Am 5. Juni 2013 wurde der Antifaschist Clement Meric von Faschist_Innen in der Pariser Innenstadt ermordet. Zu diesem Anlass fand an dem Jahrestag des Mordes ein Aktionswochenende in Paris statt. Es gab ein Musikfestival über zwei Abende, an denen lokale Hip-Hop Crews aber auch international bekannte Bands aufgetreten sind. Zum Samstag dem 7. Juni 2014 wurde zu einer großen Demonstration durch Paris zum Gedenken an Clement und gegen Faschismus aufgerufen, an der 8000 Menschen aus verschiedenen politischen Spektren und Städten Frankreichs aber auch aus anderen Ländern teilnahmen.
Auch aus Deutschland sind Antifas angereist, um sich an den Aktionen in Gedenken an Clement zu beteiligen. Darunter auch Antifaschist_Innen aus Hamburg, die in diesem Rahmen die Möglichkeit nutzten, der „Action Antifasciste Paris-Banlieue“ in einem Gespräch ein paar Fragen zu stellen.
Salut AFA Paris, könnt ihr uns eure Gruppe kurz vorstellen?
„Wir haben uns 2008 gegründet. Unsere Leute kommen aus verschiedenen Richtungen wie zum Beispiel ehemaligen RASH-Paris Mitglieder_Innen, Sprayer_Innen, Ultras, Leute von „Alternatif Libertaire“, Syndikalist_Innen und Mitgliedern von „Auto Defense Populaire“. Uns war wichtig, dass wir nicht nur eine Subkultur, wie z.B. Skinheads ansprechen, sondern auch Jugendliche, die eher auf Hip-Hop stehen oder sich keiner speziellen Subkultur zuordnen. Vor allem sollen bei uns aber Leute einen Platz finden, die von Diskriminierung wie zum Beispiel Rassismus, Klassismus und Sexismus betroffen sind und hier eine Möglichkeit haben, sich zu organisieren und dagegen aktiv zu werden.
Ok, jetzt habt ihr schon einiges zu eurer Gruppe gesagt und wie sieht eure politische Arbeit aus?
„Zunächst fanden wir es wichtig, uns zu organisieren, vor allem dort, wo wir leben. Hier wollen wir mit den Bewohner_Innen des Viertels in Kontakt treten, um gemeinsam Verbesserungen für uns zu erkämpfen. Deshalb stehen wir in Kontakt zu Vereinen in der Nachbarschaft und sozialen Zentren und versuchen, verschiedene Kämpfe im Viertel zu verbinden.“
Wie können wir uns so etwas konkret vorstellen?
„Uns ist besonders wichtig, uns die Straße zu nehmen. Vor allem durch direkte Aktionen. Wir versuchen zum Beispiel zur Zeit, einen Fußball- und einen Boxverein im Viertel aufzubauen. Die Vereine sollen basisdemokratisch organisiert sein und den Jugendlichen aus dem Viertel ein Miteinander ermöglichen, das möglichst offen und frei von Diskriminierung ist.
Das ist dann also für die Zukunft geplant. An welchen Projekten habt ihr denn bisher gearbeitet?
„Zusammen mit Nachbarschaftsvereinen und lokalen Gruppen haben wir dieses Jahr eine Demonstration in unserem Viertel gemacht, bei der auch Leerstand besetzt wurde, um Wohnraum zu schaffen. Zudem sollte auf die sozialen Probleme der Leute in unserem Viertel aufmerksam gemacht werden. Außerdem machen wir regelmäßig eine Nachbarschaftsküche in einem besetzten Haus, wo Leute günstig oder umsonst essen können. Wir setzen uns auch für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr ein, da wir der Meinung sind, dass wir lange genug teure Fahrkarten gekauft haben.“
Auf welche Erfolge könnt ihr zurückblicken?
„Vor einiger Zeit hätten wir uns nicht vorstellen können, dass es für uns möglich ist, ein solches Wochenende mit so vielen Menschen zu organisieren. Durch unsere Organisierung wurde es möglich, unsere politischen Ideen zu verwirklichen.“
Gut, dass ihr das Wochenende zum Gedenken an Clement erwähnt. Dies war ja auch einer der Gründe, weshalb wir hier sind. Könnt ihr uns erzählen, was sich für euch durch den Mord an Clement verändert hat?
