diesen Jahres durch die Straßen Plauens marschierten, zeigte sich Kempken - laut Verfassungsschutz ein zentraler Akteur im "Freien Netz Süd" (FNS) - voller Stolz: Er hatte in der sächsischen Vogtland-Stadt eine der größten Neonazi-Demonstrationen Deutschlands auf die Beine gestellt.

 

Unter dem Motto "1. Mai - Vogtland nazifrei" stellten sich nach Angaben der Behörden etwa 2000 Gegendemonstranten den Neonazis in den Weg, errichteten Blockaden und versuchten, deren Strecke abzukürzen. Die Polizei, mit rund 800 Beamten vor Ort, griff ein und errichtete einen Kessel: Darin hielt sie etwa 300 Gegendemonstranten bis zu fünf Stunden fest.

 

Die Anti-Nazi-Protestler wurden schließlich einzeln abgeführt, mussten sich fotografieren lassen und ihre Personalien abgeben. Gegen 389 Personen, darunter die meisten der zuvor Eingekesselten, wurden Strafverfahren eingeleitet wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

 

Entschuldigung beim Pfarrer


Nun hat die Staatsanwaltschaft Zwickau 35 Strafverfahren eingestellt. Allerdings erfolgte die Einstellung nicht nach Paragraf 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (mangels Tatverdacht), sondern nach Paragraf 153 wegen "Geringfügigkeit", sagt Staatsanwältin Antje Dietsch. Es sei damit zu rechnen, dass auch die anderen Strafverfahren eingestellt werden. Noch seien diese in Arbeit.

 

Juliane Pfeil, SPD-Stadträtin in Plauen, war unter den Gegendemonstranten. Sie habe "den ganzen Tag dort nichts empfunden oder erlebt, was strafrechtlich verfolgt werden könnte". Zwei, drei Personen hätten ein Dixi-Klo umgeworfen, "das war's". Auch ihre Personalien wurden aufgenommen, ermittelt wurde gegen sie jedoch nicht.

 

Der Polizeieinsatz hat bereits mehrfach für Debatten im Innenausschuss des Sächsischen Landtages gesorgt. Auch weil die Beamten die Pauluskirche regelrecht gestürmt und Demonstranten, die sich dort aufhielten, herausgezerrt hatten. Die Einsatzleitung sprach anschließend von "Irritationen" und entschuldigte sich beim Pfarrer.

 

Straftatvorwurf "völlig absurd"


Die Berliner Rechtsanwältin Lea Voigt sagte zur Einstellung der Strafverfahren, dass die Staatsanwaltschaft Zwickau damit faktisch anerkenne, dass der Polizeieinsatz unverhältnismäßig gewesen sei. Voigt vertritt einen Mandanten, der im Kessel festgehalten worden war.

 

Der Straftatvorwurf sei "völlig absurd", sagt Voigt. Wer von seinem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch mache, könne sich nicht gleichzeitig durch seine bloße Anwesenheit strafbar machen. "Andernfalls würde die Versammlungsfreiheit ausgehebelt." Schon der Polizeikessel sei rechtswidrig gewesen. "Die Betroffenen bildeten eine Versammlung, die auch von der Polizei vor Ort anerkannt und nicht aufgelöst worden war." In einem solchen Fall verbiete sich eine sogenannte Ingewahrsamnahme.

 

Für die Betroffenen sei es wichtig, dass sich die Staatsanwaltschaft ihrer Verantwortung stelle und zugebe, dass "das Verhalten der Demonstranten nicht strafbar war", so Voigt. Es gehe um deren Rehabilitierung. Doch diese Frage lasse die Staatsanwaltschaft offen.

 

"Wir werden daher beim Amtsgericht beantragen, nachträglich festzustellen, dass die Freiheitsentziehung rechtswidrig war. Ohne diese Klärung muss man befürchten, dass die Sächsische Polizei auch bei künftigen Einsätzen die Grundrechte von Demonstranten nicht ausreichend respektiert."

 

Staatsanwältin Dietsch sagte, jeder Betroffene könne sich gegen die Begründung des Einstellungsbescheids wehren. "Aber es ist nun mal das Ergebnis, zu dem wir nach der Prüfung gekommen sind."