Bremen ist eine Rüstungshochburg geblieben

Kriegsgerät versenken!

Daß der Tod auch ein Meister aus Bremen ist, bewahrheitet sich auf dramatische Weise an Geschichte und Gegenwart der Stadt und ihrer Rüstungsbetriebe. Ausführlich dokumentiert ist dies in einer Broschüre der Arbeitsgruppe Abrüstung der Uni Bremen aus 1984 mit dem Titel „Der Kaiser ging, der Führer ging – die Waffenschmieden blieben“.

 

Deshalb mache ich hier mal einen Abstecher in die Geschichte, weil dies die Kontinuitäten bis heute deutlich macht. Selbst durch zwei Weltkriege gab es keine allzu großen Bruchlinien in der Rüstungsproduktion.

 

In der genannten Broschüre wird anschaulich erläutert, wie sich Bremen schon vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Aufbau einer eigenen Metallindustrie, die auch auf kolonialen Raubzügen fußte, zu einem Zentrum der Waffenproduktion entwickelt hatte.

 

Die Bestimmungen des Versailler Vertrages versetzten allerdings nicht nur den Rüstungsproduzenten erst mal einen Schlag. Auch der zivile Handel hatte darunter gelitten. Nachdem im Februar 1919 der Versuch einer sozialistischen Republik zum Scheitern gebracht wurde, ermöglichte eine kurze Erholungszeit die erneute kapitalistische Steigerung von Warenproduktion, Handel und Export.

 

Aber fehlende Rüstungsaufträge und nachlassende Schiffsbau-Aufträge führten zunächst zu Personalabbau und zum drohenden Ruin größerer Betriebe wie der ehemaligen „AG Weser“. Dennoch gelang es, trotz des Aufrüstungsverbots im Kriegsschiffsbau durch Gründung von Tarnfirmen tätig zu bleiben. So gründete z.B. die „AG Weser“ 1922 zusammen mit anderen Werften in den Niederlanden ein Konstruktionsbüro für den U-Bootbau. Die von dem Bremer Kaufmann Ludwig Roselius maßgebend finanzierten Focke-Wulf Flugzeugwerke beteiligten sich ab 1931 an der geheimen Reichswehrfliegerei.

 

Die Weltwirtschaftskrise traf Bremen besonders hart. 1929 kam es erneut zu Massenarbeitslosigkeit und zur Stilllegung von Betrieben. Vergeblich forderte die damalige „Sozialistische Arbeiterpartei“ SPD und KPD zur Bildung einer proletarischen Einheitsfront gegen den Faschismus auf. Durch Kapitaltransfer in die Rüstungsbetriebe gelang den Großkaufleuten, alsbald die sinkenden Handelsprofite auszugleichen. Eng mit dem Staatsapparat verzahnt forderten sie spätestens ab 1932 die „Zerschlagung des Marxismus“. Sie wollten die Errichtung einer nationalen Diktatur. Die Bremer  Räterepublik zum Beispiel wurde 1919 von Reichswehreinheiten und Freicorps-Soldateska blutig niedergeschlagen. Wohl auch um einer möglichen Enteignung des Bankensektors und der Rüstungsindustrie zuvorzukommen, hatte die damalige rechtsgerichtete SPD-Reichsregierung ihre Truppen ohne Skrupel nach Bremen in Marsch gesetzt.

 

Die Hoffnungen der reaktionärsten Kräfte erfüllten sich mit der Machtübertragung an die Faschisten: Die Hansestadt zählte spätestens mit der Proklamierung der deutschen Wehrhoheit ab 1935 zu den wichtigsten Rüstungsschmieden in Deutschland. Dies galt für den Flugzeugbau, und ebenso für den Schiffs- und Militärfahrzeugbau. Dies galt insbesondere auch für die kriegswichtige Stahlproduktion durch die zum Krupp-Konzern gehörende Norddeutsche Hütte. Sie wurde nach dem Krieg in „Klöckner-Hütte“ umbenannt.

 

Der „AG Weser“ gelang 1935 die Übernahme umfassender Marineaufträge. Auch die Atlas-Werke hatten damit schon 1934 Erfolg. Die Borgward-Autowerke beteiligten sich ebenfalls ab 1934 am großen Rüstungskuchen, indem sie gepanzerte Militärfahrzeuge für die faschistische Wehrmacht entwickelten und bauten. Vor allem in solchen Betrieben entstand ein hoher Arbeitsbedarf, der 1935 den Beschäftigungsstand von 1928 wieder erreichen ließ. Gerade aus Bremen kam also von 1933 bis 1945 ein großer Teil des Waffenpotenzials für die Vernichtungskriege der Nazis.

 

Remilitarisierung nach 1945 

 

Die Lieferanten für Heer, Marine und Luftwaffe durften sich nach dem Zweiten Weltkrieg nach einer kurzen, von den Militärregierungen verordneten Zwangspause am Wiederaufbau beteiligen. „Auferstanden aus den Ruinen“ kamen die Nachfolger der zunächst zur Demontage verpflichteten alten Firmen wie Focke-Wulf, Atlas-Werke, Borgward und andere wieder ins Geschäft. Dies geschah ab den 1950er Jahren mit Billigung und Unterstützung des Senats.

 

Die zum Krupp-Konzern gehörende Firma „Atlas“, die auf Rüstungselektronik spezialisiert war, konnte ihre Erfahrung in militärischer Fertigung nach 1945 auf den Zivilsektor übertragen. Ein frühes Dual-Use-Beispiel also. In den 1980er Jahren kamen alle nach Kriegsende mit Solaranlagen ausgestatteten U-Boote der Bundesmarine aus Bremen.