„Für uns war sein Tod ein großer Schock, da er ein Mitglied der Gruppe und für viele ein enger Freund war. Der Mord hat uns als Freund_Innen aber auch enger zusammen geschweißt. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und Organisationen aus Paris, sowie aus ganz Frankreich ist intensiver geworden. Die Themen und Ideen, die Clement wichtig waren, wie zum Beispiel Tierrechte und der Kampf gegen Homophobie sind für uns durch den Mord noch mal wichtiger geworden, werden diskutiert und sind viel mehr in den Vordergrund gerückt. Für uns ist klar, dass wir Clements Kämpfe weiter führen und ihn dabei in unseren Herzen tragen.“
Es gab ja dieses Wochenende eine große Demonstration und jeweils eine Hip Hop und eine Ska-Punk-Reggae Konzertveranstaltung. Warum habt ihr diese Form des Gedenkens gewählt?
„Das Wochenende haben wir nicht alleine organisiert, sondern es gab das „Comité pour Clément“, in dem, außer uns, noch andere Gruppen mitgearbeitet haben. Seit dem Mord an Clément gab es in Frankreich viele Aktionen von Faschist_Innen oder Aktionen an denen Faschist_Innen teilgenommen haben, wie zum Beispiel der nationalistische Aktionstag „Jour de Colère“, oder die homophobe Demonstration „Manif pour tous“ gegen die sogenannte Homo-Ehe. Neben den Messerangriffen auf Antifas in Lyon gab es auch Europaweit vermehrte Angriffe auf Antifas, wie zum Beispiel dem Mord an Pavlos, ein antifaschistischer Rapper aus Athen, oder die Messerattacke auf Showan, der danach mehrere Wochen im Koma lag. Darum war es uns wichtig, mit möglichst vielen Antifaschist_Innen auf die Straße zu gehen, um eine klare Antwort auf diese Angriffe und das erstarken der Rechten in Europa zu finden. Dazu wurden auch Gäste aus verschiedenen Ländern eingeladen, um sich auszutauschen. Die zwei verschiedenen Konzertabende haben wir veranstaltet, um möglichst viele verschiedenen Leute mit unterschiedlicher Musik anzusprechen.“
Auf der Demonstration waren auch Schilder zu sehen, die sich gegen die rechte französische Partei „Front Nationale“ richteten, die bei der Europawahl 25% der Stimmen bekommen haben. Wie würdet ihr die Situation nach der Wahl bewerten?
„Natürlich hat uns das Wahlergebnis erschrocken. Andererseits haben auch große Teile der Bevölkerung gar nicht gewählt. Für uns ist somit noch nichts entschieden! Wir konzentrieren uns mit unserer Arbeit ohnehin mehr auf die Leute, für die die Parteien keine Perspektive bieten. Trotzdem hoffen wir, dass Vielen durch dieses Wahlergebnis klar wird, dass der antifaschistische Kampf notwendig bleibt.“
Zum Schluss würde uns noch interessieren, wie ihr euch Antifa-Arbeit in Zukunft auf internationaler Ebene vorstellen könntet.
„Zunächst ist es uns wichtig, die regionalen Probleme und Kämpfe in einen Bezug zueinander zu setzen und Gemeinsamkeiten zu erkennen. Das heißt für uns zum Beispiel auch, nach Athen zu reisen, um dem Mord an Pavlos zu gedenken. Aber natürlich auch, um von anderen Antifas zu lernen, uns auszutauschen und uns international zu vernetzen.“
Vielen Dank für das Gespräch. Wir hatten sehr schöne Tage mit und bei euch und freuen uns, dass wir uns mit euch austauschen konnten und hoffen, dass wir uns bald wiedersehen. Möchtet ihr noch etwas abschließendes sagen?
Ja, wir haben uns sehr darüber gefreut, dass ihr hergekommen seid und mit uns ein Teil des Gedenkens wart. Es hat uns viel bedeutet, dass wir auch aus anderen Ländern Solidarität erfahren und gemeinsam gegen Unterdrückung und Diskriminierung kämpfen. Don´t forget the struggle- don´t forget the streets!
Während unseres Aufenthaltes in Paris ist noch ein gemeinsames Graffiti entstanden.
ATESH & ANTIFA PINNEBERG
Paris, 2014