 

Auch der damals in MBB (Messerschmidt-Bölkow-Blohm) umbenannte Flugzeugbauer, der vorher Vocke-Wulf-Werke hieß, übernahm wieder eine Vorreiterrolle. Der Konzern produzierte in den 1980er Jahren das teuerste Spielzeug der Bundeswehr: den MRCA Tornado als Nachfolgeflugzeug für den fehl-konstruierten Starfighter. Der nach dem Korea-Krieg einsetzende Kriegsschiffbau machte auch Firmen wie die Friedrich-Lürssen-Werft zu den Nachkriegsgewinnern. Die Vegesacker Werft baute Schnellboote und Fregatten, und andere Werften stellten U-Booten her.

 

In der noch vom Krieg gezeichneten Stadt stellten Rüstungsbetriebe zunächst Haushaltsgeräte und sanitäre Einrichtungen her, und verdienten damit auch nicht schlecht. Aber mit Mordwerkzeug für den Krieg waren die Profite natürlich deutlich höher – und das war schließlich ausschlaggebend! Aus diesem Grund unterliefen sie die Verpflichtung zur Friedensproduktion und zur Demontage - teilweise sogar mit Hilfe des Senats und der Bremischen Bürgerschaft.

 

1947/48 gehörte der Stadtstaat Bremen zu den Ländern, die bei der Formulierung einer neuen Nachkriegsverfassung noch von einer antikapitalistischen Umgestaltung ausgingen. So sah der Verfassungsentwurf der SPD vor, die Schlüsselbetriebe und ehemaligen Rüstungsfirmen unverzüglich in Gemeineigentum zu überführen und das volle Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte abzusichern. Diejenigen, die sich als Minderheit daran erinnerten, antworteten auf die Rüstungsinitiative des Senats von 1983 mit einer eigenen Abrüstungsinitiative.

 

Federführend war der „Arbeitskreis der Bremer Arbeiterveteranen“ mit der Aktion „Für den Frieden produzieren – Alternative Fertigung statt Arbeitsplatzabbau und Aufrüstung“.  Auch die 1989 ins Leben gerufene „Bremische Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung“ entwickelte zusammen mit der IG Metall Konzepte und Modelle für eine Umwandlung von Rüstungs- in Zivilproduktion. Später allerdings setzten sich sowohl auf politischer Ebene, als auch bei den Rüstungsfabrikanten wieder die sattsam berüchtigten Profitinteressen durch.

 

Heute befinden sich in der Hansestadt fünf Rüstungsbetriebe von bundesdeutschem, ja zum Teil europäischem Rang. Das sind Atlas-Elektronik (früher Atlas), EADS-Airbus (EADS steht für Luft- und Raumfahrtkonzern), Rheinmetall Defense Electronics (RDE), die Friedrich-Lürssen-Werft, und der Satellitenhersteller OHB System AG (Orbitale Hochtechnologie Bremen), der nahe der Universität angesiedelt ist. Darüber hinaus gibt es zahlreiche kleinere Betriebe, die rüstungsrelevante Erzeugnisse herstellen.

 

Bremen ist also eine Rüstungshochburg geblieben! 

 

Von den großen Firmen wäre zunächst Atlas-Elektronik zu nennen. Der Betrieb ist bekannt als weltweit führender Elektronikausstatter von U-Booten. Er liefert zudem für Überwasser-Kriegsschiffe ein Einsatzführungs- und Einsatzkontrollsystem. So auch für die neuen Lürssen-Fregatten F 125. Der Konzern zählt 28 Marinen zu seinen Kunden. Außerdem stellt die Firma Torpedo-Leitsyseme her, auch für den Export, und bietet Überwachungssysteme für Schiffsverkehrswege, Seegebiete, Häfen und komplette Küstenabschnitte. So wurde ein Küstenüberwachungssystem an die Grenzpolizei Bulgariens übergeben. Das System deckt die gesamte bulgarische Küstenregion am Schwarzen Meer ab.

 

Der nach der Korea-Krise einsetzende Kriegsschiffbau machte auch die Bremer Schiffbauer zu den Nachkriegsgewinnern: mit der Herstellung von Schnellbooten, Fregatten und U-Booten. Wie schon 1933 sahen die Unternehmer nach 1945 in der Waffenfertigung ein profitables Geschäft. Besonders die Friedrich Lürssen Werft hat eine wenig rühmliche Vergangenheit. Das Bremer Unternehmen fertigte bereits für die kaiserliche Marine Kriegsschiffe. Später wurden auch für Hitlers Wehrmacht weit über 200 Schnellboote gebaut. Mit der Übernahme der Peene-Werft in Wolgast wäre die Firma nach etlichen vorherigen Fusionen mit anderen Werften dann der größte Kriegsschiffsproduzent auf dem europäischen Kontinent. Der militärische Teil der Lürssen-Gruppe baut heute Patrouillenboote, Korvetten und Fregatten teils für die Bundeswehr, teils für den Export. Allerdings stellt die Firma in ihrem Werk in Lemwerder auch Luxusyachten für Superreiche her und macht damit 50 Prozent ihres Umsatzes.

 

Die Friedrich-Lürssen-Werft hatte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg schon einmal Konversion praktiziert, als die westlichen Besatzungsmächte der deutschen Industrie untersagt hatten, Rüstungsgüter zu produzieren. Damals stellte die Firma außer Haushaltsgegenstände auch Fischkutter und Handelsschiffe her. Rüstungskonversion war also bei Lürssen durchaus möglich und anscheinend auch erfolgreich. Aber wohl längst nicht profitträchtig genug. Das ist leider bis heute so geblieben.